Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
12.05.2003. Diese Woche lesen Sie: Warum die kleineren Buchhändler einen eigenen Verband gründen wollen. Wie Elke Heidenreich die Bestsellerlisten aufgemischt hat. Welche Gründe Random House dem Kartellamt nachgereicht hat. Und warum Bloomsbury die Aufregung um sein Leseverbot nicht verstehen kann. Von Hubertus Volmer

buchreport.express

Der Streit zwischen Verlagen und Buchhandel über die Konditionen hält an. Jetzt richtet sich der Zorn des Handels auf den Schulbuchverlag Cornelsen, "der mehreren hundert Sortimentern in einem Brief eine Kürzung ihrer Rabatte für Schulbücher mitgeteilt hat. Statt der bisher üblichen 25 Prozent werden über den Grundrabatt von 20 Prozent hinaus nur noch dann zusätzlich 2 bis 5 Prozent gewährt, wenn die Buchhändler dafür eine Palette zusätzlicher Leistungen erbringen. Dazu gehört vor allem, dass sie die Titel des so genannten Nachmittagsmarktes, mit dem die Schulbuchverlage versuchen, auf rückläufige Umsätze in ihrem Stammgeschäft zu reagieren, stärker promoten sollen."

Auch auf der Tagung des Arbeitskreises Wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhändler im Börsenverein (AWS) ging es um den Konditionenstreit, meldet der buchreport. Die Sortimenter sehen das Preisbindungsgesetz auf ihrer Seite. Darin heißt es: "Verlage müssen bei der Festsetzung ihrer Verkaufspreise und sonstigen Verkaufskonditionen gegenüber den Händlern den von den kleineren Buchhändlern erbrachten Beitrag zur flächendeckenden Versorgung mit Büchern sowie ihren buchhändlerischen Service angemessen berücksichtigen." Nach Auffassung des buchreport erfüllt ein 20-Prozent-Rabatt diese Anforderungen nicht: "Da der Buchhändler bei öffentlichen Aufträgen seinerseits bis zu 15 Prozent Rabatt gewähren muss, bleibt ihm bei 20 Prozent Rabatt gerade einmal eine Marge von 5 Prozent. Nach Abzug der Betriebskosten für den 'buchhändlerischen Service' dürfte unter dem Strich bestenfalls eine Null stehen."

Die kleineren Sortimenter sehen sich im Börsenverein nicht mehr gut genug vertreten. "Nach einer lebhaften Diskussion auf der Jahrestagung des Arbeitskreises kleinerer Sortimenter (AKS) haben sie am Sonntag mehrheitlich beschlossen, einen eigenen Verein außerhalb des Börsenvereins zu gründen. Schon bis zur nächsten Jahrestagung soll der Sprecherkreis ein Konzept für die neue Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Sortimenter (Argus) vorlegen." Als Beispiel für dafür, dass der Börsenverein sich zu wenig um die Kleinen kümmere, sehen die AKS-Mitglieder den jüngsten Welttag des Buches, "bei dem der Börsenverein mit seinen 'Leseköpfen' nur Aktivitäten in fünf Metropolen gefördert habe, anstatt die Gelder zum Nutzen aller Mitglieder einzusetzen". (Mehr hier.)

Die Abstände zwischen den Verwertungsstufen weichen weiter auf, meldet der buchreport. Anlass: Sechs Monate nach Erscheinen der 24 Euro teuren Hardcover-Ausgabe von Michael Crichtons "Beute" erscheint bei Weltbild eine "Sonderausgabe" für 14,90 Euro - noch vor dem Taschenbuch. Mit "Wer weint schon um Abdul und Tanaya" von Jürgen Todenhöfer geht Herder einen anderen Weg: Das Taschenbuch zu dem Bestseller erscheint bereits Mitte Mai; das Hardcover war erst im Januar auf den Markt gekommen.

Elke Heidenreichs neue Literatursendung "Lesen!" ist nicht nur quotenmäßig gut angekommen. Bereits wenige Tage nach Ausstrahlung der Sendung waren die empfohlenen Titel in allen Buchhandlungen ausverkauft, bei denen der buchreport probehalber nachgefragt hat. "Zwar erinnern sich Sortimenter, dass es 'immer wieder unmittelbare Reaktionen auf Sendungen gegeben hat', doch so etwas wie nach der ersten 'Lesen!'-Sendung ist im Buchhandel bisher noch nicht vorgekommen." Das Buch "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" von Eric-Emmanuel Schmitt (Ammann) stieg auf Platz eins (die höchste Platzierung des Titels war zuvor am 27. März der 25. Platz gewesen). Das Buch verkaufte sich in den Tagen nach "Lesen!" 25.000 Mal. Der Roman "Zwölf" von Nick McDonell (KiWi), der vor allem Harald Schmidt so gut gefiel, ging 40.000 Mal über die Ladentheke und stieg in der Taschenbuch-Liste auf Platz eins. "Ein alter Traum von Liebe" von Nuala O'Faolain (Claassen) und "Doppelleben" von Tim Parks (Kunstmann) hüpften auf die Plätze drei und neun. Elke Heidenreichs eigenes Buch "Der Welt den Rücken" (Rowohlt) stieg auf der TB-Liste ebenfalls, von 13 auf drei. Bodo Harenberg schreibt in einem Kommentar, Elke Heidenreich behandele "ihr Publikum, wie sie vermutlich auch ihre Freundinnen und Freunde behandelt. Sie möchte, dass die Zuschauer 'die Bücher, die ich heute Abend vorstelle, lesen'. Und sie duldet nicht, dass sich die Fernseher damit herausreden, 'Ich komme nicht zum Lesen'."

Random House hat dem Kartellamt Gründe nachgereicht, die der Behörde die Zustimmung zum Kauf der Springer-Buchverlage durch die Bertelsmann-Verlagsgruppe erleichtern sollen. Darunter ist auch das Ergebnis einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung über den Unterschied von Hardcover und Taschenbuch aus Sicht der Kunden. (Im Taschenbuchsegment allein liegt der Umsatz von Random House und Ullstein Heyne List deutlich über der kartellrechtlich relevanten Schwelle von einem Drittel Marktanteil.) Die Marktforscher hätten festgestellt, "dass die Segmentierung des Marktes, von der bisher die Branche ebenso wie das Kartellamt ausgegangen sind, in Wirklichkeit gar nicht mehr besteht. Tatsächlich, so das Fazit der (...) Studie, bestimmen Thema und Inhalt des Buches in erster Linie die Entscheidung, danach folgt der Titel auf Platz 2 und mit weitem Abstand schließlich der Preis. Ob der Einband fest oder flexibel ist, ist nur für 1,3 Prozent der Befragten von Bedeutung." Befragt worden seien 1.959 Personen, "darunter 955 ausgewiesene Buchkäufer". Das Kartellamt will seine Entscheidung zur Fusion erst Mitte Juni bekannt geben, also zwei Wochen später als geplant.

Nach den Kriegs-Büchern erscheinen ab August die Nachkriegs-Bücher. Der buchreport listet ein paar Titel auf: "Who are We. Die Krise der amerikanischen Identität", "Imperium der Angst", "Nach dem Krieg. Vor dem Frieden", "Power and Mission - Was Amerika antreibt", "Die ohnmächtige Supermacht" und "Krieg der Werte".

Weitere Meldungen: Der buchreport-Umsatztrend verzeichnet nach dem März-Rekordtief von minus 19,37 Prozent für den April ein Zwischenhoch von plus 5,1 Prozent; das liegt dem Blatt zufolge vor allem am Osterfest, das in diesem Jahr im April, im Vorjahr im März lag (der Welttag des Buches habe dagegen in Deutschland keine positiven Auswirkungen gehabt). Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert bei den anstehenden Tarifverhandlungen im Einzelhandel 3,5 Prozent mehr Lohn sowie einen Zeitzuschlag für die Samstagsarbeit ab 14 Uhr und die Befreiung von der Arbeit an jedem zweiten Wochenende. Vielleicht sollte ver.di sich lieber ein Beispiel an der IG BCE nehmen und Ausbildungsplätze fordern; der buchreport meldet nämlich auch, dass Buchhandlungen und Verlage immer weniger Ausbildungsplätze anbieten. In das ehemalige Kiepert-Haus in Berlin soll eine neue Buchhandlung einziehen; welche, behält der Besitzer des Hauses vorerst für sich. Die Klett-Gruppe bilanziert das Jahr 2002 mit einem Plus von 3,8 Prozent und blickt dennoch "nur mit 'verhaltener Freude' in die Zukunft: 'Das allgemeine wirtschaftliche Umfeld gibt eher Anlass zur Skepsis', erläutert der Vorstandsvorsitzende Dr. h.c. Michael Klett" (mehr hier). Die erste Buchmesse in Basel ("BuchBasel") war ein Achtungserfolg. Und schließlich feiert der buchreport zum wiederholten Male die Kassenerfolge der christlich-fundamentalistischen "Left Behind"-Serie von Tim LaHaye und Jerry B. Jenkins (mehr zu dieser Billig-Apokalypse hier).

Und nachdem so viel von den Bestsellerlisten die Rede war: hier ist der Link.

Börsenblatt

Hendrik Markgraf freut sich im Editorial über "die neue Kulturtat des ZDF", nämlich über die Literatursendung "Lesen!" von Elke Heidenreich. Befremdlich findet er dagegen den Hessischen Rundfunk, der die Traditionssendung "Bücher, Bücher" Ende des Jahres absetzen will. "Das ist voreilig: Könnte hier nicht etwa ein Wechsel in der Moderation oder beim Sendetermin für neues Leben sorgen und die Einschaltquoten wieder nach oben bringen?"

Der Chef des britischen Harry-Potter-Verlags Bloomsbury, Nigel Newton, "kann die Aufregung nicht verstehen, die die vom Verlag für den Verkauf des Megasellers 'Harry Potter and the Order of the Phoenix' vorgegebenen Bedingungen bei deutschen Buchhändlern ausgelöst haben. In Großbritannien sei er gerade von kleineren Buchhandlungen für die rigiden Vorschriften im Umgang mit dem weltweiten Erstverkaufstag des fünften 'Harry Potter'-Bands gelobt worden, so Newton auf Anfrage". In Deutschland sind es offenbar eher die kleinen Buchhändler, die sich an Newtons eigentümlichen Vorschriften stören: Von fünf befragten Buchhändler erklären die drei Großen, der Vertrag störe sie nicht. Die beiden unabhängigen Sortimenter halten den Bloomsbury-Vertrag dagegen für "absolut unmöglich" bzw. für "deutlich überzogen". Unglaublich, aber wahr: Bloomsbury will den Buchhändlern verbieten, den neuen "Harry Potter" vor dem 21. Juni, 00.01 Uhr englischer Sommerzeit zu lesen. (Mittlerweile ist übrigens auch klar, wann die deutsche Übersetzung erscheint: am 8. November.)

"Mit gezielten Indiskretionen scheinen Bieter für die Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer ihre Verhandlungsposition verbessern zu wollen", schreibt das Börsenblatt. "Die Financial Times Deutschland hatte gemeldet, dass die Gruppe im ersten Quartal 2003 sechs Prozent Umsatzminus verbucht habe."

Die London Review of Books hat im Londoner Stadtteil Bloomsbury eine Buchhandlung eröffnet. "Der London Review Bookshop soll 'zu einer der allerbesten unabhängigen Buchhandlungen in London' werden, heißt es auf der Homepage."

Christiane Hahn von der Buchhandlung Anakoluth in Berlin-Mitte wünscht sich weniger Verramschung durch die Verlage. "Verringern Verlage bei derartiger Praxis auch ihre Verluste, so untergraben sie gleichzeitig die für sie ebenso zukunftssichernde Preisbindung. Ich wünschte, Verstöße - ob unzulässige Rabattangebote oder unkorrekte Ausverkäufe - würden effektiver geahndet und Einzelkläger erhielten juristischen Beistand durch unsere Interessenvertreter. Ich wünschte, mehr Buchhändler besännen sich auf ihre Stärken als Literaturvermittler und subventionierten Wagenbachs Saltos nicht mit Prepaid-Telefon-Aufladestationen, Friedenauer Pressedrucke nicht mit Diddlmaus-Produkten."

PEN-Generalsekretär Wilfried F. Schoeller erinnert an die Bücherverbrennung in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1933. "Die schlüssige Antwort auf die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen hat bereits Gotthold Ephraim Lessing vorweggenommen: 'Hoffentlich bin ich mit der Meinung nicht allein, daß es auf alle Weise erlaubt ist, ein von Obrigkeitswegen, auch aus den trifftigsten Gründen, verbranntes Buch wieder herzustellen. ... Was einmal gedruckt ist, gehört der ganzen Welt auf ewige Zeiten. Niemand hat das Recht, es zu vertilgen. Wenn er es tut, beleidigt er die Welt unendlich mehr, als sie der Verfasser des vertilgten Buches, von welcher Art es auch immer sei, kann beleidigt haben.' Diese Lehre gilt für alle Bücherverbrennungen, wo immer sie auch stattfinden."

Weitere Meldungen: Einige deutsche und ausländische Verlage drängen darauf, dass die in Aussicht gestellten Kostensenkungen bei den Hotelbuchungen zur Frankfurter Buchmesse nun auch umgesetzt werden. Und die Kartellamts-Entscheidung zum Kauf von Ullstein Heyne List durch Random House verzögert sich um zwei Wochen; Ende Juni will die Behörde ihre Entscheidung bekannt geben.

Außerdem schreibt Christina Schulte über Outsourcing in Verlagen; dabei stellt sie die Studie "Renditefaktor Outsourcing" vor, die von der Unternehmensberatung Verlagsconsult erstellt und veröffentlicht wurde. Hans-Jürgen Krug informiert über Begleitbücher - Bücher, die zu Fernseh- oder auch Radiosendungen erscheinen. Auf Begleitbücher spezialisiert sind etwa die TR-Verlagsunion (trv) oder vgs, früher Verlagsgesellschaft Schulfernsehen. Begleitbücher sind allerdings nicht nur Titel zu "Löwenzahn", dem Mann-Doku-Drama von Heinrich Breloer, "Akte X" oder alles von Guido Knopp. Krug nennt auch das "Russische Tagebuch" von Thomas Roth und "Östlich der Sonne" von Klaus Bednarz als Beispiele. Begleitbücher können sehr profitabel sein: vgs verkaufte von Büchern zu der Serie "Charmed" 750.000 Exemplare, die Gesamtauflage der "Hobbythek"-Titel liegt bei vier Millionen. Dann porträtiert Andreas Trojan Anja Heyne und ihren Verlag Collection Rolf Heyne. Und schließlich berichten Stefan Hauck und Holger Heimann über das erste gemeinsamen Treffen des Arbeitskreises Kleinerer Sortimente (AKS) und des Arbeitskreises kleiner Verlage (AkV).
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