
In einem
Band für die Ewigkeit trägt
Osteuropa die grundlegenden Texte und Dokumente zum Ausbruch des Ukraine-Krieges zusammen. Die Völkerrechtlerin
Angelika Nussberger nimmt zum Beispiel Wladimir Putins Kriegserklärung auseinander, die die Ukraine trifft, aber immer auch auf die USA ziele. Krude wird in ihren Augen Putins Argumentation, wenn er den
Kosovo-Krieg zur Legitimation heranziehe, mit dem die Nato einerseits Völkerrecht gebrochen habe. Anderseits dient ihm die Abspaltung des Kosovo als Vorbild für die Separatistengebiete: "Eine derartige Argumentation funktioniert aber im Völkerrecht nicht, denn für Rechtswandel sind Praxis (
consuetudo) und Rechtsüberzeugung (
opinio iuris) erforderlich. Kritisiert man eine Handlung als mit nichts zu rechtfertigenden
Bruch des Völkerrechts, kann man nicht gleichzeitig die Auffassung vertreten, dies sei
ein neues Recht, an das man sich halten wolle. Vielmehr muss man dann akzeptieren, dass schon die vorausgehende - kritisierte - Handlung Ausdruck einer neuen, von allen geteilten Rechtsauffassung sei, bei der sich aus bestimmten Voraussetzungen bestimmte Rechtsfolgen ergeben. Bildlich lässt sich die Haltung mit der idiomatischen Redewendung im Englischen beschreiben 'You cannot have your cake and eat it.' Kritik an einem Rechtsbruch und
opinio iuris, es handele sich um geltendes Recht, sind miteinander unvereinbar, ganz abgesehen davon, dass es beim Gewaltverbot wie auch beim
Annexionsverbot um zwingendes und damit überhaupt nicht zur Disposition stehendes Völkerrecht geht. In Wirklichkeit scheint Putin hier von der Maxime
tu quoque geleitet zu sein. Er folgert aus den angeblichen - oder auch tatsächlichen - Rechtsbrüchen der anderen seinerseits das Recht zu Rechtsbrüchen, fordert eine
Gleichbehandlung im Unrecht, dies aber ohne anzuerkennen, selbst unrechtmäßig zu handeln."