Magazinrundschau - Archiv

Aktuálně

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Magazinrundschau vom 05.03.2024 - Aktualne

Anlässlich des 200. Geburtstags des tschechischen Komponisten Bedřich Smetana unterhält sich Petr Kořínek mit dem Musikwissenschaftler und Pilsner Operndramaturgen Vojtěch Frank über den Menschen Smetana hinter dem Mythos des Nationalkomponisten, dem vor allem mit seinen Werken "Mein Vaterland" und "Die Moldau" immer das typisch Tschechische anhaftete und der nie ganz dieselbe internationale Reichweite erlangte wie Dvořák. Dabei sei Smetanas Schaffen von Anfang an auch von Franz Liszt beeinflusst gewesen, und in Werken wie der symphonischen Dichtung "Hakon Jarl" oder dem Klavierwerk "Am Seegestade" zeigten sich nach seinen in Schweden verbrachten Jahren auch nordische Einflüsse, so Vojtěch Frank. Zwar in tschechischer Familie aufgewachsen, war Smetanas Erziehung in der K.-u.K.-Monarchie deutschsprachig gewesen, sodass er sein Tschechisch erst später perfektioniert habe. Vor allem im Revolutionsjahr 1848 habe er sich dann mit den Gedanken der tschechischen Emanzipationsbewegung identifiziert. Musikalisch habe er Liszts' damals sehr progressiven, modernen Stil auf tschechische Inhalte angewandt. "Wenn wir von dem 'typisch Tschechischen' in Smetanas Musik sprechen", so Frank, "ist dabei interessant, dass er eigentlich nie in irgendeinen banalen Patriotismus abrutschte. (…) Zwar gehen seine Melodien oft von der traditionellen Volksmusik aus, bleiben aber nicht bei einer schlichten Aneignung, sondern transportieren sie auf kunstvolle Weise auf eine höhere Ebene." Nie sei er in Kitsch und Pathos abgeglitten. Wer über die bekannten Orchesterwerke und Opern hinaus etwas von Smetana kennenlernen will, dem legt Vojtěch Frank vor allem Smetanas Kammermusik - seine Streichquartette und das Klaviertrio - ans Herz.

Magazinrundschau vom 17.10.2023 - Aktualne

Es gibt sie doch, die russischen Intellektuellen, die sich zu Wort melden. Anlässlich der Konferenz "Women in War" der Václav-Havel-Bibliothek warb die international ausgezeichnete russische Autorin und Filmemacherin mit tatarischen Wurzeln Gusel Jachina in Prag für die Aufrechterhaltung des Dialogs, wie Aktuálně.cz berichtet. "Der Dialog ist nötig und es gibt einen großen Bedarf", sagt Jachina. "Als ich zum ersten Mal 1995 nach Europa reiste, fragten mich französische Studenten ernsthaft, ob in Moskau wilde Bären lebten. Es kann nicht sein, dass wir so wenig voneinander wissen. Gegenwärtig lässt sich von Europa aus nicht nach Russland hineinsehen, und umgekehrt. Das ist der Nährboden für neue Stereotypen." Die Schriftstellerin, die wechselnd in Moskau und Almaty lebt, verurteilte letztes Jahr gleich zu Beginn öffentlich die russische Invasion in die Ukraine. "Es ist zu früh, heute von Versöhnung zu reden, solange der Konflikt noch andauert, aber für die Kunst ist es nicht zu früh. Die Kunst hat in Kriegszeiten noch mehr Aufgaben als in Friedenszeiten. Außer mit der Verarbeitung aktueller Traumata muss sie sich auch der Frage widmen, was morgen ist", glaubt Jachina. Nach dem russischen Angriff im Februar 2022 habe sie zunächst nicht arbeiten können, das Schreiben habe für sie jeden Sinn verloren. Erst später habe sie begriffen, dass es heute wichtiger denn je sei, den Spuren des Totalitarismus zu folgen. Dass das Gedenken an Josef Stalin in ihrem Land heute freundlicher ausfällt als früher, versucht Jachina sich durch den "Wunsch nach einem Leben in einem großen, respektierten Land und nach sozialer Gerechtigkeit" zu erklären. "Mein Verhältnis zu Stalin ist in meinen Büchern sehr klar. Auch auf einer legislativen Ebene muss er als Verbrecher bezeichnet werden. In den Neunzigerjahren war es ein Fehler, dass die Destalinisierung nicht auf politischer Ebene, sondern nur in der Kunst erfolgte."

Magazinrundschau vom 04.07.2023 - Aktualne

Im Interview mit Dominika Perlínová erklärt sich die amerikanische Historikerin Marci Shore die Passivität der russischen Bevölkerung angesichts des Krieges  mit einem Nihilismus, der sich aus dem Gefühl der Machtlosigkeit speise: "In philosophischer Hinsicht ist es interessant, dass sich die de facto von Russland kolonisierten Ukrainer ihrer Macht bewusst geworden sind, die Russen, die sie kolonialisiert haben, hingegen nicht. Warum verstehen sie sich als passiv und sind folglich nicht imstande, für irgendetwas Verantwortung zu übernehmen? Es wird oft davon gesprochen, dass Putin hervorragend die Demobilisierung der Bevölkerung betrieben habe. Dass die Russen also nicht mit Begeisterung in den Krieg ziehen, aber schlicht das Gefühl haben, allem, was dieser Mensch im Kreml tut, zu folgen.' Auf eine andere Weise begegnet Marci Shore dieser Ohnmacht unter den emigrierten russischen Kriegsgegnern, die besonders verzweifelt seien: "Sie haben das Gefühl, versagt zu haben und dass ihr Versagen unverzeihlich und nicht wiedergutzumachen ist. Es ist ihnen nicht gelungen, das eigene Volk anzusprechen. Das Gefühl der Unfähigkeit und Hoffnungslosigkeit durchdringt die russische Geschichte der letzten zweihundert Jahre. Zwischen der Intelligenzja und den einfachen Menschen besteht überall auf der Welt eine große Kluft, aber in Russland ist sie besonders groß."

Magazinrundschau vom 09.05.2023 - Aktualne

Mit dem Tod der tschechischen Mezzosopranistin Soňa Červená (1925-1923) ist eine große Dame der Opernmusik gegangen, darin sind sich alle Feuilletonisten einig. Die sogenannte "tschechische Carmen" (ihre häufigste Rolle) war 1962 nach Westdeutschland emigriert, sang unter Dirigenten von Kubelík bis Karajan, war mit Callas und Pavarotti befreundet und trat noch in hohem Alter als Sängerin und Schauspielerin auf. "Das Schicksal dieser herausragenden internationalen Sängerin und Schauspielerin bildet für uns das Schicksal der tschechischen Kultur ab, deren Talente so oft im Ausland zur Geltung kamen, weil sie zu Hause nicht genug Freiheit hatten", erklärte Jan Burian, Direktor des Prager Nationaltheaters, in dem Červená erst nach der Samtenen Revolution wieder auftrat, unter anderem unter der Regie von Robert Wilson. "Soňa Červená ist für uns eine Mahnung, wie wichtig es ist, nicht nur das Talent zu besitzen, sondern auch die offene Gesellschaft, in der sie glücklich sein konnte."

Hier singt sie die "Aria i mort de Pirene" aus Manuel de Fallas Oper "Atlantida":

Magazinrundschau vom 21.02.2023 - Aktualne

Tomáš Maca führt ein spannendes Gespräch mit dem Psychiater und Neurowissenschaftler Jiří Horáček, der die menschliche Anfälligkeit für Verschwörungstheorien erforscht. "Der menschliche Geist ist von der sogenannten prädiktiven Kodierung geprägt", so Horáček. "Wir registrieren die Realität um uns nicht so, dass wir sie im Geiste fotografieren, sondern so, dass wir darüber Mutmaßungen anstellen, wie sie in Zukunft aussehen wird, und anschließend überprüfen wir unsere Vorstellungen. Wir vergleichen sie mit dem, was kommt, und falls unsere Vorhersagen nicht zutreffen, müssen wir sie aktualisieren. (…) Es handelt sich um einen uralten Anpassungsmechanismus, den wir von unseren biologischen Vorfahren geerbt haben und der sich nicht unterbinden lässt. Er generiert immer wieder neue Vorhersagen, doch in Zeiten der Unsicherheit, wie wir sie etwa während der Pandemie erlebt haben, passt keine von ihnen." In diese Lücken stoßen dann die vermeintlichen Sicherheiten der Verschwörungstheorien. Hinzu komme die Funktion des Hormons Oxytocin, das für menschliche Bindungen verantwortlich ist und "uns nicht nur in unangenehmen Situationen zu Gruppen zusammenschließt, sondern auch unser kollektives Verhalten synchronisiert". Die durch entsprechende Algorithmen verengten Echokammern der sozialen Medien, in denen der Nutzer nur seine eigene Stimme hört, verstärkten diese Wirkung. Was ursprünglich eine wichtige Überlebensfunktion war, wendet sich in einer global vernetzten Welt gegen uns. Es zeige sich, dass weder Bildung noch Intelligenz dagegen schützten. Gibt es dann überhaupt eine Lösung? Laut Horáček ja: "Als effektive Strategie erweist sich das sogenannte Prebunking, also eine vorausgehende Warnung und Impfung gegen Desinformation. Es geht von der Annahme aus, dass wir, wenn wir die Wirkung von Falschnachrichten vermindern wollen, eine Präventivstrategie entwickeln sollten, die auf denselben Prinzipien beruht, die die Desinformatoren verwenden. Es funktioniert ähnlich wie bei der Impfung gegen eine Infektion, bei der der Patient einen Wirkstoff derselben Infektion, nur in abgeschwächter Form erhält."

Magazinrundschau vom 11.10.2022 - Aktualne

Anlässlich einer Ausstellung in der Millenium-Galerie in Prag erinnert Ivan Adamovič an den tschechischen Künstler, Schriftsteller, Diplomaten und Reisenden Adolf Hoffmeister (1902-1973). Hoffmeister sei eine wahre Renaissance-Persönlichkeit gewesen. Schon das Haus, in dem er fast sechzig Jahre lebte, war einzigartig: das kubistische Prager Gebäude Diamant des Architekten Emil Králíček. 1920 war Hoffmeister Mitbegründer der Künstlergruppe Devětsil, lernte unter anderem die Kafka und Majakowski kennen, später Man Ray, Chesterton, Shaw, Joyce. Heute ist Hoffmeister in Tschechien vor allem für seine Porträts und Karikaturen bekannt (hier eine Auswahl). Karikaturen, so Adamovič, seien damals die Antwort der Künstler auf die zunehmende Technisierung gewesen. "Im Zeitalter der Maschinen schien es, dass auch die Kunst vereinfacht werden musste, wenn sie nicht spießbürgerlich wirken wollte. Die ganze klassische Malerei schien den jungen Künstlern veraltet - der Bilderrahmen wurde zum Gefängnis der Imagination. Und Zeitungen - ein ohne Maschinen undenkbares Medium - konnten die aus wenigen markanten Strichen bestehenden Zeichnungen besser abbilden." Hoffmeister engagierte sich politisch als Linksintellektueller und schrieb das Libretto der Kinderoper "Brundibár", die durch ihre Aufführung durch jüdische Kinder im KZ Theresienstadt traurige Berühmtheit erlangte. Nach dem Einmarsch der Deutschen floh er nach Paris, wo er zusammen mit anderen tschechischen Intellektuellen verhaftet wurde, die der Spionage für Moskau verdächtigt wurden, dann über Afrika, Kuba weiter in die USA. Nach dem Krieg war er unter anderem als Diplomat für die kommunistische Regierung tätig, in der Zeit der politischen Prozesse verlor er jedoch seine Ämter, reiste aber weiter durch die Welt. Nachdem sich seine Hoffnungen des Prager Frühlings zerschlagen und die kommunistische "Normalisierung" eingesetzt hatte, zog sich der Vielgereiste, der Mann, der den ersten tschechischen Staatspräsidenten Masaryk mit einer einzigen Linie zu zeichnen verstand, in die innere Emigration zurück.

Magazinrundschau vom 26.04.2022 - Aktualne

Ende April erscheint in Tschechien der neue Roman "Bílá voda (Weißwasser)" der Schriftstellerin Kateřina Tučková, der sich wieder einem interessanten historischen Kapitel widmet: Bíla voda ist ein Kloster in einem kleinen Dorf an der polnischen Grenze, in dem die Kommunisten Anfang der Fünfzigerjahre Hunderte von Ordensschwestern internierten. Im Gespräch mit Tomáš Maca berichtet die Autorin von ihren Recherchen: "Von solchen Internierungsklostern gab es in der totalitären Tschechoslowakei mehrere; insgesamt über siebentausend tschechischer und viertausend slowakischer Nonnen waren in ihnen untergebracht. Die meisten befanden sich in den Sudetengebieten, die nach dem Krieg verwaist waren, sodass man die Nonnen dort fernab von den Blicken der Menschen wegsperren konnte." Das Dorf Weißwasser habe wegen der damaligen Undurchlässigkeit der Grenzen buchstäblich am Ende der Welt gelegen, es führte nur ein einziger Weg dorthin, und es gab nur das Kloster, eine psychiatrische Anstalt und wenige bewohnte Häuser. "Wenn die Nonnen das Dorf verlassen wollten, mussten sie eine Erlaubnis einholen. Der Passierschein wurde ihnen von den Zuständigen meist nur für einen halben Tag ausgestellt, was bei der Ablegenheit des Ortes für sie nicht viel Sinn hatte." Im Rahmen der Schauprozesse endeten einige der landesweiten Klostervorsteherinnen dann als politische Gefangene. "Neben der Beseitigung der ältesten Ordensschwestern hat mich aber vor allem die Art erschüttert, wie die Kommunisten mit den jüngsten Nonnen umgingen (…) Es wurden Männer dafür bezahlt, sie zu verführen und zu schwängern, sodass sie nicht mehr in ihre Orden zurückkehren konnten. Im besten Fall sollten sie sie verliebt machen, aber natürlich ist auch von Vergewaltigungen die Rede." Und noch ein weiteres interessantes Kapitel hat Tučková in ihrem Roman verarbeitet: "In der Untergrundkirche Koinótés, die Bischof Felix Davídek in Opposition zur offiziellen Struktur der tschechoslowakischen katholischen Kirche gegründet hatte, wurden nach den vorhandenen Quellen sechs Frauen zu Priesterinnen geweiht." Es sei eine Möglichkeit für die internierten Nonnen gewesen, ihren Glauben weiter zu praktizieren, nachdem die Kommunisten ihnen die männlichen Priester entzogen hatten. Namentlich bekannt sei jedoch nur Ludmila Javorová, weil die andern Priesterinnen anonym bleiben wollten.

Magazinrundschau vom 26.10.2021 - Aktualne

Der Lyriker, Übersetzer und Essayist Miloslav Topinka hat soeben den tschechischen Staatspreis für Literatur erhalten, und Daniel Konrád versucht diesem Dichter auf die Spur zu kommen, der eigentlich viele Lebensabenteuer zu verzeichnen hätte: Topinka hat als junger Student "die Wüste durchquert, mit Einsiedlern und Grabräubern gesprochen. Er ist den Kilimandscharo hinaufgestiegen. Er sah die brennende Savanne. Und fast wäre er von kongolesischen Soldaten umgebracht worden, von denen einer ihm mit dem Gewehrkolben einen Zahn ausschlug. Und dennoch finden wir in Topinkas lyrischem Werk (…) nicht die Andeutung von Abenteurertum." Aus seiner neunmonatigen Afrikaexpedition im Jahr 1968 schöpfe er nicht, "was er gesehen, sondern im Innern erlebt hatte." Sie habe sein Schreiben allenfalls als Initialerlebnis beeinflusst, für die jahrzehntelange Suche nach etwas schwer Benennbarem. Denn für Topinka sei Poesie dafür da, "Empfindsamkeit für Dinge zu erzeugen, die der Mensch nicht mit den Sinnen wahrnimmt." Auch seine lange Beschäftigung mit Astrophysik schärfte den Blick für das "andere Sehen": "Ein Molekül des Blatt Papiers, das ich in der Hand halte, ist ein Überrest der Photosynthese, die sich in einem Baum vollzogen hat. In unserem Körper befinden sich Atome, die bei der Explosion einer Supernova entstanden sind. Der Kern des Sauerstoffs in der Luft, die wir atmen, ist Überbleibsel einer thermonuklearen Verbrennung, die sich vor einigen Milliarden Jahren in einem Stern ereignet hat", wie der Dichter selbst erklärt. Weshalb der Mensch "buchstäblich aus Sternenstaub entstanden" sei.

Magazinrundschau vom 01.06.2021 - Aktualne

Martin Fendrych bescheinigt seinen tschechischen Landsleuten, eine "hedonistische Gesellschaft" zu sein. Es habe immer geheißen, nach Covid werde nichts mehr so sein wie vorher, aber davon sei nichts zu bemerken. "Wir lockern wie die Wilden." Seit Montag darf man wieder sein Bier in der Kneipe trinken, "dem Tempel des Tschechentums". Der Überdruss an all den Einschränkungen ist logisch und verständlich, aber auch wieder typisch, meint Fendrych: "Wir sind Tschechen, das Nicht-an-Regeln-halten ist für uns ein wesentliches und eisern eingehaltenes Menschenrecht." Die Mundschutzmasken hängen unter der Nase, unter dem Kinn oder lässig am Arm, der Ansturm auf die Baumärkte habe etwas von der muslimischen Haddsch in Mekka, die Leute gäben sich wieder die Hand und drängten sich unbekümmert zusammen. "Eigentlich ein Wunder, dass die Ansteckungszahlen weiter sinken, als sei auch das Virus inzwischen der Situation überdrüssig. Oder lockt es uns in eine Falle und bereitet schon die nächste Welle vor?" Fendrych fragt sich auch, ob die tschechische Lässigkeit etwas damit zu tun habe, dass das Land eines der säkulärsten, unchristlichsten der westlichen Welt sei. "Nicht, dass Christen unbedingt die besseren Menschen wären, das nicht", aber ab und zu höre man doch einmal in der Kirche oder im Bibelkreis, dass man seinen Nächsten lieben solle wie sich selbst. (Das geht natürlich auch ganz ohne Bibel)
Stichwörter: Tschechien

Magazinrundschau vom 26.01.2021 - Aktualne

Jan Blažek vom Projekt Paměť národa (Gedächtnis der Nation, mehr Infos bei Wikipedia) erinnert in einem Artikel an die erste Welle der Vertreibung der Sudetendeutschen vor 75 Jahren. "Während die ersten Monate nach dem Zweiten Weltkrieg als 'wilde Vertreibung' der Deutschen aus dem tschechoslowakischen Grenzgebiet in die Geschichte eingingen, gilt die zweite Phase ihrer Abschiebung dann als 'geordneter' Transfer. Was nicht bedeutet, dass diese Vorgänge ohne menschliches Leid vonstatten gegangen wären, sie verursachten Wunden, die bis heute nicht geheilt sind." Und Blažek zitiert aus zahlreichen persönlichen Berichten von Zeitzeugen, darunter etwa die heute 92-jährige Margarete Koppe aus Opava (Troppau), die sich erinnert: "Erst einmal mussten wir eine weiße Binde mit einem schwarzen N darauf tragen. [N für Němec = Deutscher]. Manche trugen auch so etwas auf der Brust. Man durfte nicht auf dem Gehweg gehen, nur auf der Straße. So war die Anordnung, auch wenn sich nicht jeder daran gehalten hat." Die diskriminierenden Maßnahmen gegen die Deutschen, so Blažek, hätten zwar von Region zu Region variiert, doch viele der Verbote, Befehle und Einschränkungen hätten paradoxerweise, wenn auch nicht zufällig, an die antijüdischen Maßnahmen der Nationalsozialisten erinnert. Die Webseite von Paměť národa ist übrigens zugleich ein Oral-History-Archiv und enthält viele persönliche Erinnerungen und Videos von Zeitzeugen.