Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
12.12.2006. In der Lettre beschreibt Bora Cosic die Dekadenz der Belgrader Kultur. Der Economist rügt die Macho-Kultur der deutschen Presse. In Vanity Fair überlegt Christopher Hitchens, warum Frauen ihn nie zum Lachen bringen. Der New Yorker weiß, welches Buch Verleger jedes Jahr aufs Neue glücklich macht. Al-Sharq al-Awsat berichtet über Auseinandersetzungen im Arabischen Schriftstellerverband. Im Figaro fordert Pascal Bruckner eine Kultur des Mutes im Westen. Die London Review beobachtet ein Beispiel von Biosentimentalität. Tygodnik berichtet, wie der Papst in Istanbul beinahe zum Islam übergetreten wäre.
Lettre International (Deutschland), 11.12.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q24/A15827/lettre.jpg)
Der Aufstand der Ungarn 1956 hat einiges bewirkt, gerade weil er gescheitert ist, konstatiert der Schriftsteller Peter Nadas. "Die ungarische Revolution hat eine qualitative Veränderung im Verhältnis der Großmächte zueinander erzwungen. Sie hat der heißen Phase des Kalten Krieges ein Ende gesetzt, die Gefahr eines Atomkrieges verringert und die Epoche der friedlichen Koexistenz als ein für beide gegnerischen Seiten akzeptables Minimum erzwungen. Erzwungen jedoch nicht durch den Sieg der 'res publica' oder der Demokratie, sondern durch deren Niederlage." Hier ein Auszug.
Auszugsweise zu lesen gibt es außerdem Mike Davis' Porträt der neoliberalistischen Modellstadt Dubai, Michel Braudeaus Apologie der Fälschung sowie ein Gespräch zwischen Boris Groys und Carl Hegemann über kommunistische Spuren in den Religionen.
Economist (UK), 08.12.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A15819/economist.jpg)
Dazu gibt's eine kleine Grafik: am aufgeblasensten sind danach Spiegel, Wirtschaftswoche und Handelsblatt (0 Prozent weibliche Führungskräfte, am zweitschlechtesten steht die FAZ da mit 6,25 Prozent, und am fortschrittlichsten ist die Welt mit 31 Prozent).
Tygodnik Powszechny (Polen), 10.12.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q98/A15828/tygodnik.jpg)
Outlook India (Indien), 18.12.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q15/A15817/outlook.jpg)
Weiteres: Dileep Padgaonkar staunt über das politische Know-how in einem Band mit ausgewählten Reden von Premierminister Manmohan Singh. Girish Karnad lobt die Präzision in den "Collected Stories" von Shama Futehally. Und Ravina Rawal prüft die gastgeberischen Kompetenzen ausländischer Diplomaten: "Die Deutschen werden dafür gelobt, dass sie oft einladen und große Mengen an Bier, Würstchen und ernster Konversation anbieten. Experten beschweren sich nur, dass ihre Parties oft überfüllt sind."
Vanity Fair (USA), 01.12.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q114/A15822/vanity.jpg)
al-Sharq al-Awsat (Saudi Arabien / Vereinigtes Königreich), 11.12.2006
Fragen der Kultur sind immer auch politische Fragen. Davon handelt Muhammad Abu Zaids Bericht über die jüngste Generalversammlung des Arabischen Schriftstellerverbandes in Kairo. Siebenundzwanzig Jahre nachdem die Zentrale aus Protest gegen den ägyptisch-israelischen Friedensvertrag von Kairo nach Bagdad verlegt worden war, kehrt sie nach Kairo zurück. Unter turbulenten Bedingungen. So wurde die Teilnahme der irakischen Delegation in Frage gestellt, da diese, so der Vorwurf, von einer der USA-hörigen Regierung abhängig sei. Abu Zaid gibt die irakische Erwiderung wie folgt wieder: Anders als viele nationale Verbände, die von diktatorischen Regimen eingesetzt worden seien, "ist unsere Einrichtung eine unabhängige kulturelle NGO, die keinerlei Verbindung zur irakischen Regierung oder zum irakischen Kultusministerium unterhält. Sie steht fern jeden Einflusses der Besatzungstruppen." Der Vorsitzende des ägyptischen Einzelverbandes, Mohamed Salmawi, der die Vorwürfe lanciert hatte, wurde dennoch zum neuen Generalsekretär des arabischen Dachverbandes ernannt.
Skeptisch sieht Osama Alaysa die Zukunft des palästinensischen Kinofilms. Während sie bei internationalen Festivals auf großes Interesse stoßen, blieben in Palästina die Säle selbst bei kostenlosen Aufführungen oft leer. Unter den aktuellen Bedingungen, so Alaysa, verfalle eine vormals lebendige Kinokultur: "Auf dem Höhepunkt der palästinensischen Revolution waren Dokumentarfilme ein Teil des Kampfes, der von arabischen Cineasten im Allgemeinen und von palästinensischen im Besonderen geführt wurde. Die (palästinensische) Sache wartet weiter auf eine Lösung, eine Intifada reiht sich an die nächste. Und Europa finanziert weiter palästinensische Filme. Dies alleine aber reicht nicht aus. Das Kino kann sich nicht erholen, wenn es von der Bevölkerung selbst nicht willkommen geheißen wird."
Skeptisch sieht Osama Alaysa die Zukunft des palästinensischen Kinofilms. Während sie bei internationalen Festivals auf großes Interesse stoßen, blieben in Palästina die Säle selbst bei kostenlosen Aufführungen oft leer. Unter den aktuellen Bedingungen, so Alaysa, verfalle eine vormals lebendige Kinokultur: "Auf dem Höhepunkt der palästinensischen Revolution waren Dokumentarfilme ein Teil des Kampfes, der von arabischen Cineasten im Allgemeinen und von palästinensischen im Besonderen geführt wurde. Die (palästinensische) Sache wartet weiter auf eine Lösung, eine Intifada reiht sich an die nächste. Und Europa finanziert weiter palästinensische Filme. Dies alleine aber reicht nicht aus. Das Kino kann sich nicht erholen, wenn es von der Bevölkerung selbst nicht willkommen geheißen wird."
Foglio (Italien), 11.12.2006
Der Schauspieler Giampero Mughini erinnert sich an die glorreichen siebziger Jahre, als er sich mit dem Regisseur Nanni Moretti anfreundete und sie "Ecce bombo" drehten. "Eine der beiden Szenen spielte auf der Terasse der Wohnung einer jungen und reichen römischen Bürgerlichen. Einige Jahre später musste diese Frau einige Tage im Gefängnis verbringen, weil sie angeblich einen roten Terroristen beherbergte. An dem Abend als wir in die Wohnung kamen, um die Szene für Nannis Film zu drehen, saß tatsächlich einer auf der Couch. Ich hatte ihn 1977 bei den Demonstrationen gesehen, wo er sich fürchterlich aufführte."
Weiteres: Fabio Canessa entdeckt den anarchisch angehauchten, aber attraktiven Intellektuellen Luciano Bianciardi als einen der vielschichtigsten italienischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Und Ugo Bertone poträtiert den Mexikaner Carlos Slim Helu, der nun Brasiliens Telekommunikation aufkauft.
Weiteres: Fabio Canessa entdeckt den anarchisch angehauchten, aber attraktiven Intellektuellen Luciano Bianciardi als einen der vielschichtigsten italienischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Und Ugo Bertone poträtiert den Mexikaner Carlos Slim Helu, der nun Brasiliens Telekommunikation aufkauft.
New Yorker (USA), 18.12.2006
Daniel Radosh erklärt, warum die Bibel Verleger so glücklich macht. "Die geläufige Beobachtung, dass die Bibel das meistverkaufte Buch aller Zeiten sei, überdeckt eine viel verblüffendere Tatsache: Die Bibel ist das meistverkaufte Buch des Jahres - und zwar in jedem Jahr. Zu ermitteln, wie viele Bibeln in den Vereinigten Staaten verkauft werden, ist so gut wie unmöglich, eine vorsichtige Schätzung geht allerdings davon aus, dass die Amerikaner 2005 rund 25 Millionen Bibeln erworben haben - also doppelt so viele Exemplare wie der neueste Harry Potter. Der Betrag, der jährlich für Bibeln ausgegeben wird, wird auf mehr als eine halbe Milliarde Dollar geschätzt."
Weitere Artikel: In einer ausführlichen Reportage geht Jerome Groopman der Frage nach, ob Todkranke noch in der Versuchsphase befindliche Medikamente bekommen sollten. Hendrik Hertzberg kommentiert den Irak-Report der amerikanischen Untersuchungsgruppe. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The First Sense" von Nadine Gordimer.
Wyatt Mason porträtiert den indischen Schriftsteller R. K. Narayan. Anthony Lane rezensiert den neuen Hannibal-Lecter-Roman "Hannibal Rising" von Thomas Harris. John Lahr stellt Inszenierungen der Theaterstücke "The Voysey Inheritance" und "Two Trains Running" vor. Und Anthony Lane sah im Kino "The Good German" von Steven Soderbergh mit George Clooney und Cate Blanchett und das "pathologische Kunstwerk" "Apocalypto" von Mel Gibson.
Nur im Print: ein Artikel über die Anthropologie des Aufruhrs und Lyrik.
Weitere Artikel: In einer ausführlichen Reportage geht Jerome Groopman der Frage nach, ob Todkranke noch in der Versuchsphase befindliche Medikamente bekommen sollten. Hendrik Hertzberg kommentiert den Irak-Report der amerikanischen Untersuchungsgruppe. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The First Sense" von Nadine Gordimer.
Wyatt Mason porträtiert den indischen Schriftsteller R. K. Narayan. Anthony Lane rezensiert den neuen Hannibal-Lecter-Roman "Hannibal Rising" von Thomas Harris. John Lahr stellt Inszenierungen der Theaterstücke "The Voysey Inheritance" und "Two Trains Running" vor. Und Anthony Lane sah im Kino "The Good German" von Steven Soderbergh mit George Clooney und Cate Blanchett und das "pathologische Kunstwerk" "Apocalypto" von Mel Gibson.
Nur im Print: ein Artikel über die Anthropologie des Aufruhrs und Lyrik.
Figaro (Frankreich), 11.12.2006
Am kommenden Donnerstag treffen sich in Paris zahlreiche Intellektuelle und Politiker, um die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft gegenüber der gegenwärtigen Atompolitik des Iran zu demonstrieren. Einige der Teilnehmer erläutern im Figaro vorab ihre Beweggründe, daran teilzunehmen. Der Philosoph Andre Glucksmann etwa erklärt: "Wir sind gewarnt: Die Bombe der islamischen Revolution ist nicht 'wie die anderen', sie transportiert eine spezifische Gefahr, indem sie die Risiken einer apokalyptischen Fehlentwicklung vervielfacht. Stanley Kubrick hat alles vorausgesehen, außer Teheran." Und der Schriftsteller Pascal Bruckner schreibt: "Europa sollte den kleinen persischen Führer [im Original auf Deutsch, d. Red.] wenigstens als einen Feind betrachten, ihn auch als einen solchen bezeichnen und an der Seite der Vereinigten Staaten keinerlei Optionen ausschließen, auch nicht eine militärische. Aber um eine Diktatur zu beenden, müsste man zu einer Kultur des Muts zurückfinden, um die es auf unserem alten Kontinent nicht gerade zum Besten bestellt ist."
Im Figaro Litteraire erklärt der Mittelalterexperte Jacques Le Goff die Bedeutung des Nationalgefühls und der Kenntnis der Geschichte für die aktuelle Politik.
Im Figaro Litteraire erklärt der Mittelalterexperte Jacques Le Goff die Bedeutung des Nationalgefühls und der Kenntnis der Geschichte für die aktuelle Politik.
London Review of Books (UK), 14.12.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q10/A15818/lrb.jpg)
Weitere Artikel: John Lanchester wird das ungute Gefühl nicht los, dass Tom Bowers Biografie des mittlerweile wegen Betrugs vor Gericht stehenden aufstiegsgeilen Zeitungsverleger-Ehepaars Black ("Conrad and Lady Black: Dancing on the Edge") vor Schadenfreude nur so trieft. Lorna Scott Fox lobt die politische Feminisierung Chiles. Und Michael Wood hat sich buchstäblich verzaubern lassen von Christopher Nolans komplex-verstricktem Magierfilm "The Prestige".
Gazeta Wyborcza (Polen), 09.12.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q83/A15829/wyborcza.jpg)
Weitere Artikel: Wilhelm Sasnal ist der momentan angesagteste polnische Maler und Zeichner. Im Interview verrät er, wie seine Werke entstehen: "Sampeln. Ich kann keine Fiktion, keine Abstraktion produzieren. Vielleicht male ich dokumentarische Bilder? Oder will keine neuen Vorstellungen hinzufügen zu dem, was schon da ist? Wozu auch?" Abdruckt ist schließlich eine Rede, die Jurij Andruchowytsch auf einer Konferenz zur Bedeutung Jerzy Giedroycs hielt. Es geht dabei um die ewige Frage nach den Grenzen Europas, den Platz der Ukraine und die Rolle der EU, die der Schriftsteller als "eine Art psychologischer Ersatz: eine Ansammlung postimperialer Loser, die es nicht im Alleingang geschafft haben, Supermacht zu werden" definiert.
Point (Frankreich), 07.12.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q39/A15824/point.jpg)
New York Times (USA), 10.12.2006
Die Schriftstellerin Cynthia Ozick schildert eindrucksvoll ihre ethische Bekehrung durch Leo Baecks Essay "Romantische Religion": "In meiner Jugend stand ich auf 'Weltschmerz, Schwärmerei, Welttrunkenheit', diese entfesselten Wagnerschen Emotionen ... Durch Baecks Revision des romantischen Zaubers - seines Jubels, seiner Trauer und seiner illusorischen Schönheit - erschien mir das alles nur noch abstoßend ... Wo führte das schon hin? Zu Eitelkeit, Größenwahn und ins Delirium. Das war Dionysos. Ich wählte Rabbi Baeck."
Weitere Artikel: Simon Winders Buch über 007 (Auszug "The Man Who Saved Britain") nennt Isaac Chotiner achtungsvoll "geopolitische Kunstkritik". Edward Lewine findet John Grishams Tatsachenbericht "The Innocent Man" über einen authentischen Mordfall und Justizirrtum lange nicht so packend wie Capotes "Kaltblütig". Rachel Donadio porträtiert die einflussreiche Literaturwissenschaftlerin und Lyrikkennerin Helen Vendler. Joel Brouwer empfiehlt neue Gedichte von Frederick Seidel, Erin Belieu u. a. Und Jim Holt blättert vergnügt in Alain de Bottons Buch über glückbringende Bauten (Auszug "The Architecture of Happiness").
Weitere Artikel: Simon Winders Buch über 007 (Auszug "The Man Who Saved Britain") nennt Isaac Chotiner achtungsvoll "geopolitische Kunstkritik". Edward Lewine findet John Grishams Tatsachenbericht "The Innocent Man" über einen authentischen Mordfall und Justizirrtum lange nicht so packend wie Capotes "Kaltblütig". Rachel Donadio porträtiert die einflussreiche Literaturwissenschaftlerin und Lyrikkennerin Helen Vendler. Joel Brouwer empfiehlt neue Gedichte von Frederick Seidel, Erin Belieu u. a. Und Jim Holt blättert vergnügt in Alain de Bottons Buch über glückbringende Bauten (Auszug "The Architecture of Happiness").