Die Buchmacher

Lesen und Rauchen

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
16.04.2007. Wer das "Ende der kommunikativen Formkrise" der Bücherbranche herbeischreiben möchte. Für wen Lesen und Rauchen zusammengehören. Warum die Verlage darüber diskutieren, wie teuer Bücher sein dürfen. Und warum die schweizerischen Branchenlobbyisten vor dem Bundesrat keine gute Figur gemacht haben.

buchreport.express

buchreport macht sich Gedanken darüber, wie teuer Bücher sein dürfen (hier der Artikel). Nach Einschätzung der Dortmunder wird in den Konferenzen der Verlage zum Herbstprogramm derzeit mit den Vertretern auch die Preisfrage diskutiert. "Das Dilemma: Die Kosten steigen, die Rationalisierungspotenziale sind ziemlich ausgeschöpft, der finanzielle Spielraum fürs Marketing wie für die härter werdenden Rabattgespräche mit den Zentraleinkäufern müsste eigentlich größer sein - aber es scheint keinen Preisspielraum nach oben zu geben." Im Gegenteil: Die Kunden legten weniger Euro pro Buch auf die Theke; außerdem seien die von den Verlagen angebotenen Titel im Schnitt preisgünstiger kalkuliert worden. Blöderweise fänden immer noch 48 Prozent der Deutschen Bücher "eher teuer".

Detailliert berichtet buchreport von der 67-minütigen Anhörung der schweizerischen Buchhandelslobbyisten vor dem Bundesrat in der Frage nach der Zukunft der Preisbindung. Wegen improvisiert wirkenden Einlassungen und wegen gegensätzlicher Vorträge hätten die Branchenvertreter keinen guten Eindruck hinterlassen. So hätten beispielsweise Stefan Fritsch (Diogenes) und Fabio Amato (Orell Füssli) für fixe Preise plädiert, Klaus Linow (Klio) und Philip Karger (Karger Libri) indes dagegen - die Fraktion der Dissidenten habe sich für Mindestpreise auf dem niedrigen Euro-Preisniveau ausgesprochen.

Immer mehr Verlage entdecken myspace.com. Laut buchreport wirbt der Musikverlag Sony ATV Music Publishing seit wenigen Tagen für das "Hesse-Projekt" (Produktion: Angelica Fleer und Richard Schönherz, vom HörVerlag im Buchhandel vertrieben) mit einer eigenen Myspace-Seite. Auch Festa engagiere sich in der Community. Seit zwei Monaten unterhalte der Fantasy-Verlag eine Seite mit Leseproben, Verlagschronik und Blog in dem Portal, das der Medienmogul Rupert Murdoch im Juli 2005 für 580 Mio Dollar gekauft habe und dessen US-Seite allein rund 1,2 Mrd Zugriffe pro Tag verzeichne.

Weitere Themen: Die Handelsblatt-Gruppe hat sich mit 37,8 Prozent am Verlag Dr. Otto Schmidt beteiligt - beide Firmen wollen ihre Online-Angebote gemeinsam vermarkten. Langenscheidt hat seine Tochter APA Publications auf ein Joint Venture mit der Michelin Gruppe eingeschworen; der gemeinsame Verlag soll künftig alle Michelin-Reiseführer in englischer Sprache veröffentlichen. Und hier die Bestsellerliste.

Börsenblatt

Na, hat denn schon das Sommerloch angefangen? Mit einem inhaltlich dünnen Heft wartet in dieser Woche das Börsenblatt auf. Im Editorial salbadert Torsten Casimir über die gesprächsintensiven Wochen, vor denen die Branche stehe (Vorstands- und Fachausschüsse-Sitzungen im Börsenverein, die Abgeordnetenversammlung, die zum Branchenparlament umgebaut werden soll) - "viele Gelegenheiten, aneinander vorbeizureden", kalauert Casmir, um - Spaß beiseite - das "Ende der kommunikativen Formkrise" herbeizuschreiben: "Die Wiederentdeckung von Vertraulichkeit. Das Gespür für zumutbare Offenheit. Die Bereitschaft zum Kartextreden." (Darf man weiterdichten: Die Nicht-Bereitschaft, weiter solche Stakkato-Floskeln lesen zu müssen?)

Hübsches Thema: Die Leipziger Buchmesse will möglicherweise ein Rauchverbot ab 2008 einführen. Im Börsenblatt-Rundruf reagieren unter anderem Joachim Unseld ("....sicher wunderbar. Aber unsere Branche hat schon auch größere Probleme...") und Egon Ammann ("Blödsinn. Rauchen gehört wie ein gutes Glas Wein zum Lesen").

Der Literaturkritiker Wolfgang Schneider sinniert im Kommentar darüber, ob Männer wirklich auf Kriegsfuß mit dem "guten Buch" stehen. Und findet wenig Gefallen an der These: "Wie kommt man überhaupt zu repräsentativen Daten? Steht da jemand mit einem Zählapparat an der Buchhandelskasse und gibt ein, ob gerade ein Mann oder eine Frau den neuen Genazino gekauft hat? Und was hätte das zu bedeuten angesichts des Umstands, dass der Käufer eines Buches nicht unbedingt auch sein Leser ist
- sondern oft sein Verschenker oder bloßer Wegsteller?"

Thomas J. Spang analysiert in einem - große Ausnahme - sehr interessanten Artikel über den Stellenwert der Buchketten Borders und Barnes & Noble in den USA. Das Gerücht von einer Fusion der Riesen halte sich hartnäckig. Treibende Kraft im Hintergrund sei ein Hedgefonds, der an der Nummer eins und Nummer zwei beteiligt sei. Für die unabhängigen Buchhändler wäre ein Zusammeschluss der "ultimative Albtraum", schreibt der Autor.

Weitere Themen: Amazon hat die stationären Händler in der Schweiz verschreckt. Das Angebot des Onliners: Kaufe drei Bücher und erhalte das vierte mit 20 Prozent Rabatt. Sabine Cronau unterhält sich mit der Chefin der Künstlersozialkasse, Sabine Schlüter, über die geplante Reform des Versicherungssystems. Im "Menschen"-Ressort porträtiert Torsten Casimir den "heutigen Konquistador", "Fernwehmütigen", "Meerestiefenberauschten" und "Auf-den-Grund-Geher" (siehe oben) Nikolaus Gelpke - Gelpke ist Gründer der Zeitschrift Mare.
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