Die Buchmacher

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Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
12.03.2007. Warum Random House und Springer SBM den Börsenverein mit ihren Volltextsuche-Initiativen düpieren. Wie die Preisbindung für Bücher in der Schweiz kippt. Und weshalb der Börsenvereins-Vorstand sauer auf die Tochter BAG ist.

buchreport.express

Seit Wochen rumort es in der Szene der Volltextsucher. Der Start des Börsenvereins-Projekts "Volltextsuche Online" (VTO) verzögert sich, zuletzt gab es außerdem Sicherheitsprobleme. Jetzt haben der größte Fachverlag Springer SBM und der größte Publikumsverlag Random House den Verband düpiert: Springer hat das bei Google eingestellte Titelvolumen von 5000 auf 29000 Titel erweitert - Google sei "ein mächtiges Marketing-Instrument" für die Backlist, so die Begründung; bei VTO will Springer indes nicht mitmachen. Gleiches gilt für Random House: Die Bertelsmann-Verlage haben mit "Insight" (hier mehr Infos zum Programm) ein eigenes Volltextsucheprogramm entwickelt und winken bei VTO ab. Hinzu kommt: RH bietet laut buchreport auch anderen Verlagen außerhalb des Konzerns an, ihre Titel per "Insight" ins Netz zu stellen (hier der Artikel). Bislang umfasse das Programm 5000 neue und Backlisttitel aus den US-Verlagen von Random House, noch in diesem Jahr werde "Insight" auf deutschsprachige Bücher ausgedehnt. Innovativ ist das RH-Modell nach Einschätzung von buchreport besonders durch die Verknüpfung mit Communityportalen wie Myspace (150 Millionen Mitglieder, allein die US-Seite verzeichne derzeit rund 1,2 Milliarden Zugriffe - pro Tag) - dabei wird ein kleines Widget auf anderen Seiten platziert.

Seit 1. März gilt in der deutschsprachigen Schweiz keine Preisbindung mehr für Bücher. Während die Branchenfunktionäre im Gespräch mit dem Börsenblatt beteuert hatten, dass trotzdem kein Händler ausscheren werde, hat der Baseler Buchhändler Philip Karger (Karger Libri) gegenüber buchreport als erster Sortimenter Preissenkungen (über 10 Prozent) angekündigt. Unabhängig davon, ob die letzten, politischen Versuche zur Rettung der Preisbindung noch zum Erfolg führen können, erwartet buchreport, dass "die höchst uneinige Branche" selbst Fakten schafft und der Preisbindung die Grundlage entzieht.

Auf der lit.cologne (9. bis 19. März) werden in diesem Jahr u.a. die Autoren Henning Mankell, Liza Marklund und Jonathan Franzen auftreten; ein Budget von 1 Million Euro wird an Sach- und Geldleistungen ausgegeben. Kurz nach Köln beginnt die Leipziger Buchmesse (21. bis 25. März), deren Lektürereihe "Leipzig liest" sich als "größtes Lesefestival in Europa" ausflaggt.

Weitere Themen: Die Umsätze im Buchhandel sind im Februar um 2,8 Prozent gewachsen (hier der Artikel). Der Bahnhofsbuchhändler Valora Retail übernimmt fünf Bahnhofssortimente. Die Investmentfirma Ripplewood Holdings LLC hat für 1,61 Milliarden Dollar Reader's Digest übernommen. Erster Schritt der Käufer: Das Unternehmen soll von der Börse genommen und saniert werden. Und hier die Bestsellerlisten.

PS: Auf der "Medien + Märkte"-Seite ist ein Bild von Wired-Chefredakteur Chris Anderson zu sehen, dessen Theorie vom "Long Tail" (in Kurzform: Auch mit den vermeintlichen Ladenhütern kann man im Internet Kasse machen) für Schlagzeilen gesorgt hat. Neben Anderson ist das Cover der deutschsprachigen Ausgabe zu sehen, die Hanser doch tatsächlich, ohne rot zu werden, "Der lange Schwanz" genannt hat.

Börsenblatt

Verkehrte Welt beim Börsenblatt: Da zieht Random House mit medialem Mega-Tamtam eine eigene Volltextsuche auf, und die Branchenzeitschrift vermeldet dies auf 30 Zeilen - vermutlich aus branchenpolitischen Gründen, eben weil "Insight" (hier mehr) dem verbandseigenen Modell mächtig Konkurrenz macht (siehe Zusammenfassung des buchreport). Im gleichen Heft nimmt Chefredakteur Torsten Casimir jedoch kein Blatt vor den Mund und beschreibt - in gewohnt Casimirscher Feuilletonisten-Manier, gleichwohl vergleichsweise schonungslos - die Querelen im Börsenverein um die Zukunft der Wirtschaftstochter BAG. Zur Erinnerung: Die Pleite des Kölner Billigbuchhändlers Zanolli hatte die BAG-Tochter FGM - und, weil die BAG für die Tochter haftet, auch die Mutter selbst - in die finanzielle Krise gerissen. Ein Darlehen der Verbandsschwester MVB (die u.a. das Projekt "Volltextsuche Online" sowie das "Verzeichnis lieferbarer Bücher" betreut) in Höhe von 3 Millionen Euro sollte der BAG helfen. Klausel: Kann die BAG das geliehene Geld nicht zurückzahlen, übernähme die MVB die mehrheitlichen Anteile an der BAG (die bislang beim BAG-Verein liegen). Jüngstes Signal: Krach auf breiter Front. Weil die BAG den Darlehensvertrag immer noch nicht unterschrieben hat, droht der Börsenvereins-Vorstand nun damit, das Angebot zurückzuziehen. Und findet dabei deutliche Worte, wie Casimir unnachahmlich beschreibt: "Dass einem irgendwann der Kragen platzt, kommt vor. Dass jedoch Kragenplatzen ab sofort zum Affektportfolio des Börsenvereins gehört, ist eine sensationelle Läuterung." Fazit: Sollte die BAG das Geld von der MVB ablehnen, so Casimir, hätte dies "womöglich die sofortige Insolvenz der BAG zur Folge". (Update: Inzwischen haben sich die Streithähne versöhnt, wie das Börsenblatt online meldet)

Zum selben Thema schildert Christina Schulte die Lage bei den Kölner Billigbuchhändlern ZMV (die u.a. mit den Resten aus der Zanolli-Insolvenz handeln). ZMV gehört zu 100 Prozent der BAG-Tochter FGM (siehe oben) - die ihrerseits bekanntlich fast pleite ist und deshalb ZMV verkaufen will.

Klaus Wagenbach kritisiert F.C. Delius für dessen Kritik am Verkauf des Rotbuch-Verlags an den Eulenspiegel Verlag (Delius: "Stasinest"). Schon beim zweiten Verkauf des Verlags hätte Delius seine Rechte zurückrufen müssen, weil die "von ihm mitgestaltete und immer wieder propagierte Verlagsverfassung sang- und klanglos gestrichen" worden sei. Jetzt in die "Rolle des Erniedrigten und Beleidigten zu schlüpfen ist zwar verlockend, aber unredlich."

Nachdem sich das schweizerische Bundesgericht mit einem Urteil auf die Seite der Preisbindungsgegner (nämlich der Kartellwächter der "Wettbewerbskommission") geschlagen hat, übt sich der Buchhandel noch in Selbstdisziplin. Wie Sabine Cronau berichtet, biete kein stationärer oder Online-Buchhändler Bücher nach eigenem preislichen Gusto an (buchreport kommt zu einem anderen Ergebnis) - obwohl de facto die Preisbindung seit 1. März 2007 obsolet sei. Jetzt richten die Verteidiger der fixen Preise ihre Hoffnungen in zweierlei Richtungen: der Bundesrat soll ein Ausnahmegesuch erwirken (weil überwiegend öffentliche Interessen betroffen seien) oder der Nationalrat ein Preisbindungsgesetz erlassen (bislang ist die Preisbindung nur in einem sog. Sammelrevers verankert).

Weitere Themen: Im Interview erklärt Christian Scheier, wie Buchhändler per Neuromarketing ihre Kunden zum Kauf animieren können. Wolfgang Schneider porträtiert den Autor Wolfgang Herrndorf. Der Verlag der Zeit hat 2006 den höchsten Umsatz (+6% auf 110 Millionen Euro) und das beste Ergebnis (+14% auf 12 Millionen Euro) der Verlagsgeschichte erwirtschaftet - dank des Engagements mit mehreren Editionen auf dem Buchmarkt. Random House hat für 5,1 Millionen Euro einen 90 Prozent-Anteil am Verlag Virgin Books übernommen.
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