9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

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1995 Presseschau-Absätze - Seite 9 von 200

9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.08.2023 - Medien

Die Medien machen derzeit wieder den gleichen Fehler, den sie in der Gründungsphase der AfD gemacht haben: Sie fallen auf die Provokationen der AfD rein und setzen sich zu wenig mit den "multifaktoriellen Ursachen des AfD-Aufstiegs" auseinander, meint der Politikberater Johannes Hillje, der in seinem Buch "Das 'Wir' der AfD" die Kommunikationsstrategien der Rechtspopulisten untersucht, im Tagesspiegel-Gespräch: "Es gibt … Studien, die eine Korrelation zwischen medialer Aufmerksamkeit und demoskopischem Aufstieg der AfD zeigen. Es ist auch plausibel, dass die zahlreichen Berichte über 'Rekordwerte' und 'Höhenflug' der AfD zu einem zusätzlichen Ansteckungseffekt führen. Das bedeutet, dass Menschen, die bisher nicht zur AfD tendierten, den Eindruck bekommen, dass sich diese zwanzig Prozent in den Umfragen ja nicht täuschen können, die AfD also normaler und wählbarer erscheint. Im Übrigen: Nicht zu lesen sind derzeit Schlagzeilen über das Ende des Aufstieg der AfD, der bei den meisten Instituten mittlerweile längst eingesetzt hat."
Stichwörter: Hillje, Johannes, AfD

9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.08.2023 - Medien

Und so geht's zu in Österreich. Die ORF-Hauptnachrichtensendung "Zib" sendete zwei russische Fake-Videos, berichtet Florian Bayer in der taz. Angeblich zeigten die Videos, wie die Ukrainer Soldaten zwangsrekrutieren, aber in Wirklichkeit handelte es sich um die Festnahme russischer Spione. Darauf angesprochen, reagierte ORF so: "Dem ORF russische Propaganda zu unterstellen, ist absurd und richtet sich von selbst." Erst auf Druck räumte der Sender ein, einen Fehler gemacht zu haben. "Der Macher des Beitrags, Christian Wehrschütz, twitterte dazu inzwischen: 'Der Fehler wird mir eine Lehre sein, der erste in 23 Jahren Korrespondent. An der Richtigkeit des Beitrags ändert der Fehler nichts!' Wehrschütz ist seit 2013 der alleinige Ukrainekorrespondent des ORF. Bis 1983 schrieb er für die rechtsextreme Zeitschrift Aula. Seit 1991 ist er beim zur Objektivität verpflichteten ORF. Bis 2002 war er Mitglied der prorussisch auftretenden FPÖ."

Die ARD will ihre Talkshows reformieren, berichtet Aurelie von Blazekovic in der SZ. Anne Will soll sich demnach bald an ein jugendliches Publikum richten. Das könnte auch die Austauschbarkeit der verschiedenen Sendungen beenden, im Moment gibt es nicht allzu viel Variation. "Auch in der Themenauswahl geht es nicht überschneidungsfrei. 2022 war es 46 Mal der Ukraine-Krieg, 19 Mal die Energiekrise und elf Mal Corona. Die Themen der Sendungen leiten sich vom aktuellen Geschehen ab - so weit ist das verständlich. Doch muss man es so machen - fünf Talkshows, die sich im Grunde nur durch ihren Moderator auseinanderhalten lassen?"

9punkt - Die Debattenrundschau vom 18.08.2023 - Medien

In der SZ resümiert Claudia Tieschky einen Bericht von Business Insider über die Vertuschung der Kosten beim geplanten Digitalen Medienhaus des RBB: Chefredakteur David Biesinger soll tiefer verstrickt sein als angenommen: "Konkret geht es um eine Beschlussvorlage für den Verwaltungsrat vom März 2022, in der Informationen über die wahren Kosten, die der Geschäftsleitung vorgelegen haben soll, verschleiert worden seien. Statt 185 Millionen Euro soll dem Gremium nur eine Teilsumme von 125 Millionen genannt worden sein. (…) Biesinger weist im BI den Vorwurf, er habe Kosten verschleiert, als 'falsch' und 'rufschädigend' zurück, auf SZ-Anfrage äußerte er sich nicht weiter. Der RBB weist die Vorwürfe gegen Biesinger ebenfalls zurück. (…) Trotzdem - da wird es in Sachen Verantwortlichkeit endgültig entwirrungsbedürftig - war Biesinger am Bauprojekt 'an verantwortlicher Stelle' beteiligt, wie der RBB mitteilt - er führte gemeinsam mit der Leiterin der Intendanz den Vorsitz im erwähnten Lenkungsausschuss zum Bau. Er habe sich um redaktionelle Fragen bei der Planung gekümmert, sie um Bau- und Finanzfragen, so der RBB."

Die öffentlich-rechtlichen Sender der ARD produzieren mittlerweise eine Flut von Podcasts, die man über Dienste wie Spotify der Youtube abonnieren kann. Darüber beschweren sich jetzt die selbst eher nicht durch journalistische Relevanz brillierenden Privatradios, berichtet Helmut Hartung in der FAZ. Aber offenbar haben die Podcasts für die ARD-Sender noch ein ganz anderes Potenzial: "Seit einiger Zeit geht die Tochtergesellschaft des durch Krisen gebeutelten RBB, die RBB Media, sowie der Werbevermarkter der ARD, die ARD Media, noch einen Schritt weiter und bestücken Podcasts, die auf nicht öffentlich-rechtlichen Plattformen zu finden sind, mit selbst akquirierten Reklamespots. Der Gewinn fließt in die Kassen der Anstaltstöchter. Die RBB-Podcasts werden zudem von der eigenen Vermarktungstochter produziert. Auf ihrer Onlineseite preist die ARD Media ihre Leistungsfähigkeit: 'Werbung in Podcasts schafft eine ganz neue Möglichkeit von Kommunikation.'"

9punkt - Die Debattenrundschau vom 19.08.2023 - Medien

Diese Woche warnte Frank Überall, Vorsitzender der Deutschen Journalistenunion deutsche Journalistinnen vor einer Reise in die Türkei. Vielleicht sollten erinnern wir uns auch mal wieder an die schlimmen Bedingungen der türkischen Kollegen erinnern, meint Wolf Wittenfeld in der taz: "Die meisten inhaftierten JournalistInnen, die von den Behörden in aller Regel gar nicht als JournalistInnen anerkannt werden, arbeiten für kleine pro-kurdische Nachrichtenportale, die im Westen der Türkei kaum jemand kennt. Sie verschwinden als PKK-UnterstützerInnen im Gefängnis, was außerhalb der kurdischen Community kaum noch wahrgenommen wird. Seit der großen Kampagne gegen die Schließung der prokurdischen Tageszeitung Özgür Gündem 2015, wo prominente JournalistInnen und linke Intellektuelle wie die Schriftstellerin Aslı Erdoğan sich tageweise als ChefredakteurInnen zur Verfügung gestellt hatten, sind kurdische Medien aus der türkischen Öffentlichkeit praktisch verschwunden."

In der FAZ will Thomas Hestermann, Professor für Journalismus, die von Ex-Anchor-Man und Ex-Intendant Peter Voss und Dramaturg Bernd Stegemann ebenda erhobenen Vorwürfe, die Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen sei tendenziös, nicht bestätigen. (Unser Resümee) Hier werden "Empfindung und Eindruck" bemüht, doch der empirische Nachweis fehlt, meint er und verweist auf eine an der Hochschule Macromedia durchgeführte Analyse, die seit 2007 "zweijährlich die Hauptnachrichten und Boulevardmagazine der acht reichweitenstärksten bundesweiten Fernsehsender und seit 2019 fünf auflagenstarke überregionale Tageszeitungen (darunter die FAZ), zunächst zur Gewaltberichterstattung, seit 2019 auch zur Berichterstattung über Menschen nichtdeutscher Herkunft, die in Deutschland leben" untersucht: "Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Eingewanderte und Geflüchtete besonders wohlwollend darstellte, lässt sich nicht bestätigen. Tatsächlich zeigt 2023 die Analyse von 506 Beiträgen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Risiken der Migration ähnlich wie die privatrechtlichen Sender und deutlich stärker als die untersuchten Zeitungen gewichten."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 17.08.2023 - Medien

RTL setzt seinen "Kahlschlag" beim Verlag Gruner und Jahr derweil fort und sucht Käufer für das Kunst-Magazin Art, schreibt Anna Ernst in der SZ. Das Fleisch-Magazin für Besserverdienende Beef! stelle man direkt ein: Der Verkauf scheiterte und es entspricht wohl auch nicht mehr dem Zeitgeist: "Schon in früheren Jahren soll es redaktionsintern Debatten gegeben haben, ob man das Heft an neue Essgewohnheiten anpassen und modernisieren könne. Artgerechte Tierhaltung etwa war immer ein Thema, doch generell galt bei Beef!, dass Fleisch das Gemüse der Leserschaft ist und bleibt. Trotz vereinzelter Themen zu neuen Ernährungsgewohnheiten hat sich bei der Ansprache und Aufmachung wenig verändert. Auch Frauen wurden nicht zur Zielgruppe. Ob das der Auflage schadete?" Wie wäre es mit einer Umbenennung in Hafermilch?
Stichwörter: Gruner und Jahr

9punkt - Die Debattenrundschau vom 14.08.2023 - Medien

Es gibt eine neue Debatte über die Öffentlich-Rechtlichen, die in der FAZ angestoßen wurde: Der Ex-Anchor Man und Ex-Intendant Peter Voss hatte tendenziöse Berichterstattung kritisiert, der Dramaturg und Wagenknecht-Verbündete Bernd Stegemann griff das auf und kritisierte einen angeblich manipulativen "heute-"Beitrag, wogegen sich der "heute-journal"-Chef Wulf Schmiese am Samstag vehement wehrte. In der NZZ platzt jetzt auch Claudia Schwartz der Kragen angesichts eines Instagram-Accounts der Sendung "Monitor": "Die Belehrung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist mittlerweile Programm. Das 'Monitor'-Magazin des WDR präsentiert derzeit auf Instagram 'verharmlosende Klimasprache' und liefert 'Alternativbegriffe'. 'Klimawandel' etwa klingt nach Meinung der dortigen Redaktion zu sehr wie ein 'sanfter, natürlicher Prozess' und nicht so 'heftig, gefährlich und menschengemacht' wie 'Klimakrise'. 'Erderwärmung' hört sich zu 'angenehm und positiv' an, wie wäre es also mit 'Erderhitzung'? Und der 'Klimaleugner' ist dem 'Klimaskeptiker' vorzuziehen, weil dieser - man muss das jetzt nicht verstehen - 'Nachdenken' suggeriere. Bitte nicht nachdenken, sondern nachplappern?"

9punkt - Die Debattenrundschau vom 12.08.2023 - Medien

Spätestens der RBB-Skandal um Patricia Schlesinger hat bewiesen, dass öffentlich-rechtliche nicht unbedingt moralische Anstalten sind. Schlesinger war in ihrer bräsigen Unverschämtheit nur die Spitze des Eisbergs, resümiert Caspar Shaller in der taz. Darunter kam ein ganzes System von Ruhegeldern und und komfortablen Abfindungen für unfähige Hierarchen zum Vorschein, das Höhlenforscher bis heute nicht erschlossen haben. Und auch beim RBB ist mit der Wahl Ulrike Demmers nur die Ratlosigkeit der Instanzen deutlich geworden. Spätestens jetzt wisse man, "dass der Filz damit nicht vorbei ist. Demmer war Regierungssprecherin unter Angela Merkel und hat zwei hagiografische Bücher über Ursula von der Leyen geschrieben, in der die gescheiterte Verteidigungsministerin als nächste Kanzlerin gehandelt wurde. Demmers Verstrickung mit der CDU scheint indes kein Ausschlusskriterium zu sein. Die oft beschworene Staatsferne erscheint so wie ein Hohn. Mittlerweile haben das Missmanagement und die Selbstbedienungsmentalität ein riesiges Loch in die Kassen gerissen. Vernau verkündete im Frühjahr, der Sender müsse 50 Millionen Euro sparen. Hundert Stellen sollen langfristig gestrichen und mehrere Sendungen eingestellt werden."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 10.08.2023 - Medien

Giovanni Di Lorenzo ist ein Mann von heroischer Konsequenz: Die Leser der Printausgabe werden vor der peinlichsten Affäre der Zeit seit Jahren nach wie vor geschützt: Kein Wort über Fabian Wolff schon in der zweiten Ausgabe. Was ahnen die Damen und Herren Leser schon vom Proletariat in der Online-Garage, das die Affäre verursachte!

In der Jungle World sucht Larissa Schober nach einer psychologischen Erklärung für Wolff und allgemeiner das Wilkomirski-Syndrom: Es wird  für sie möglich durch eine Erinnerung an den Holocaust, die vor allem auf Empathie setze. Sie bedeute auch ein "Ausblenden deutscher Täterschaft ": "Wir erinnern uns lieber an erfahrenes Leid als an angetanes - denn Letzteres wirft die Frage nach der Verantwortung und nach Gegenstrategien auf. Die Identifikation mit den Opfern stellt gerade in einer Täter:innengesellschaft wie der deutschen ein Problem dar, da sie sich gut zur moralischen Entlastung eignet. Damit einher geht die Gefahr der Übernahme von Erinnerung: Durch die Identifikation mit Opfern können sich Betrachter:innen die moralische Überlegenheit, die der Opferstatus auch bedeutet, sozusagen leihen, ohne mit dem tatsächlichen Leid konfrontiert zu sein."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 07.08.2023 - Medien

Der Fall Fabian Wolff ist in Wirklichkeit ein Fall Zeit, meint Jens Peter Paul bei Cicero. "Bei Wolff und der Zeit geht es nicht um fremdländische Folklore im weitesten Sinne wie bei Relotius, sondern um knallharte Politik, um Macht, letztlich um das Existenzrecht Israels und die Frage, wie erwünscht, wie sicher Juden in Deutschland heute noch sind. Es werden, sobald es ins eigene Weltbild passt, fragwürdige Autorinnen und Autoren gedruckt, gesendet und gefeiert, es werden selbst eindeutige Warnzeichen und begründete Zweifel an der Integrität und Glaubwürdigkeit von in den Verlagen und Funkhäusern liebgewonnenen Moderatoren, Text- und Meinungslieferanten fast schon systematisch so lange ignoriert, bis es auffliegt, etwa, weil irgendwer es nicht mehr aushält und auspackt, etwa, weil es Akteure mit ihrem verleumderischen Antijournalismus übertreiben."

Paul zitiert auch aus der berühmten Mail von Wolffs Freundin Helen R. von 2021, die ihre Zweifel über die Identität Wolffs äußerte, was jedoch kein Medium überprüfte oder zu einer Veröffentlichung veranlasste. Ein Absatz: "Ich fand es einfach einerseits so absurd, wie er, Fabian Wolff, der Berlin bis auf eine Sprachreise in der 10. Klasse und einen siebentägigen New-York-Urlaub im Jahr 2019 nie verlassen und nie weiter als fünf Kilometer von seiner Grundschule in Pankow entfernt gewohnt hat, meint, auf einer Diskriminierungs- und Entfremdungserfahrungsebene gleich zu sein mit Frauen aus der Türkei, dem Iran und Syrien."

Fabian Wolff wollte sich nicht nur durch seine angeblich jüdische Herkunft gegen den Antisemitismusvorwurf immunisieren, sondern auch als Sohn von Kommunisten, die ja angeblich in der Geschichte auf der "richtigen Seite" gestanden hätten. Diesen Aspekt thematisiert Anetta Kahane in ihrer FR-Kolumne. Auch die postkoloniale Nivellierung des Holocaust sei bei Wolff ein DDR-Erbe. In deren Diskurs "ermordeten die 'Hitlerfaschisten' Menschen vieler Nationen. Das Wort Jude erschien nur beiläufig. Nichts Besonderes. Opfer unter vielen. Wenn überhaupt. In der DDR war Antisemitismus eine Sache des Monopolkapitalismus, sonst nichts. Verbal ging Wolff diesen Weg nicht zu Ende, denn er brauchte ja noch den Habitus der Jüdischkeit. Er übernahm diesen Gedanken allerdings. Nur goss er sie in seltsame postkoloniale Floskeln."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 05.08.2023 - Medien

Der Spiegel bringt eine erstaunlich zahnlose Reportage über den Fall Fabian Wolff. Bei Wolff fragen sie allen Ernstes "Durfte er das?" Bei Mirna Funk notieren sie hingegen streng: "Funks Text erfüllt kaum journalistische Standards.". Verantwortliche in der Zeit werden nicht namhaft gemacht. Immerhin erfährt man ein wenig über die Verhältnisse in dem Laden: "Wer in diesen Tagen mit der Zeit-Belegschaft spricht, trifft auf Menschen, die ihr eigenes Haus nicht wirklich verstehen. Drei Autostunden trennen die Redaktion der Wochenzeitung in Hamburg von ihrem Onlinependant in Berlin, doch die Ressentiments und Missverständnisse zwischen den Häusern lassen die Strecke mitunter wie eine Weltreise erscheinen. Printredakteure beteuern, von dem Text nichts gewusst, höchstens gehört zu haben. Ein Onlineprojekt sei das gewesen, von dem selbst manche Führungskräfte nicht in Kenntnis gesetzt wurden." Der Online-Kulturchef se hingegen von dem Wolff-Text ergriffen gewesen: Ein "Dokument der Zeitgeschichte" sei das, soll er gesagt haben.

Die Affäre rührt deshalb so auf, meint Jan Küveler in der Welt, "weil sie ans Herz einer zurzeit weitverbreiteten Ideologie rührt, der Identitätspolitik. Deren zentraler Glaubenssatz bestreitet die aufklärerisch-universalistische Idee von der Kraft des besseren Arguments. Diese diskursive Utopie, meinen die Anhänger der Identitätspolitik, lasse die Sprecherposition sträflich außer Acht. In der westlichen Tradition seien die intellektuellen Wortführer über lange Zeit mehrheitlich weiße, christliche, heterosexuelle Männer gewesen - zuungunsten von Frauen, Homosexuellen, Schwarzen… und nicht zuletzt auch Juden. Was als Wahrheit ausgegeben werde, sei tatsächlich das kaum verhohlene Partikularinteresse eines angeblichen Patriarchats.Fabian Wolff legte es erfolgreich darauf an, eine ganz besondere Sprecherposition zu bekleiden: die des linken, israelkritischen Juden, der dem jüdischen Staat systematische Unterdrückung der Palästinenser vorwirft und der deshalb sogar antisemitische Organisationen wie den BDS unterstützt."

Auch Perlentaucher Thierry Chervel sieht die Affäre in einem Twitter-Thread als "die Katastrophe jener inzwischen so weit verbreiteten Idee, dass ein Argument nur zählt, wenn die Identität stimmt". Und er fragt, warum die Zeit-Redakteure, die Wolffs Text brachten nicht namhaft gemacht werden: "Warum äußern sich diese Personen nicht, und warum insistieren die KollegInnen des Spiegel nicht? Bei der Relotius-Affäre wurden doch auch Namen genannt, zu Recht... Die Print-Zeit hat die Wolff-Affäre ja tatsächlich mit keinem Wort erwähnt. Kein Wort zu einem GAU!"

In der taz kommt auch Carolina Schwarz auf die Rolle der ZeitOnline-Redakteure zurück, denen ja irgendwann durchaus bekannt war, dass Wolff eine falsche Identität vorgab: "Journalistisch sauber wäre zu diesem Zeitpunkt gewesen, Wolff nicht die Möglichkeit zu geben, ein 70.000 Zeichen langes Geschwafel zu veröffentlichen, sondern ein kritisches Interview mit ihm zu führen oder seine Biografie selbst zu recherchieren." Und eine Entschuldigung von Wolff fehlt bis heute im übrigen auch, so Schwarz: "Auf die Frage, warum Wolff sich nicht entschuldigt habe, antwortet dieser der taz: 'Der Text ist die Abbitte, nicht als Selbstentschuldigung, sondern aus Selbstverantwortung.'"