Magazinrundschau - Archiv

Le Figaro

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Magazinrundschau vom 11.11.2014 - Figaro

Aus Anlass des Todes von Abdelwahab Meddeb bringt der Figaro noch einmal ein Interview von 2004, in dem der tunesisch-französische Autor über die Beziehungen zwischen Islam und Judentum spricht. Seine Haupthese: Beide Religionen hätten die gleiche Genese. "Der Islam kennt nicht wie das Christentum bei Überschreitung des Gesetzes die Ära der Gnade, sondern hat exakt die gleiche Perspektive wie das Judentum. Es gibt im Islam einen Prozess der theologischen Wiederherstellung des Ursprungs. Dieser begründet jedoch keine strukturelle Gewalt. Die Gewalt ist virtuell und manifestiert sich je nach politischer Konjunktur."

Magazinrundschau vom 13.11.2012 - Figaro

Der französische Roman leidet an "Germanopratinismus", kritisiert Jean-Francois Colosimo, Präsident des Centre national du Livre und benutzt damit eine in Frankreichgern gebrauchte Schmähvokabel für die rive gauche der Seine. "Der französische Roman bleibt allzu oft selbstbezüglich und im Ausland Expertenkreisen vorbehalten. Kann man sich an die ganze Welt wenden, wenn man nur über sein Dorf spricht - und sei es Saint-Germain-des-Prés?" Der international bekannteste französische Schriftsteller sei zweifellos Michel Houllebecq. "Er wird als Autor ebenso geschätzt wie als Denker. In ihm lebt die Orakel-Funktion fort, die man einst Sartre oder Camus zuschrieb und die man immer noch von Frankreich erwartet."
Stichwörter: Gauche

Magazinrundschau vom 17.08.2010 - Figaro

Frankreich wartet auf den Bücherherbst und vor allem auf eine Neuerscheinung, die der Verlag - Flammarion - trotz des großen Namens ihres Autors nicht ankündigte. Den Redaktionen wurden die Fahnen erst jetzt statt wie gewöhnlich Mitte Juni zugeschickt und das Buch wird auch erst am 8. September, drei Wochen nach Auslieferung des Herbstprogramms der anderen Verlage, in die Läden kommen: Diese verdächtig nach Hype-Produktion riechende Taktik gilt dem neuen Buch von Michel Houellebecq mit dem Titel "La Carte et le Territoire". Dominique Guiou schreibt: "Hier und da tauchen bereits ein paar Echos auf. Eine Art Appetithäppchen, in Erwartung der Houellebecq-Welle... Denn seit dem Erfolg seines ersten Romans 'Ausweitung der Kampfzone' 1994, hat Michel Houellebecq polarisiert. Man vergöttert ihn, oder man kann ihn nicht ausstehen. Manchmal aus denselben Gründen."
Stichwörter: Houellebecq, Michel, Hypes

Magazinrundschau vom 23.03.2010 - Figaro

Der Rechtsanwalt Emmanuel Pierrat hat ein Buch über die Erben künstlerischer Nachlässe und deren Umgang damit geschrieben ("Familles je vous hais!"), in dem er auf einige problematische Fälle von James Joyce über Picasso bis Saint Exupery eingeht. Das zentrale Problem mit vielen der "falschen Witwen, unwürdigen Söhnen und gefräßigen Gigolos" sei, dass die Erben beim Tod eines bekannten Künstlers auf einen Schlag zum "Zensor und Raffzahn" würden. Im Interview sagt er: "Selbst die brillantesten Geister denken zweifellos nicht daran, dass sich nach ihrem Tode ihre Nachkommen eines Tages entzweien und bekriegen werden, dass sie die Zitrone auspressen, dass sie akribisch auswählen, was sie herausrücken, um das Werk zu glätten und ein perfektes Bild zu schaffen. Um das Interesse an dem verstorbenen Autor wachzuhalten, publizieren viele dieser Erben, die sich in einem Wettlauf mit der Zeit befinden, bisher Unveröffentlichtes. Das ist heutzutage eine regelrechte Industrie."
Stichwörter: Joyce, James

Magazinrundschau vom 09.02.2010 - Figaro

"Der verhassteste Dandy Frankreichs" überschreibt Renaud Girard sein Porträt des Philosophen und Publizisten Bernard-Henri Levy, von dem kommende Woche bei Grasset zwei neue Bücher erscheinen: "Pieces d'identite", ein Sammelband mit Texten und Einlassungen von 2005 bis heute, in denen es unter anderem um Nicolas Sarkozy, Barack Obama und Mahmoud Ahmadinejad geht, und "De la guerre en philosophie" über den Kampf philosophischer Konzepte. Aber warum hat einer von Frankreichs prominentesten und stimmstärksten Intellektuellen so viele Verächter und Kritiker? "Wagen wir eine Erklärung", schreibt Renaud. "In diesem vernunft- und standesbetonten Land, das Frankreich nun einmal ist, hat BHL den Makel, sich in keine Schublade zu fügen. Er betreibt Philosophie, ohne Professor zu sein, Politik, ohne gewählt zu sein, Diplomatie, ohne dem Corps anzugehören, und schreibt Reportagen, ohne Journalist zu sein. Schlimmer noch, er scheut nicht davor zurück, die Genres zu vermischen, und bringt alles durcheinander. Er bricht nicht nur in Felder ein, die nicht seine sind, sondern hält sich auch niemals an allgemeingültige Regeln."

In der aktuellen Ausgabe des L'Express ist außerdem ein Interview mit BHL über seine jüngsten Publikationen zu lesen. Darin äußert er sich auch zum aktuellen Burka-Streit in Frankreich, deren Verbot er behjaht: "Es ist ein Schwindel, uns diese Angelegenheit als religiöses Problem zu präsentieren. Die Burka ist eine politische Provokation und muss deshalb auch politisch behandelt werden."

Magazinrundschau vom 16.06.2009 - Figaro

Fast 15 Jahre nach Erscheinen der letzten Folge hat sich die französische Schriftstellerin Anne Golon im Alter von 88 Jahren vor allem auf Druck ihrer Fans in Nordamerika dazu entschlossen, ihre sagenhaft erfolgreiche historische Romanserie um ihre Heldin Angelique noch einmal komplett neu herauszugeben. Fünf Folgen sind überarbeitet und vor allem vollständig, da ihre Lektoren die Romane stark gekürzt hatten, in einem eigens dafür in der Schweiz gegründeten Verlag bereits erscheinen. Überdies sitzt Golon an einem neuen vierzehnten Band. In einem Porträt schreibt Francois Riviere über das Phänomen: "Leserinnen aus Minnesota bekennen, diese Bücher hätten ihnen das Frankreich des 17. Jahrhunderts eröffnet, andere beichten ihre Gefühle gegenüber dem unwiderstehlichen Peyrac... Im Lauf der Jahre und dreizehn Folgen (...) wird sich nun der Ruhm eines ungewöhnlichen literarischen Projekts vollenden, in dem sich häufig hektische Handlung, absolute historische Genauigkeit und sehr zeitgenössische Fragen mit einer frappierenden Leichtigkeit verbinden." (Hier ein Interview mit der Autorin von 2008 auf Youtube.)

Magazinrundschau vom 07.04.2009 - Figaro

Einige wichtige Cioran-Neuerscheinungen haben den Figaro litteraire zu einem schönen Dossier inspiriert. Es erscheinen vor allem erstmals vollständig auf französisch Ciorans legendenumwobene Jugendschriften aus Rumänien, vor allem die "Verwandlung Rumäniens", in der es einige antisemitische und profaschistische Passagen gibt. Sebastien Lapaque beschreibt das Buch (Auszug) als das "hitzige Bekenntnis eines jungen Verzweifelten, der von Oswald Spenglers 'Untergang des Abendlands' geprägt ist... Die ' Verwandlung Rumäniens' ist das Buch aller Versuchungen: Versuchung des Faschismus, des Anarchismus, des Nihilismus, des Kollektivismus und der Verzweiflung." Mit diesen Versuchungen, so Lapaque, hatte Cioran aber lange vor Kriegsende schon gebrochen.

Zum Dossier gehört ein schönes Gespräch mit dem Cioran-Verehrer Alain Finkielkraut, der beschreibt, wie Cioran in der folgenden Trauerarbeit mit jeder Vorstellung von Zwangsläufigkeit in der Geschichte bricht: "Er kommt in seinen Tagebüchern auf diese Illusion zurück. 'Bitte verlangen Sie nicht von mir, an den Sinn der Geschichte und die Zukunft der Menschheit zu glauben. Der Mensch stolpert von Problem zu Problem, bis er dran krepiert.' Sein ganzes Werk ist eine kritische Meditation über den Rausch seiner Ursprünge."

Magazinrundschau vom 31.03.2009 - Figaro

"Sinnentleerte Supermärkte" seien aus Museen geworden, wettert der Philosoph und ehemalige französische Minister für Jugend, Bildung und Wissenschaft Luc Ferry in einem kurzen Interview anlässlich des Erscheinens seines Essays "Homo aestheticus" (LGF). Die Vermassung der Museen sei eine Form "höchster Verdummung der Konsumgesellschaft", die nicht mal merke, dass sie sich in einem tiefen Paradox befinde: das absolut Subversive sei zum populären Einheitsbrei geworden. "Wenn man im Musee du quai Branly einer Schulklasse oder einer Busladung Touristen folgt, hört man vor einer Maske der Dogon Bemerkungen wie: 'Das hätte ich aber nicht gern im Wohnzimmer hängen', und religiöse Symbole werden für Kunstwerke gehalten, weil wir deren Bedeutung verloren haben. Das ist nicht besonders erfreulich."

Magazinrundschau vom 21.10.2008 - Figaro

In einem Interview spricht der Mittelalterexperte Jacques Le Goff über die "Rätsel", welche die Geschichte unaufhörlich aufgibt, und die Beharrlichkeit, mit der sich Legenden und falsche Behauptungen in der Historiker-Zunft halten. So werde das Bild vom barbarischen Mittelalter keineswegs nur von Ungebildeten immer wieder aufgewärmt, sondern auch von "gelehrten Leuten wie kürzlich wieder Alain Minc oder Jacques Attali. (...) Interessanterweise reichert man eher Persönlichkeiten mit Geheimnissen an, die man gut kennt - zum Beispiel im Fall von Napoleon, von dem man sicher weiß, dass er 1821 an Krebs gestorben ist und keineswegs mit Arsen vergiftet wurde, wie manche behauptet haben -, als solche, deren Biografie verschwommen ist. Vielleicht deshalb, weil einen bei den Personen, die uns faszinieren, die Realität nicht befriedigt, sobald sie einmal erwiesen ist. Man zieht es vor, sich weiter etwas auszudenken..."

Magazinrundschau vom 09.09.2008 - Figaro

Ghislein de Diesbach bespricht ein Buch des Autors und Rechtsprofessors Frederic Rouvillois, der neben zahlreichen juristischen und politischen Büchern 2006 bereits eine Kulturgeschichte der Höflichkeit verfasste, und nun eine "Geschichte des Snobismus" vorlegt. Augenmerk richtet der Autor dabei auch auf den Anti-Snobismus, der im Allgemeinen noch schlimmer ausfallen könnte als der Snobismus, gegen den er sich richtet. Interessant ist Rouvillois' Unterscheidung von Snob und Dandy, die landläufig gern miteinander gleichgesetzt würden, die man aber nicht verwechseln sollte: "Der Dandy passt Gruppe und Gesellschaft gerne seiner Person an, während der Snob seine tatsächliche Persönlichkeit, seine wahren Wünsche und Geschmäcker ohne Bedauern der Gruppe opfert, der anzugehören er erträumt. Kurz gesagt, auch wenn beide ihrem Erscheinungsbild die gleiche Bedeutung beimessen, strebt der Dandy danach, vor anderen in Erscheinung zu treten, dem Snob dagegen geht es nur darum, überhaupt in Erscheinung zu treten."
Stichwörter: Dandy, Höflichkeit