Außer Atem: Das Berlinale Blog

Leiden an Israel in Paris: Nadav Lapids "Synonymes" (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
14.02.2019.


Ein junger Mann kommt nach Paris, die Stadt der Menage à trois und der Nouvelle Vague. Er ist mit allen Vorzügen ausgestattet, nicht jedoch seine erste Wohnung, in der er halb erfriert und von seinen Nachbarn Emile und Caroline aus der Einsamkeit gerettet wird. Emile ist schriftstellernder Industriellensohn, Caroline spielt Oboe.

Hunderte von Filmen beginnen so. Meist kommen sie in exquisitem Schwarzweiß daher: Ein junger Mann flieht aus der spießigen engen Provinz, findet Freunde. Doch irgendwann werden die Verbündeten im Kampf für die Kunst zu Rivalen um die Gunst der Frau. In Nadav Lapids Film "Synonymes" gibt es Farbe, und Yoav entflieht nicht der Avantgarde-feindlichen Kleinstadt, sondern seiner israelischen Identität.

Er lernt französische Vokabeln und sich ein Mittagessen für 1,28 Euro zu kochen. Mit unbewegter Mine stolpert er durch sein neues französisches Leben, von einem Malheur zum nächsten. Trotzdem gilt: La vie est sublime! Die Szenen sind nur lose miteinander verbunden, aber alle bedeutungsvoll aufgeladen: Im israelischen Generalkonsulat treffen zwei Israelis aufeinander, sie gehen sofort in den Nahkampf: Ringt hier die israelische Seele mit sich? Ist das ein Begrüßungsritual unter Spezialkräften? Ach nein, es ist ein Vorstellungsgespräch. Die Wachleute dort lernen Menschen mit arabischen Namen abzuwimmeln und grölen in selbstgedichteten Liedern "Mohammed ist tot". Yoav hadert mit der Gewalt in seinem Land, dem Krieg im Libanon, der Verherrlichung der Armee. Er ist Hektor, der Held, der dem Kampf entflieht. Der große Verweigerer.

Eines Tages begegnet er Yaron, der nach Frankreich gekommen ist, um den bedrängten Juden im Land beizustehen. Er ist die Karikatur eines kampfbereiten Israelis. Er setzt sich die Kippa auf, summt in der Metro laut die Hatikwa und drängt den Leuten seinen Nationalstolz auf. Yoav steht nackt vor uns, nimmt die Maschinenpistole als Geige und ballert im Rhythmus zu "Je ne veux pas travailler." Lapid setzt in seinem von Maren Ades koproduzierten Film "Synonymes" sein Leiden an Israel in Szene, manchmal skurril, manchmal mit einer gewissen Pointe, oft prätentiös. Schwacher Applaus und schwache Buhs halten sich die Waage.

"Synonymes". Regie: Nadav Lapid. Mit Tom Mercier, Quentin Dolmaire, Louise Chevillotte. Frankreich / Israel / Deutschland 2019, 123 Minuten (Alle Vorführtermine)