Wir haben heute akzeptiert, dass es nur
individuelle Wahrheiten gibt, warum sollen wir ausgerechnet von einem Reporter objektive Wahrheiten fordern,
fragt der
Autor Andrzej Stasiuk in der Debatte um Artur Domoslawski
Kapuscinski-Biografie. "Alles ist abgenutzt, zerbrochen, alternd, wir werden bombardiert mit neuen Modellen von Dingen, neuen Modellen des Verhaltens, neuen Modellen von Ideen. Das ist die Welt, die wir erschaffen haben. Auch die Wahrheit
muss perfektioniert, abgestimmt und geliftet werden, sonst wird niemand einen Pfifferling dafür geben. Kapuscinski hatte wie wir alle seine eigene Wahrheit. Er hatte seine eigene Wahrheit über Afrika und Südamerika, über die Reichen und die Armen, über das Leben. Er tat alles was er konnte, um uns davon zu überzeugen, dass er Recht hatte. Gleichzeitig ist es das
gottgegebene Recht jedes Lesers, dem Autor nicht ein einziges Wort zu glauben. Oder ihm nur teilweise zu glauben, das herauszunehmen, was wir brauchen, um in die Welt zu passen. Man kann einem Autor natürlich auch absolut glauben, aber das ist die schlimmste Lösung von allen. Und genau das finde ich am faszinierendsten an dem Buch 'Kapuscinski non-fiction' - die Entstehung der Vision eines Schriftstellers, der Mix aus dem Realen und dem Unrealen, der dem Kopf eines Autors entsprang, die Welt betrat und es irgendwie fertigbrachte, trotz allem, sie zu verändern." (Salon hat Stasiuks Artikel aus der
Gazeta Wyborcza ins Englische übersetzt.)
Seltsam, aber seit der Wende haben die kulturellen Begegnungen zwischen
Österreichern und
Slowaken eher ab- als zugenommen,
stellt der slowakische
Schriftsteller Michal Hvorecky fest. Er erinnert an
Alma Münzova, die Übersetzerin, die unter anderem den ersten Band von
Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften" übersetzte: "Der Name dieser Dame, die vielleicht die bedeutendste Übersetzerin aus dem Deutschen (Nietzsche, Hegel, Jung, Zweig, Lorenz, Flusser) war, ist in den Jahren der sogenannten Normalisierung aus den Bibliotheken verschwunden. Obwohl die
Staatssicherheit gegen sie ermittelte, traf sie sich mit verbannten Schriftstellern, übersetzte für die Schublade und schrieb. Und obwohl sie in der Isolation lebte, gelang es ihr, durch
Risse im Eisernen Vorhang über Entwicklungen in der österreichischen Kultur informiert zu bleiben. In ihrer Wohnung in der Altstadt von Bratislava, voll mit Gemälden des Modernisten Imro Weiner-Kral, war Münzova Gastgeberin für mehrere Generationen der bedeutendsten Vertreter der slowakischen Kultur. Hier übersetzte sie den 'Mann ohne Eigenschaften', einen polyphonen dialogischen Roman, der in der deutschen Literatur beispiellos ist. Es waren Menschen wie Alma Münzova, die eine Verbindung schufen zwischen dem vergessenen alten
Pressburg und dem immer noch zu entdeckenden neuen
Bratislava." (Auch dieser Artikel, der im Original in der
Sme erschien, wurde von Salon ins Englische übersetzt.)