Vom Nachttisch geräumt

Unwiderstehlicher bittersüßer Kitsch

Von Arno Widmann
17.10.2016. Stefano Benni feiert Zuckerorgien der Liebe. Seine Erzählung "die Pantherin" ist keine Ausnahme.
Ein Billardkeller voller Rauch, Alkohol und Scheiße. Männer. Bürokratische Perfektionisten und exzentrische Künstler des Queues bieten sich lang anhaltende Schlachten. Bis eine Frau kommt, die Pantherin, die sie alle schlägt. Dann kommt ein fremder Spieler, er soll der Beste sein. Er und die Pantherin sehen sich: Ein Blick und die Liebe bricht aus. So der Titel eines Films von Jutta Brückner, der in diesem Jahr dreißig Jahre alt wird. Die Liebe ist nicht gut fürs Spiel. Beide machen Fehler. Der Mann nimmt sich das Leben. Die Pantherin verschwindet und der fünfzehnjährige Junge, der uns die Geschichte erzählt, verliert den Glauben daran, dass Kunst und Liebe sich verbinden lassen.

So wie ich das eben hinschreibe, klingt es unerträglich. Bitter-süßer Kitsch. Das ist vielleicht nicht einmal falsch. Wahr ist allerdings auch, dass ich mir bei der Lektüre einen Schnupfen holte. Ich nahm die kleine Geschichte - 43 groß gedruckte Seiten - mit in die Badewanne und konnte nicht aufhören. Als ich beim letzten Satz - "Wie dem auch sei, danke, dass sie meine Jugend erleuchtet haben. Göttin Pantherin." - angekommen war, war das Wasser kalt und mir tropfte die Nase. Ich hatte einfach nicht aufhören können. Jetzt hatte ich eine Gänsehaut. Nicht vor Erregung, sondern wegen der Kälte. Ich sollte vielleicht Einzelnes zitieren, aber ich fürchte, das würde den Kitschvorbehalt nur noch nähren.

Stefano Benni schreibt die Art von Literatur, der man verfällt oder vor der man sich ekelt. Süßes Gebäck. Zuckerorgien. Man koste die dickenssche Bravour aus, mit der er die Typen im Billardkeller beschreibt. Wie großartig er uns das riesige Gewölbe dieses Kellers, der einer Piranesi-Höhle gleicht, vor Augen führt. Der Leser erkennt durch den Erzähler, den fünfzehnjährigen Jungen hindurch, den Erzähler des Erzählers und bewundert wie das Einfache als raffiniert konstruiertes Produkt kenntlich wird.

Das Wasser war definitiv zu kalt geworden. Ich konnte "Aixi", die zweite Geschichte in dem kleinen Bändchen, nicht mehr lesen.

Stefano Benni: Die Pantherin, aus dem Italienischen von Mirjam Bitter, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2016, 92 Seiten, 15 Euro.