Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
02.05.2005. In dieser Woche: Warum der Welttag des Buchs außer den Buchhändlern eigentlich niemand interessierte. Und wie die SZ mit 1.000 Popsongs Zusatzgeschäfte machen will. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Seine Titelgeschichte widmet der Buchreport dem Bahnhofsbuchhandel und dessen Perspektiven. Auch hier nimmt die Konzentration zu: Das Führungsquartett - Valora Retail Deutschland, Schmitt & Co., HDS Retail Deutschland und Dr. Eckert - betreut mittlerweile 323 der insgesamt 467 Verkaufsstellen auf deutschen Bahnhöfen und erwirtschaftet 70 Prozent der Umsätze. Zum schmalen Mittelbau gehörten nur noch wenige regionale Bahnhofsbuchhändler wie Wittwer (Stuttgart) und Grauert (Düsseldorf), erläutert der Buchreport, die restlichen rund 100 Verkaufsstellen seien Klein- und Kleinstbetriebe mit nur minimalem Buchverkauf. Wenn die Großen noch größer werden wollten, müssten sie sich mangels anderer Möglichkeiten gegenseitig fressen. Obwohl Bücher nur 25 Prozent der Umsätze im Bahnhofsbuchhandel ausmachen, gewinnen sie an Bedeutung: "Die Margen sind besser als bei Presseerzeugnissen."

Der Welttag des Buches bleibt ohne Folgen. Mit ungezählten Einzelaktionen hätten sich die deutschen Buchhändler am 23. April um ihre Kundschaft bemüht, dabei aber wieder keine durchschlagende Wirkung im Sinne eines Branchenmarketings erzielt, fasst der Buchreport zusammen. Das Branchenmagazin vermutet als Grund die in ihrer Reichweite begrenzten Aktionen: "Sie schafften es zwar in die lokale Berichterstattung, zogen aber keine große, überregionale Medienaufmerksamkeit auf sich." Vorbildlich findet der Buchreport die Welttags-Aktivitäten der Briten, Niederländer und Spanier. Durch Groß-Kampagnen hätten sie Umsatzsteigerungen erzielt, von denen die deutsche Buchbranche nur träumen könnte.

Bücher zu aktuellen Ereignissen bestimmen den Markt. Neben Titeln von und über den neuen Papst und seinen Vorgänger seien Schriften zu Jubiläen die Renner, weiß der Buchreport. Derzeit gingen Sachbücher zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 60 Jahren (8. Mai) und zum 200. Todestag Friedrich v. Schillers (9. Mai) besonders oft über die Ladentheke. Die Jahrestage zeigen auch Auswirkungen auf die Spiegel- und Gong-Bestsellerlisten (siehe unten): Elf Bücher unter den "Top 50" beschäftigen sich mit "Nationalsozialismus", seit Monaten sind Rüdiger Safranski und Sigrid Damm mit ihren Gedanken zu Schiller (hier und hier) vertreten.

Der Buchreport konkretisiert das letzte Woche vom Börsenblatt aufgegriffene Thema "Änderungen am Preisbindungsgesetz". Einzelheiten, und für wie realistisch Börsenvereins-Justiziar Christian Sprang die Änderungswünsche hält, hier.

Mit Rafael Sanchez Ferlosio hat ein "erklärter Verächter der schönen Literatur" (Neue Zürcher Zeitung) den Premio Cervantes, höchste Auszeichnung für das Lebenswerk spanisch schreibender Autoren, erhalten. Zwei Romane machten den Spanier in den Fünfzigerjahren bekannt: "Abenteuer und Wanderungen des Alfanhui" (neu aufgelegt bei Hanser) und "Am Jarama" (Insel). Während 30 Jahren "belletristischen Schweigens" (NZZ) schrieb Ferlosio sprach- und kulturkritische Essays.

Meldungen: Schüler mögen den "Hund von Balard" (SchirmerGraf): Deutsche, belgische und niederländische Gymnasiasten haben dem Roman des Franzosen Ludovic Roubaudi den Euregio Literaturpreis zugesprochen. Vor zwei Wochen hat das Landgericht Magdeburg dem Heyne-Verlag unter Androhung eines Ordnungsgelds von 250.000 Euro untersagt, das Cover eines Fantasy-Romans kostenfrei mit der goldenen Himmelsscheibe von Nebra zu schmücken, in gleicher Angelegenheit werden die Richter voraussichtlich morgen gegen den Piper Verlag entscheiden - das Land Sachsen-Anhalt sieht sich in Besitz der Verwertungsrechte des Sensationsfunds aus der Bronzezeit und fordert von den Verlagen für eine Scheiben-Abbildung Lizenzgebühren. Und: ein Blick auf die Bestsellerlisten.


Börsenblatt

Zusatzverkäufe haben dem Süddeutschen Verlag in 2004 26 Millionen Euro (Umsatz) eingebracht. Außerdem sei man, schreibt das Börsenblatt skeptisch, in München davon überzeugt, dass die Sondereditionen - SZ-Bibliothek, SZ-Cinemathek, Musik-Kaiser - die Abo-Zahlen des Kernprodukts Süddeutsche Zeitung hätten steigen lassen. Weitere Millionen will sich der Medienkonzern nicht entgehen lassen und plant bis 2007 25 Projekte in Sachen "Zusatzgeschäft". Schon bald sollen die "1000 besten Pop-Songs" portionsweise auf CD gebrannt und in Kombination mit einem Buch als Sammelwerk in den Handel kommen. Pate ist diesmal die Redaktion des SZ-Magazins.

Vorsichtig tasten sich die Hörbuchverlage an eine neue Vertriebsform heran: die Freigabe der Inhalte zum Download aus dem Internet. Dabei gilt es, nicht zu lange zu zögern. Denn: Bei der Mediennutzung werde in einem anderen, schnelleren Rhythmus gedacht, die Informations- und Kommunikationsforschung gebe hier den Takt vor. Diesen Rat bringt das Börsenblatt von der Konferenz Auditorium (mehr) mit, die in München nach den Entwicklungen der Audiowelt und den damit verbundenen Entwicklungen des Hörbuchmarkts fragte. Viel versprechen sich Technologie-Fachleute vom Komprimierungsverfahren AAC+, das noch leistungsfähiger als MP3 ist. "AAC+ kann fürs Hörbuch unmittelbar verwendet werden, zur Übertragung ins Auto oder auf Handys", erklärte Martin Dietz, Geschäftsführer von Coding Technologies.

Der Literaturbetrieb verändert sich insofern, dass Verleger und Lektoren mehr und mehr Löcher hinterlassen und Literaturagenten diese stopfen müssen, glaubt Uwe Heldt, Leiter der Literaturagentur Mohrbooks in Berlin, und greift Arnulf Conradis umstrittene Abrechnungs-Rede mit der Branche (vor drei Monaten bei der AG Publikumsverlage, hier) noch einmal auf. Autoren würden vernachlässigt, für sie stellten sich die Verlage zunehmend als Institutionen dar, die mit ganz anderen Dingen beschäftigt seien als damit, kreative Schreibprozesse anzustoßen, klagt Heldt und hält es für bedenklich, dass kreative Prozesse eher in den Werbe-, Presse- und Vertriebsabteilungen stattfinden, "als an der Basis der innovativen Wertschöpfung", dem Bewerten und Bearbeiten der Manuskripte.

Das elektronische Publizieren braucht Impulse, meint AKEP-Sprecher Arnoud de Kemp. Mehr.

Meldungen: Bestseller-Autorin Susanne Fröhlich ("Moppel-Ich") moderiert ab Juni "Fröhlich lesen", die Nachfolgesendung des Literaturmagazins "Weimarer Salon" im MDR. Erika Fuchs, erste Chefredakteurin des Micky Maus-Magazins und langjährige Barks-Übersetzerin, ist im Alter von 98 Jahren gestorben. Der Bischoff Verlag stellt aus wirtschaftlichen Gründen die Produktion seiner Kinderbücher ein. Amazon.com hat wegen höherer Steuern im ersten Quartal 2005 einen Nettogewinn von "nur" 78 Millionen Dollar (rund 60 Millionen Euro) erzielt, der Umsatz stieg um 24 Prozent auf 1,9 Milliarden Dollar. Die britische Book Marketing Society entwickelt unter dem Motto "50 Bücher, die Sie gelesen haben müssen" eine Kampagne, die insbesondere Backlistverkäufe ankurbeln soll. Ein tschechischer Verlag konnte 10.000 gefälschte Harry Potter II-Bände für einen Euro das Stück unters Volk bringen.
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