Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
23.11.2004.
Im New Yorker erzählt Jonathan Franzen von der zentralen Rolle, die die "Peanuts" für ihn spielten. Outlook India begleitet den Postboten Khetaram auf seinen meilenweiten Gängen durch die Wüste Thar. Plus Minus sieht zu, wie nun auch in Kiew der Homo sovieticus verschwindet. Das TLS lernt von Richard Dawkins Neues über die Mode in der Evolution. Die New York Times Book Review ist ganz der Lyrik gewidmet.
New Yorker (USA), 29.11.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q19/A9334/ny.jpg)
Weiteres: David Sedaris (mehr) erzählt gleichermaßen komisch wie melancholisch von den "Grenzen der Liebe"; im Zentrum seiner Geschichte stehen zwei schwule wetteifernde Hypochonder und ein gemeines Furunkel. Robert Gottlieb porträtiert George S. Kaufman, den "vermutlich größten Hitschreiber" in der Geschichte des Broadway. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Joke" von Roddy Doyle.
Elizabeth Kolbert stellt Fritz Ringers neue Max-Weber-Biografie vor. Die Kurzbesprechungen widmen sich unter anderem einem Sammelband amerikanischer Comics vor 1945 und einer Geschichte des Zeichentrickfilms. Alex Ross sieht mit dem Wechsel von James Levine von der New Yorker Met zu den Bostoner Philharmonikern "eine neue Ära" anbrechen. Und David Denby sah im Kino "Kinsey", die Filmbiografie des Sexualwissenschaftlers Alfred C. Kinsey mit Liam Neeson in der Hauptrolle.
Nur in der Printausgabe: eine Reportage über die Suche nach Menschen auf der Flucht, ein Fan verabschiedet sich von der Oper, und Lyrik von Yehuda Amichai.
Prospect (UK), 01.12.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q22/A9328/prospect.jpg)
In seinen Notizen aus der Londoner U-Bahn widmet sich Dan Kuper den Selbstmördern und wundert sich, warum der Todessprung vor den einfahrenden Zug so beliebt ist. So verlässlich wie allgemein angenommen sei diese Art des Selbstmordes nämlich keineswegs, ganz zu schweigen davon, dass man dabei die oft völlig traumatisierten U-Bahn-Fahrer vergesse. Doch "nicht alle Springer sind rücksichtslos. In einer Londoner U-Bahn-Station wurde ein Mann dabei beobachtet, wie er einen Umschlag auf dem Bahnsteig hinterließ, bevor er sich vor einen Zug stürzte. Als Leute den Umschlag öffneten, fanden sie eine 20-Pfund-Note und ein Stück Papier, auf dem zu lesen war: 'Sagen Sie dem Fahrer, es tut mir Leid. Das ist für ihn - für einen Drink.' "
Weitere Artikel: "Ich befehle Euch nicht, zu kämpfen. Ich befehle Euch zu sterben." Auch solche geflügelten Worte sind es, die Atatürk zum türkischen Nationalhelden gemacht haben. Jonny Dymond nähert sich dem Kult um den vergötterten Säkularisten. Andrew Brown rammt das neue Flaggschiff der britischen Regierung in Sachen Schulpolitik. Private Schulträger sollen in den sogenannten "academies" bessere Erziehungsbedingungen gewährleisten. Doch was tun, wenn die Schulträger - wie im englischen Conisbrough - beabsichtigen, Kreationismus zu lehren? Julian Evans gratuliert Christopher Booker zu seinem Buch "The Seven Basic Plots" und plädiert für eine Rückkehr zur narrativen Kultur. Und Simon Schaffer war in Cragside (mehr hier) zu Besuch und erklärt, was das Haus, das als erstes auf der Welt mit elektrischem Licht erleuchtet wurde, so revolutionär macht.
Outlook India (Indien), 29.11.2004
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S. Anand widmet sich in der Titelgeschichte dem Thema, das Indien dieser Tage in Atem hält: den Hintergründen der Verhaftung von Jayendra Saraswati, der mächtigsten klerikalen Figur des Hinduismus, der beschuldigt wird, den Mord an Sankararaman Anantakrishnasharma, einem früheren Funktionär seines Tempels in Auftrag gegeben zu haben. Der hatte seit Jahren auf finanzielle Unregelmäßigkeiten im Kanchi Shankara Math aufmerksam gemacht und beabsichtigte nach Informationen der Polizei, mit Enthüllungen über Saraswati an die Öffentlichkeit zu gehen. (Hier ein Interview mit Saraswati über das Verhältnis zwischen Hinduisten und Moslems aus dem Juli 2003)
Schließlich zwei Rezensionen: Sam Miller hatte eine weitere Hagiografie und jede Menge "hyperbolischen Quatsch" erwartet und ist daher angenehm überrascht, dass das von Rajiv Mehrotra herausgegebene Buch "Understanding the Dalai Lama" nüchterne Einblicke in das Leben des 14. Dalai Lama bietet, der sich ja im Übrigen selber gar nicht als Inkarnation Buddhas betrachte. Und Sandipan Deb gibt sich nicht der Illusion hin, dass Indien auf knapp dreihundert Seiten zu erfassen wäre, doch "The Granta Book of India", eine Sammlung von Reportagen, Erzählungen und Erinnerungen, komme dem Unmöglichen doch so nahe, wie es geht.
Espresso (Italien), 25.11.2004
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"Die Niederlande lebten in einem künstlichen Frieden", meint der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun und drängt auf eine forcierte Integration der europäischen Muslime. Die Werbespots der neuen Generation sind längst nicht mehr nur lästige Unterbrechungen des Fernsehprogramms, folgert Ambra Somaschini aus einer Studie. Regisseur Spike Lee schwärmt im Anschluss von seinem Gandhi-Spot (hier kann man ihn runterladen) für die italienische Telecom. Eleonora Attolico gratuliert Sylvie Vartan zum Sechzigsten. Cesare Balbo stimmt uns auf den cineastischen Advent ein, unter anderem mit "Bad Santa", produziert von den Coen-Brüdern (hier das Drehbuch).
Der Titel beschäftigt sich mit einem kulturellen Großereignis: Der aktuelle Pirelli-Kalender ist da. Der Espresso bringt alle Monatsschönheiten exklusiv, und Enrico Arosio informiert über die wichtigen Details.
Plus - Minus (Polen), 20.11.2004
Das Thema der ukrainischen Präsidentschaftswahlen beschäftigt weiterhin die polnische Presse. Bohdan Osadczuk berichtet im Magazin der polnischen Rzeczpospolita aus Kiew über die neue Mobilisation im Land: "Auf dem Platz der Unabängigkeit blieb eine Menschenmenge zurück, die wie im Londoner Hyde Park bis zum Umfallen diskutierte. Und hier wurde die Veränderung in der bislang eingeschüchterten und faulen ukrainischen Gesellschaft sichtbar. Die Menschen, wenigstens in Kiew, haben keine Angst mehr. In ihren Augen sah man Mut. Der homo sovieticus verschwand." Angesichts dieser positiven Entwicklungen ist die Reaktion und das Interesse des Westens enttäuschend. "Außer der Hilfe aus Polen können die ukrainischen Demokraten nur auf sich selbst zählen. Kein westlicher Staatsmann, keine Partei im Westen, nicht mal in den USA haben einen Finger gekrümmt, als Putins Russland durch sein einseitiges Engagement für den regimetreuen Kandidaten die Souveränität der Ukraine angetastet hat."
Gibt es einen modernen Patriotismus? Ja, doch, sagt der Publizist Marcin Krol. "Es ist das Recht, andere in mein Haus zu lassen, und das Recht, sie nicht reinzulassen, auch wenn sie dieses Recht reklamieren. Natürlich muss ich jenes Recht auch anderen zuerkennen, die mich je nach Belieben reinlassen können oder nicht. Es gibt nicht mehr die eine Interpretation des Polnisch-Seins (als ob es sie je gegeben hätte!) und es gibt nicht mehr die eine Gruppe, die eine Ideologie, die eine politische Haltung oder die eine Religion, die zu dieser ausschließlichen Auslegung berechtigen würde. Der moderne Patriotismus ist somit unausweichlich pluralistisch, was nicht heißt, dass alle Werte und alle Interpretationen identisch und gleichwertig sind".
Gibt es einen modernen Patriotismus? Ja, doch, sagt der Publizist Marcin Krol. "Es ist das Recht, andere in mein Haus zu lassen, und das Recht, sie nicht reinzulassen, auch wenn sie dieses Recht reklamieren. Natürlich muss ich jenes Recht auch anderen zuerkennen, die mich je nach Belieben reinlassen können oder nicht. Es gibt nicht mehr die eine Interpretation des Polnisch-Seins (als ob es sie je gegeben hätte!) und es gibt nicht mehr die eine Gruppe, die eine Ideologie, die eine politische Haltung oder die eine Religion, die zu dieser ausschließlichen Auslegung berechtigen würde. Der moderne Patriotismus ist somit unausweichlich pluralistisch, was nicht heißt, dass alle Werte und alle Interpretationen identisch und gleichwertig sind".
Economist (UK), 19.11.2004
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Ein ausführlicher Artikel ist den Reformbemühungen der Vereinten Nationen und dem "Forum der Weisen" gewidmet, das von Generalsekretär Kofi Annan einberufen und mit einem Reformpapier in Sachen Angriff und Verteidigung beauftragt wurde. Obwohl die Veröffentlichung des Berichts noch bevorsteht, hat der Economist schon einen Blick darauf werfen können und findet das Ergebnis zwar nicht revolutionär, aber fruchtbar, zumal sich die Weisen auf eine Definition von Terrorismus einigen konnten.
In weiteren Artikeln ist zu lesen: wie sehr das wiedereröffnete MoMA überzeugen kann, wie Chinas Medien sich der westlichen Welt öffnen, wie virtuelle Anstandsdamen sexuelle Belästigung in Arztpraxen verhindern sollen und wie sich der amerikanische Angriff auf Falludschah auf die Austragung von Wahlen im Irak auswirken kann. Schließlich noch der hübsche Nachruf auf Scheich Zayed bin Sultan al-Nahayan, Gründer der Vereinigten arabischen Emirate und durch und durch arabischer Patriarch mit Hollywood-Flair .
Times Literary Supplement (UK), 19.11.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q23/A9333/tls.jpg)
Weiteres: Richard Davenport-Hines feiert zwei Familiengeschichten, die ziemlich eindrücklich den "viktorianischem Sadismus" schildern: Christopher Simon Sykes "The Big House" und Alexander Waughs "Fathers and Sons": "Sir Tatton Sykes senior, ein robuster Mann vom Lande, der jeden Morgen Hammelfett auf Stachelbeertorte, dunkles Bier und Sahne frühstückte, peitschte seinen ältesten Sohn dafür aus, dass er so weibisch war, eine Zahnbürste zu besitzen und seine Hemden öfter als zweimal in der Woche zu wechseln. Sir Tatton Sykes junior wurde ein erbärmlicher, hoffnungsloser Hypochonder, dessen Leben von einer Reihe unangenehmer Obsession beherrscht wurde, darunter eine exklusive Milch-Pudding-Diät. Seine erschreckend unglückliche Ehe kulminierte in einem wilden Gerichtsprozess und einem unglaublichen Akt rachsüchtiger Gewalt von Sir Tatton gegen seinen einzigen Sohn Mark. Sir Tattons Zeitgenosse Arthur Waugh, ein Arzt aus Somerset, war ein Sadist, der, als er einmal eine Wespe auf der Stirn seiner Frau sah, mit der Elfenbeinspitze seiner Peitsche zuschlug, um sicherzugehen, dass sie auch ja gestochen werde. Die Muster seiner Grausamkeit überlebten in seinen Ahnen: Evelyn Waughs Gefühlskälte erscheint kaum normal, und Auberon Waughs eingefleischte Verachtung trug auch nicht gerade zum menschlichen Glück bei."
Weiteres: Ronald Wright lüftet einige Geheimnisse der Osterinseln, rätselt aber weiter darüber, warum die Bewohner ihre Bäume gefällt haben. David Hawkes stellt Gregory M. Colon Semenza Buch "Sport, Politics and Literature in the English Renaissance" vor.
Nouvel Observateur (Frankreich), 18.11.2004
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(Bei France Culture können Sie das ganze auch hören)
Vorgestellt wird außerdem ein über 1.300 Seiten starker Band mit Briefen von Marcel Proust (Plon).
Al Ahram Weekly (Ägypten), 18.11.2004
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Hani Shukrallah beschreibt den Populismus Arafats - seine Nähe zu Volk und Land - als seine Stärke und große Schwäche. Und Noam Chomsky unterzieht die Nachrufe und Analysen in der New York Times und dem Boston Globe - die wichtigste und die liberalste der großen amerikanischen Zeitungen - einem close reading und interpretiert sie als Lehrstück über die Macht der Geschichtsschreibung.
Dazu ein ausführlicher und hochinteressanter Artikel über den Mythos des reinrassigen Araber-Hengstes - eine ägyptisch-britische Koproduktion - und die Welt der modernen Pferdezucht mit ihren Standbeinen in der Genetik und der Mythologie: Jenny Jobbins verfolgt das arabische Zuchtpferd durch viertausend Jahre menschlicher Geschichte.
Gazeta Wyborcza (Polen), 20.11.2004
Jaroslaw Kaczynski von der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit", ein konsequent antikommunistischer Hardliner, forderte unlängst ein Verbot der postkommunistischen Regierungspartei SLD, jetzt setzt er einen drauf. Im Interview mit der Gazeta Wyborcza fordert er die Einrichtung einer neuen Super-Behörde gegen Korruption, die Schaffung eines neuen Geheimdienstes ohne ex-kommunistische Funktionäre und eine "Kommission der Wahrheit und Gerechtigkeit", mit eigenen Staatsanwälten und ausgebauter Sanktionsmacht. "Für mich waren die Gespräche am Runden Tisch nur nötig, um die Solidarnosc zuzulassen. Es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass wir mit den Kommunisten eine Abmachung über eine Abolition unterschreiben".
New York Times (USA), 21.11.2004
Das kann sich nur noch die New York Times Book Review erlauben. Eine Ausgabe, die ausschließlich der Poesie gewidmet ist! Acht Dichter (die meisten davon Universitätsprofessoren) und ein Kritiker diskutieren im Symposium über ihre persönlichen Favoriten der vergangenen 25 Jahre. Mary Karr (hier ein Interview mit Salon.com und eine launiger Text im New Yorker) etwa wählt den polnischen Kollegen Zbigniew Herbert und seinen "Bericht aus einer belagerten Stadt", denn: "Herberts Gedichte sind Slapstick für Intellektuelle und Philosophie für die Ungebildeten." Und sie macht Herbert ein schönes Kompliment: "Er bringt Marmorstatuen zum Atmen."
Leon Wieseltier stöbert in Yehuda Amichais (mehr) nachgelassenen Materialkisten und übersetzt einige Fundstücke, deren angemessene Übersetzung zweiten Grades wir uns wiederum nicht zutrauen. David Yezzi preist den jüngst verstorbenen Anthony Hecht (hier lebt er noch), der "mit dem Bild einer öden Landschaft das Spektrum der Menschlichkeit einfangen konnte".
Aus den Besprechungen: Emily Nussbaum liest "American Smooth", Gedichte von Rita Dove, die den Glamour als Maske und als Form des Widerstands verhandeln. Christian Wiman empfiehlt James Merills "elegante" Prosasplitter (erstes Kapitel) eher dem autobiografisch interessierten Leser, der wahre Merill sei nach wie vor in seinen Gedichten zu finden. Die Erfahrung, Czeslaw Milosz zu lesen, "ist mit die lohnendste Beschäftigung, die man sich vorstellen kann", jubelt Meghan O'Rourke angesichts der Sammlung "Second Space" (Auszug) des im August dieses Jahres verstorbenen Poeten.
Im New York Times Magazine erklärt Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek Deborah Solomon im Interview, warum die europäischen Intellektuellen politisch engagierter sind als die amerikanischen. "Je kleiner eine Gruppe ist, desto leichter ist es für mehr Leute, zu argumentieren und sich in die Diskussion einzuschalten. Die USA sind riesig. Sie sind zu groß. Die Intellektuellen verstecken sich in Enklaven, in Großstädten oder Universitäten, wie ein Haufen Hühner, die sich vor dem Fuchs verstecken."
Die weit verbreiteten Antidepressiva wie Prozac stehen nun im Verdacht, die Selbstmordrate bei Jugendlichen zu begünstigen, schreibt Jonathan Mahler in der voluminösen Titelreportage des Magazins. Die Medikamente verhelfen dem Patienten zu mehr Energie und Tatendrang, fatalerweise aber manchmal schon, bevor sich die Stimmung bessert. Sie nicht mehr zu verschreiben könnte aber eine noch größere Gefahr bedeuten, befürchtet Mahler. "Laut Dr. John Mann, Selbstmordexperte an der Columbia Universität, haben weniger als 20 Prozent der 4000 Jugendlichen, die in den USA jedes Jahr Selbstmord begehen Antidepressiva eingenommen."
Weiteres: Jim Holt sieht in den Rechten der Bundesstaaten eine Chance, sich dem Zugriff Bushs und des Weißen Hauses zu entziehen. Matt Bai beschreibt die letzten 24 Stunden vor der Wahlniederlage John Kerrys aus der Ohio-Zentrale der Pro-Kerry-Wahlinitiative America Coming Together. Und Ta-Nehisi Coates stellt Jin Auyeung vor, das seltene Exemplar eines US-chinesischen Rappers.
Leon Wieseltier stöbert in Yehuda Amichais (mehr) nachgelassenen Materialkisten und übersetzt einige Fundstücke, deren angemessene Übersetzung zweiten Grades wir uns wiederum nicht zutrauen. David Yezzi preist den jüngst verstorbenen Anthony Hecht (hier lebt er noch), der "mit dem Bild einer öden Landschaft das Spektrum der Menschlichkeit einfangen konnte".
Aus den Besprechungen: Emily Nussbaum liest "American Smooth", Gedichte von Rita Dove, die den Glamour als Maske und als Form des Widerstands verhandeln. Christian Wiman empfiehlt James Merills "elegante" Prosasplitter (erstes Kapitel) eher dem autobiografisch interessierten Leser, der wahre Merill sei nach wie vor in seinen Gedichten zu finden. Die Erfahrung, Czeslaw Milosz zu lesen, "ist mit die lohnendste Beschäftigung, die man sich vorstellen kann", jubelt Meghan O'Rourke angesichts der Sammlung "Second Space" (Auszug) des im August dieses Jahres verstorbenen Poeten.
Im New York Times Magazine erklärt Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek Deborah Solomon im Interview, warum die europäischen Intellektuellen politisch engagierter sind als die amerikanischen. "Je kleiner eine Gruppe ist, desto leichter ist es für mehr Leute, zu argumentieren und sich in die Diskussion einzuschalten. Die USA sind riesig. Sie sind zu groß. Die Intellektuellen verstecken sich in Enklaven, in Großstädten oder Universitäten, wie ein Haufen Hühner, die sich vor dem Fuchs verstecken."
Die weit verbreiteten Antidepressiva wie Prozac stehen nun im Verdacht, die Selbstmordrate bei Jugendlichen zu begünstigen, schreibt Jonathan Mahler in der voluminösen Titelreportage des Magazins. Die Medikamente verhelfen dem Patienten zu mehr Energie und Tatendrang, fatalerweise aber manchmal schon, bevor sich die Stimmung bessert. Sie nicht mehr zu verschreiben könnte aber eine noch größere Gefahr bedeuten, befürchtet Mahler. "Laut Dr. John Mann, Selbstmordexperte an der Columbia Universität, haben weniger als 20 Prozent der 4000 Jugendlichen, die in den USA jedes Jahr Selbstmord begehen Antidepressiva eingenommen."
Weiteres: Jim Holt sieht in den Rechten der Bundesstaaten eine Chance, sich dem Zugriff Bushs und des Weißen Hauses zu entziehen. Matt Bai beschreibt die letzten 24 Stunden vor der Wahlniederlage John Kerrys aus der Ohio-Zentrale der Pro-Kerry-Wahlinitiative America Coming Together. Und Ta-Nehisi Coates stellt Jin Auyeung vor, das seltene Exemplar eines US-chinesischen Rappers.