Außer Atem: Das Berlinale Blog

Vage, aber mit enormem Anspruch: Jumana Mannas "Wild Relatives" (Forum)

Von Anja Seeliger
17.02.2018.


Der Umgang mit Saatgut ist ein Thema von "Wild Relatives", einem Forumsfilm der amerikanisch-palästinensischen Künstlerin Jumana Manna. Zu diesem Zweck reist sie in das Bekaa-Tal im Libanon, wo syrische Flüchtlinge für das Icarda-Institut Pflanzen hochpäpeln, deren Gene in einer Datenbank in Aleppo gesammelt wurden, die das Ircada wegen des Kriegs aufgeben musste. Das Saatgut für die neuen Pflanzen wurde aus den gesammelten Saatgutbeständen im "Global Seed Vault" in Longyearbyen auf der Insel Svalbard im Nordpolarmeer geborgt und werden jetzt langsam zurückgegeben. Manna besucht auch Svalbard, wo Saatgut aus der ganzen Welt gesammelt wird, bevor die Sorten aussterben - eine riesige Gendatenbank für Pflanzensamen. Im Laufe des Films wird leider immer unklarer, worum es Manna eigentlich geht.

Wir hören von Libanesen im Bekaa-Tal, die mehr verdienen, wenn sie ihr Land für Flüchtlingslager vermieten, als wenn sie es bebauen - mit den billigen Weizenimporten können sie nicht konkurrieren. Wir sehen syrische Flüchtlinge, Mädchen, die für das Icarda-Institut die Pflanzen betreuen, bei der Arbeit lachen und tanzen. Eine Biochemikerin erklärt, wie man besseres, ertragreicheres und widerstandsfähigeres Saatgut gewinnt. Ein syrische Bauer pflegt lieber die heimischen Pflanzen und wünscht sich, dass die Bauern ihr Saatgut selbst tauschen.

Manna setzt alle Statements nebeneinander, lässt dazwischen auch mal einen norwegischen Priester zu Wort kommen. Alle möglichen Themen werden gestreift, so dass jeder, der schon eine Meinung zu Agrarpolitik oder Genmanipulation hat, etwas Bestätigendes herauspicken kann, ohne sich von Gegenstandpunkten allzu belästigt fühlen zu müssen. Diese Vagheit kollidiert mit dem riesigen Anspruch der Regisseurin, den sie im Programmheft beschreibt: "Mit 'Wild Relatives' versuche ich die Trennung von Authentizität und Technologie infrage zu stellen, mit Blick auf eine mögliche Zukunft, in der andere globale Auseinandersetzungen wie die um Klimagerechtigkeit, Nahrungsmittelsautonomie und unterschiedliche Formen der politischen Unterdrückung ihren Nachhall finden. Der Film ist ein Versuch des Nachdenkens über die politischen Zusammenhänge, von denen das Landleben geprägt ist, über das tief in der Geschichte verwurzelte Wissen und die Kräfte, die die großen Veränderungen herbeigeführt haben."

Der Versuch, Flüchtlingslager, Agrarpolitik und Mythen vom Landleben zusammenzudenken, führt zu einem flockigen Film, der nirgends länger hinschaut und nie nachfragt. Dazwischen sind immer wieder die lebensfrohen buntgekleideten syrischen Teenager geschnitten, die lieber arbeiten, weil sie dort mit ihren Freundinnen zusammen sein können, als zuhause zu hocken, wo sie "still sein" müssen. Abwechslung bringen auch die wunderschönen Landschaftsaufnahmen vom lieblichen Bekaa-Tal in frühmorgendlich-diesigem Licht und Svalbards erhabener Felsenlandschaft. Das sorgt dafür, dass man die 70 Minuten gut durchhält. Klüger ist man leider nicht geworden.

Wild Relatives. Regie: Jumana Manna. Deutschland / Libanon / Norwegen 2018. Dokumentarische Form. 70 Minuten. (Vorführtermine)