Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
06.10.2006. Über welches Thema auf der Frankfurter Buchmesse am meisten diskutiert wird. Wie sich das kleine gallische Dorf (Börsenverein-Volltextsuche) gegen das römische Imperium (Google, Amazon) zur Wehr setzt. Und warum Leser laut Martin Walser zwar unsterblich, Leseförderung aber tot ist.

buchreport.express

Materialschlacht im buchreport: Auf 15 Seiten referieren die Dortmunder die zentralen Themen der Frankfurter Buchmesse, darunter die Zukunft der Messe an sich, den Trend zu Einkaufsgenossenschaften sowie den Stellenwert von Hörbüchern, Nonbooks oder Spielwaren im Handel. Das Topthema sei jedoch der Strukturbruch der Branche, der durch die mächtige Weltbild-Hugendubel-Allianz DBH oder das knirschende Konditionengefüge der Verlage forciert werde (hier der Artikel dazu). Kuriosum am Rande: In der Minikolumne "Sechsundsechzig Wörter" gibt buchreport-Verleger Bodo Harenberg den typischen Buchmessedialog wieder (Wie geht's? Danke gut. Und selbst? Danke, alles bestens. Wir seh'n uns noch) - "dieses Dialogs wegen findet die Messe überhaupt nur statt", weiß Harenberg. Bleibt zu hoffen, dass die 15 Seiten Themenanregungen den einsilbigen Messegänger nicht heillos überfordern.

Neben den Themenanregungen unterhält sich buchreport mit dem Literaturagenten Andrew Nurnberg, der die Reise an den Main weiterhin für wichtig erachtet. Auch der abgeblasene Vorstoß der Frankfurter nach London sei unter dem Strich erfolgreich gewesen, weil er dazu geführt habe, dass die Londoner Buchmesse jetzt wieder mitten in der Stadt angesiedelt ist. Passend zum Thema schildert buchreport die Jagd auf die wichtigsten Bücherlizenzen: "The Children of Hurin", ein unvollendetes Manuskript aus dem Tolkien-Nachlass, das inzwischen von Tolkiens Sohn Christopher beendet wurde, sowie eines der erfolgreichsten Bücher aus Frankreich, "Les Bienveillantes" von Jonathan Littell. Im Kommentar zeigt Chefredakteur Thomas Wilking Mitleid mit den durch die Messehalle streunenden Autoren, die "ein bisschen ungläubig-staunend durch die trubeligen Hallen" trotteten, verloren am Verlagsstand herumsäßen und zu ergründen versuchten, "worum es bei dieser Massenveranstaltung eigentlich geht."

Ansonsten erscheint das Heft statistiklastig: Auf vier Seiten analysiert buchreport die September-Umsätze (hier der Artikel) sowie die Umsätze in den ersten drei Quartalen des Jahres - ins entscheidende vierte Quartal startet der Buchhandel mit einem leichten Plus von 0,9 Prozent.

Weitere Artikel: Der Bertelsmann Club bietet langjährigen Mitgliedern weiterhin besondere Rabatte (bis zu 25 Prozent) an, obwohl dies nach Ansicht des Börsenvereins gegen die Preisbindung verstößt. Bild und Bild am Sonntag bringen zusammen mit Weltbild die vierte Bibel auf den Markt, diesmal eine "Dürer-Holzbibel". Im Interview mit buchreport zeigt sich Carola Markwa, die neue Vorsitzende im Börsenvereins-Sortimenterausschuss, zuversichtlich, dass auch der stationäre Buchhandel vom Verbandsprojekt "Volltextsuche Online" profitieren kann - mit dem Verkauf von "E-Content" könne sich Buchhändler ein weiteres Standbein verschaffen. Und hier die Bestseller.

Börsenblatt



"Googles Scanner-Armee scheint unaufhaltsam vorzurücken", beginnt Michael Roesler-Graichen seinen Text über den Wettbewerb (dem Vokabular nach zu urteilen, wohl eher Krieg) der verschiedenen Digitalisierungsinitiativen. Nachdem der Autor die Modelle von Amazon und Google vorgestellt hat, richtet er den Fokus auf das verbandseigene Projekt "Volltextsuche Online", das an das kleine gallische Dorf erinnere, das sich der Übermacht der Römer widersetze. Zur Buchmesse wurde ein Prototyp von VTO vorgestellt sowie Letters of Intent mit Verlagen wie Suhrkamp unterschrieben, die kooperieren wollen. Viele Neuigkeiten enthält die Analyse nicht, erstaunlicherweise lässt der Autor die massive Kritik am Projekt in den eigenen Reihen des Börsenvereins komplett außen vor. Auch die Risiken - besonders jenes, dass die großen Suchmaschinen VTO ignorieren - blendet der Autor aus.

Im Kommentar warnt der Verleger Wulf D. v. Lucius vor einer Regulierung des wissenschaftlichen Publizierens - Verleger wie von Lucius haben Angst davor, dass Hochschulen Autoren künftig dazu verpflichten könnten, ihre Texte von Universitätsverlagen oder auf eigenen Uni-Servern veröffentlichen zu lassen.

Jochen Jung und Vito von Eichborn haben ein Pro und Contra zu Books on Demand verfasst: Verleger Jung glaubt, dass Bücher, die ernst genommen werden wollen, die Hürde eines fremden Lektorats genommen haben müssen. Sonst heiße es: Lektorat umgehen, Vertrieb umgehen, Kritik umgehen - und letztlich den Leser umgehen. Von Eichborn, als Herausgeber bei Books on Demand (Norderstedt) unter Vertrag, feiert das "völlig neue Forum für Abweichler und Nonkonformisten". Der Trend zum Selbstverlegten passe dazu, dass "die gesellschatliche Mitte zur Schimäre" werde, das Bürgertum zur Peripherie und - Achtung, Baudrillard - die Simulation das Original ablöse. (Was wohl die tausenden BoD-Autorenzu der Einschätzung sagen würden, dass sie den herkömmlichen Bücherbetrieb nur simulieren?)

Im "Menschen"-Ressort druckt das Börsenblatt einen langweiligen Text von Martin Walser über das Lesen ab, als sechster Teil der Serie zum Stellenwert der Lektüre im multimedialen Zeitalter. Fazit: Der Leser sei unsterblich, Leseförderung aber tot. Den inzwischen unregelmäßig erscheinenden Fragebogen hat Edition Nautilus-Verleger Lutz Schulenburg ausgefüllt.

Weitere Artikel: Tamara Weise berichtet von einer Welle von Neueröffnungen kleiner Buchhandlungen, bevorzugt in Nebenlagen. Christoph Kochhan meldet eine miese Stimmung unter Buchhändlern - selbst vom Weihnachtsgeschäft erhoffe sich das Sortiment kaum Impulse. Michael Roesler-Graichen porträtiert den (inzwischen verstorbenen) Dichter Oskar Pastior, der die Verleihung des Büchner-Preises leider nicht mehr erlebt hat. Die TR-Verlagsunion (250 lieferbare Titel zu TV-Sendungen) schließt am Jahresende. Der Beltz Verlag verkauft das vor vier Jahren gestartete Frühpädagogik-Programm an Cornelsen Scriptor. Herder und Area-Gesellschafter Bruno Hof gründen einen MA-Verlag, der im Januar 2007 das erste Programm vorlegen soll. Auch Klett startet einen neuen Verlag mit Ingke Brodersen (früher bei Rowohlt Berlin) - nach Drucklegung steht fest, dass außerdem Rüdiger Dammann und Peter Mathews zum Gründungsteam des Publikumsverlags booklett. brodersen & company gehören.
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