Efeu - Die Kulturrundschau

Als Kulturzombie reanimiert

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10.05.2024. Von den hasenherzigen Reformversuchen bei der Documenta sind die Zeitungen allesamt nicht überzeugt: Ein Code of Conduct, der für die künstlerische Leitung gar nicht gilt, dürfte wenig Effekt haben. Das Bataclan-Attentat hat ein weiteres Todesopfer gefordert: Der Zeichner Fred Dewilde, der zu den Überlebenden gehörte, hat sich das Leben genommen, melden die Zeitungen. Von den anti-israelischen Protesten beim ESC berichtet Spiegel Online. Recht anstrengend finden SZ und nachtkritik Nuran David Calis' Dramatisierung eines Özdamar-Romans in Köln. Alle trauern um den Produzenten Steve Albini.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 10.05.2024 finden Sie hier

Kunst

"Halbherzig" nennt Boris Pofalla in der Welt die Reformen für die Documenta: Nach den großen Debatten des letzten Jahres (unsere Resümees), gibt es jetzt einen Code of Conduct, der allerdings nur für die Träger gilt. Die künstlerische Leitung, die entscheidet, was nun eigentlich ausgestellt wird, fällt nicht darunter, womit das ganze Unterfangen am eigentlichen Problem vorbeigeht, so Pofalla: "Der Beschluss des Aufsichtsrates erscheint als der Versuch, sich von möglichen Kontroversen schon einmal prophylaktisch zu distanzieren, indem man eine Brandmauer aus Gremien und Regeln gegenüber den Kuratoren errichtet. Hinterher kann man dann behaupten, sich doch an die Empfehlungen der Beratungsfirma gehalten zu haben. Dass man diese in einem so entscheidenden Punkt - die in einen Code of Conduct gegossene Verantwortung der Kuratoren - dann aber doch nicht umsetzt, spricht Bände." Stefan Trinks schließt sich in der FAZ der Skepsis an: "Die Frage bleibt aber, ob es mehr als ein Lippenbekenntnis sein kann, da bei dieser Konferenz im Vorfeld das tatsächliche Erscheinungsbild der Kunstwerke noch nicht annähernd feststehen wird."

Auch wenn die künstlerische Leitung künftig zumindest darlegen muss, wie sie Menschenwürde und Kunstfreiheit zugleich wahren will, sieht auch Jörg Häntzschel in der SZ Konfliktpotenzial: "Welcher Kurator, welche Kuratorin würde einen solchen Code unterschreiben? Und: Ist Kunst noch möglich, wenn sie Codes folgen muss? Klar ist jedenfalls, dass auch mit der jetzt beschlossenen Reform künftige Konflikte nicht wegorganisiert sind." Monopol zitiert eine Stimme, die das eigentliche Problem woanders verortet: "Der Kasseler Kunstwissenschaftler und Documenta-Kenner Harald Kimpel hält einen solchen Kodex für überflüssig. 'Für mich ist das Abverlangen eines Bekenntnisses zur Menschenwürde fast ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Es ist nicht nur ein Ratlosigkeitszeugnis, sondern Teil einer herrschenden Misstrauenskultur.' (…) 'Das Hauptdilemma ist, dass man sich schon seit Langem von künstlerischen Inhalten verabschiedet hat, dass eine Entkunstung stattgefunden hat.' Die Documenta trage zwar noch ihren Namen, werde aber mit beliebigen Inhalten gefüllt. Kimpel bekräftigte daher sein Plädoyer, die Documenta nach sieben Jahrzehnten zu einem 'fulminanten Abschluss zu bringen und sie vor dem Schicksal zu bewahren, alle fünf Jahre als Kulturzombie reanimiert zu werden.'"

Im Kölner Museum Ludwig lässt sich Georg Imdahl (FAZ) von der Roni Horn-Retrospektive "Give Me Paradox or Give Me Death" bezirzen, die ihm ob ihrer Vielfalt fast wie eine Gruppenschau vorkommt: So "bespiegelt das Künstlerinnen-Ich seine Gender-Identität in einer Serie mit Selbstporträts, verdoppelt das Gesicht paarweise in Aufnahmen, die vieldeutig zwischen femininer und maskuliner Lesbarkeit oszillieren. Dann paart Horn in Bildern aus den Jahren 2008 und 2009 jeweils zwei Fotos aus unterschiedlichen Lebensphasen und demonstriert auf poetische Weise, dass nicht nur das geschlechtliche Ich fluide sein kann, worauf Horn Wert legt, sondern auch das psychologische Selbst im Lauf eines Lebens im Fluss bleibt. So einfach wie überzeugend zeigt sich die Künstlerin in einer Allegorie sämtlicher Lebensalter, die sie mit Momenten von Glück, Melancholie, Zweifel einfärbt. Nichts ist hier endgültig."

Weiteres: Der Fotograf Wolfgang Tillmans ist zu Gast im Zeit-Podcast "Alles gesagt?" und spricht über sein künstlerisches Leben und seine Kunstpraktiken. Der Kurator Carlo Ratti stellt seine Pläne für die kommende Archtitekturbiennale 2025 vor (Monopol). Außerdem besucht Monopol Leonie Herweg, die Gründerin und Kuratorin des Raum Grotto im Berliner Hansaviertel.

Besprochen werden: "Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften" in der Alten Nationalgalerie Berlin (FR), "Unknown Familiars" im Wiener Leopold-Museum (Standard), "Poesie der Zeit. Michael Ruetz Timescapes 1966-2023" in der Berliner Akademie der Künste (Tagesspiegel) und "Roy Lichtenstein. Zum 100. Geburtstag" in der Albertina Wien (Tagesspiegel).
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Film

Warum sucht er sich nicht einfach ein nettes Hobby? "Bad Director" von Oskar Roehler mit Oliver Masucci, der Roehler ähnelt, aber Gregor Samsa heißt.

Oskar Roehlers "Bad Director", eine lose Adaption seines 2017 erschienenen, autobiografischen Romans "Selbstverfickung", spaltet die Kritik. Die grelle Satire auf den Filmbetrieb - und das vornehmlich auf eigene Kosten - findet FAZ-Kritiker Andreas Kilb schrecklich verlabert: Zwar "gibt es auch ein paar weniger selbstgefällige Szenen in diesem Film, und in der besten davon beißt Anne Ratte-Polle ... in einen Flokatiteppich. Aber sofort geht das Gequassel weiter. Wenn man sich in Zukunft etwas wünschen dürfte vom alternden cineastischen Enfant terrible Oskar Roehler, dann wäre es weniger Palaver." Tagesspiegel-Kritiker Andreas Busche winkt angesichts der Provokationen und Provokatiönchen Roehlers müde ab: "Natürlich legt Roehler es darauf an, dass ein gewisser Schlag von Kritikern sich über seine Filme empört. ... Wenn die Provokation inzwischen aber der einzige Grund für diese Arbeitsverweigerung von einem Kinofilm ist, warum sucht sich der Regisseur nicht einfach ein nettes Hobby?"

Differenzierter umkreist Perlentaucher Jochen Werner "Roehlers lustigsten Film": Dessen "Lebensthema" ist immerhin "das Böse, das Lächerliche und das Mickrige nicht als das Andere bloßzustellen. Die da, aber nicht wir - das war nie Roehlers Modus von Kritik. Sein künstlerisches Projekt war immer, den Nazi, den Sexisten, den Zwangsneurotiker, den Narzissten, den lächerlichen alternden Mann in uns allen ans Tageslicht zu zerren - und zuallervorderst in sich selbst." SZ-Kritiker Philipp Bovermann kommt auf seine Kosten: Der Film "ist natürlich geschmacklos, auf eine Art, die erst gar nicht versucht, auf irgendwelchen Metaebenen raffiniert zu sein. Die Metaebene ist, dass alle sich mal verpissen können. Weshalb man 'Bad Director' wohl nicht recht täte, den Film für etwas zu preisen, das er gar nicht sein will - auch das Feuilleton spielt in dieser Aufführung natürlich seine Rolle. Vielleicht ist der Film einfach nur das, was er ist: ein deutscher Horrorfilm. Ein lustiger und sehr, sehr böser."

Auf Artechock erzählt Dunja Bialas von ihren Eindrücken bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen, wo sie ein Panel moderierte. Im Vorfeld wurde sie dafür von manchen aus der Branche unter der Druck gesetzt, und wenn es nur die angedrohte Entfreundung auf Facebook war. Dabei war das Festival in diesem Jahrgang ein gutes Beispiel für Deeskalation, für die Rückkehr zum produktiven Streit, schreibt sie - während viele dem Festival demonstrativ fernblieben. Für sie ist es "unerklärlich, weshalb sich der Kulturbetrieb gerade von innen her zu zersetzen scheint. Außer, weil man das gerade irgendwie geil findet. Kulturkampf! Ich denke an die Freunde, die ich nicht entfreudet habe, obwohl sie es von mir verlangt haben, weil ich nach Oberhausen gefahren bin (und dort noch dazu eine aktive Rolle übernommen habe). Ich denke daran, an welchen gemeinsamen Projekten wir mal gearbeitet haben. Da ging es um die Sichtbarmachung von Filmen. ... Ich denke daran, wie einer dieser Freunde mich mal gefragt hat, ob wir jetzt als Festival ihre Filme nicht mehr zeigen, sie als Kritiker nicht mehr besprechen wollen. So ein Schmarrn! war es mir damals entfahren. Und jetzt: Zeigen sie selbst ihre Filme nicht mehr. Reisen nicht an, weil sie nicht diskutieren wollen. Silencen sich selbst."

Eine fürchterliche Meldung aus den Agenturen: Kurz bevor Mohammad Rasoulof seinen neuen Film "Der Samen der heiligen Feige" in Cannes zeigen kann, hat das Regime von Teheran den iranischen Berlinale-Gewinner zu acht Jahren Haft und einer Auspeitschstrafe verurteilt.     

Weiteres: Lisa Füllemann zeichnet im Tagesanzeiger die Karriere von Zendaya vom Teenie-Idol zum Schauspielstar nach. Andreas Scheiner porträtiert in der NZZ den Regisseur Marc Forster, der von der Schweiz aus Hollywood erobert hat. Gesine Borcherdt erinnert in der Welt an den Experimental- und Animationsfilmpionier Oskar Fischinger.

Besprochen werden Heidi Specognas Porträtfilm "Die Vision der Claudia Andujar" (Perlentaucher), Wes Balls Science-Fiction-Film "Planet der Affen: New Kingdom" (Standard, FD, SZ), Pablo Bergers Animationsfilm "Robot Dreams" (Standard), die ARD-Serie "Player of Ibiza" (taz), David E. Kelleys auf Netflix gezeigte Verfilmung von Tom Wolfes Thriller "Ein ganzer Kerl" (FAZ), Mark Dindals Animationsfilm "Garfield" (Welt), die britische TV-Doku "Spacey Unmasked", die die Vorwürfe gegen Kevin Spacey bekräftigt (NZZ)  sowie die Serien "Baby Reindeer" (NZZ). "The Tattooist of Auschwitz" (Welt-Kritiker Elmar Krekeler spürt ein "Unbehagen, dass hier eine Urkatastrophe an die Gefühligkeit verhökert wurde"), "Feud II - Capote vs. The Swans" (Freitag) und "Maxton Hall" (FAZ),
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Musik

Der European Song Contest (ESC) begleitet uns in diesem Jahr über mehrere Tage. Gestern lief das zweite Halbfinale ab, bei dem auch die israelische Sängerin Eden Golan, gegen deren Präsenz es viele Proteste gab, auftrat - sie wird auch im morgigen Finale singen. In einem dpa-Ticker etwa bei Spiegel online heißt es: "Auf Plakaten forderten die Demonstranten einen Boykott Israels und bezeichneten das israelische Vorgehen im Gazastreifen als 'Genozid'. Außerdem kritisierten die Demonstranten die Europäische Rundfunkunion EBU, weil Russland nach dem Angriff auf die Ukraine vom ESC ausgeschlossen wurde, Israel aber ungeachtet seines Vorgehens im Gazastreifen nicht."

Die Proteste, an denen auch Greta Thunberg teilnahm,  fanden direkt unter Eden Golans Hotelzimmer statt und sahen so aus:


Was für ein bitterer Verlust: Steve Albini ist viel zu früh im Alter von 61 Jahren einem Herzinfarkt erlegen. Als Produzent pflegte er einen rohen, ungeschliffenen, wiedererkennbar sandigen Sound - zum Grausen der Plattenfirma wählten Nirvana bewusst sein Studio, um ihr drittes Album aufzunehmen (darüber fachsimpelte er noch vor einem halben Jahr mit den verbliebenen Nirvana-Musikern im Podcast von Conan O'Brien). Als Musiker in stilprägenden Bands wie Big Black und zuletzt Shellac (deren Comeback-Album seit Langem für nächste Woche angekündigt ist) erwies er sich als "eine Figur von sturer Integrität, die Werte hochhielt, die ihm Punk gelehrt hatte", wie Karl Fluch im Standard schreibt. Oder kurz: Kaum ein Zweiter hat er den Indierock seit den Achtzigern und bis heute geprägt, darin sind sich alle Nachrufe einig. "Sprödheit war Zündfunke von allem, was Steve Albini gemacht hat", schreibt Julian Weber in der taz. "Reduktion in der Wahl der musikalischen Mittel, Drastik beim Aussprechen von Tabus in den Songtexten."

"Albini vermied es häufig, allzu sehr in die Sounds der Bands einzugreifen", schreibt Gerrit Bartels im Tagesspiegel. "Was die Musikindustrie anbetrifft, war er ähnlich wie Ian McKaye von Fugazi oder Henry Rollins einer deren schärfsten Kritiker, in vordigitalen Zeiten, erst recht in digitalen. Konsequenterweise nahm er für seine Produktionsarbeit stets nur ein Honorar und ließ sich nicht an Plattenverkäufen beteiligen. Was er als Musiker und mit seinem Studio in Chicago nur unzureichend verdiente, holte er übrigens in seinem Nebenleben als professioneller Pokerspieler wieder herein." Für Furore sorgte Albini in den Neunzigern mit seinem Essay "The Problem with Music", in dem er mit der Industrie nach Strich und Faden abrechnete.

Andre Boße beschreibt auf Zeit Online den Albini-Sound: "Die Musik wirkte, als stünde das Schlagzeug unmittelbar an den Membranen der Boxen, als passe zwischen dem Mund und dem Mikro kein Blatt Papier, als sei der Bass das Zentrum des Universums, und als seien die Gitarren explodierende Sterne. Musik am Anschlag. Und trotzdem im Gleichgewicht." Sehr schön ist diese halbe Stunde auf Youtube, in der Albini durch sein legendäres Tonstudio führt.



Weitere Artikel: Lotte Thaler berichtet in der FAZ von den Wittener Kammermusiktagen. Lena Karger hält in der Welt den Palästina-Song des Rappers Macklemore für platt, aber "gefährlich". Im Standard findet es Ljubiša Tošić soweit ganz gut, dass der ESC darauf pocht, Politik außen vor zu lassen. Wio Groeger bietet in der taz ein Stimmungsbild aus Malmö vor dem ESC. Joachim Hentschel plaudert für die SZ mit Schlagersängerin Bonnie Tyler. Konstantin Nowotny blickt im Freitag aufs (moderate) Kassetten-Revival. Marco Schreuder hört für den Standard Abbas "Waterloo", das vor 50 Jahren beim ESC gewonnen hat. Heide Rampetzreiter meldet in der Presse, dass eine der längsten und populärsten Internet-Fahndungen nach einem (bislang auch nur als kleiner Ausschnitt vorliegendem) Musikstück unbekannter Herkunft letzten Endes doch von Erfolg gekrönt wurde: Das betreffende Stück wurde nun als Begleitmusik zu einem explizit an Erwachsene gerichteten Film aus den Achtzigern entdeckt. Hier ein Mitschnitt der Tonspur aus dem betreffenden Film, inklusive einschlägigem Ambiente:



Besprochen werden die von Kent Nagano dirigierte Uraufführung von Vladimir Tarnopolskis "Im Dunkel vor der Dämmerung" in der Elbphilharmonie (FAZ), ein Konzert von Nina Chuba (Presse), das neue Album von Dua Lipa (Standard) und eine Box mit Aufnahmen des Jazz-Rockers Jack Bruce aus den Jahren 1970 bis 2001 (taz). Darunter findet sich auch eine Aufnahme der Session von Bruce' Gruppe The Tony Williams Lifetime, die für Radio Bremens Beat Club entstanden ist und damals von der Band abgebrochen wurde. Die Aufnahmen wurden überhaupt erst vor wenigen Monaten auf dem (ohnehin sehr verdienstvollen) Youtube-Kanal des Beat Club veröffentlicht:

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Stichwörter: Albini, Steve, Punk, Indie

Literatur

Cover des Dewilde-Comics "Mon Bataclan".
Der islamistische Terroranschlag auf das Bataclan fordert auch weiterhin Todesopfer: Der französische Comiczeichner Fred Dewilde war damals einer der Überlebenden des Anschlags, verarbeitete diese Nacht in vielbeachteten Comics - und erlag nun doch seiner Traumatisierung. Nach neun Jahren hat er sich das Leben genommen. "Es gibt berührende Zeugnisse von Dewilde, in denen er schildert, wie ihm sein Leben abhandenkam, seine Leichtigkeit, seine Zuversicht, sein Umgang mit der Gesellschaft", schreibt Oliver Meiler in der SZ. "Arbeiten konnte er nicht mehr, das Erlebte lastete zu schwer auf seiner Psyche. 'Ich wachte jeden Morgen mit dem 13. auf, und jeden Abend ging ich mit dem 13. ins Bett.' ... So begann er, Comics zu zeichnen", als "Selbsttherapie, ein posttraumatisches Suchen nach Sinn in diesem Graben vor der Bühne des Bataclan. 'Mon Bataclan' kam 2016 heraus, weniger als ein Jahr nach der Nacht des Terrors, es war der erste Comic seines Lebens. Die Zeichnungen waren schwarz-weiß, dunkel, eindringlich. Zu Beginn publizierte er anonym. 'Ich hatte Angst, die Angreifer würden zurückkehren und ihren Job fertig machen.'"

In der Kafka-Serie der SZ erinnert sich der Schauspieler Edgar Selge daran, wie er einst als junger Mann seinem Vater Kafka zu lesen gab, was eher unerwartete Reaktionen nach sich zog: "Plötzlich, etwa nach einer knappen Stunde, höre ich einen albtraumartigen Schrei aus seinem Sessel." Doch dabei bleibt es nicht: "Von Mal zu Mal werden seine Schreie unwilliger. Plötzlich klappt er das Buch zu, steht auf und stellt angewidert fest: 'Man muss ja pervers sein, um sich so was auszudenken! Das ist doch völlig abartig, eine kranke Fantasie, das hält ja kein Mensch aus.'"

Weitere Artikel: In der FAZ gratuliert Patrick Bahners dem Schriftsteller Alan Bennett zum 90. Geburtstag. Jonas Engelmann schreibt in der Jungle World einen Nachruf auf Paul Auster (weitere Nachrufe hier). Besprochen werden unter anderem der zweite Teil von Ilko-Sascha Kowalczuks Biografie über Walter Ulbricht (taz), Fred Vargas' Kriminalroman "Jenseits des Grabes" (FR) und Franziska Augsteins Churchill-Biografie (FAZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.
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Bühne

"Ein von Schatten begrenzter Raum" am Schauspiel Köln. Foto: David Baltzer.

Etwas skeptisch war Max Florian Kühlem (SZ) bei der Frage, ob sich Emine Sevgi Özdamars Roman "Ein von Schatten begrenzter Raum" auf die Theaterbühne übertragen lässt. Nuran David Calis hat es am Schauspiel Köln versucht und sich vor allem auf die Identitätskonflikte der Protagonistin konzentriert: "Der Schlussapplaus ist lange, aber nicht außerordentlich euphorisch. Das könnte damit zu tun haben, dass man sich als Zuschauer erst mal sortieren muss nach dieser Tour de Force der letzten 100 Minuten." Die Geschichte zwischen Militärputsch in der Türkei und Flucht nach Europa überwältigt - im Gegensatz zum Roman - nicht: "Das Drama, das im Buch auf der intellektuellen Ebene abläuft, auf der Ebene sprachlicher Bilder und Verwandlungen, wird auf der Bühne zum emotionalen Drama." Nachtkritiker Gerhard Preußer findet die Dramatisierung auch eher "leicht angestrengt": "Szenische Aktion kommt nur in Andeutungen oder wilden Übertreibungen vor. Die Inszenierung komprimiert und überzeichnet - das Gegenteil von Özdamars Erinnerungsgenauigkeit und Gefühlsunmittelbarkeit."

Weiteres: Der wegen Besitz von Kinderpornographie verurteilte frühere Burgtheater-Schauspieler Florian Teichtmeister muss seinem früheren Arbeitgeber 20 000 Euro Schadenersatz zahlen, berichtet der Standard.

Besprochen werden: "Capri" von Anna Gschnitzer am Schauspielhaus Wien (Standard), "La Mer et moi" von Helge Letonja und Kossi Ahoulo-Wokawui in der Schwankhalle Bremen (Taz) und "Sonne/Luft" von Elfriede Jelinek am Theater Bremen (Taz).
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