Spätaffäre

Die einzige Identität

Vorschläge zum Hören, Sehen, Lesen. Wochentags um 17 Uhr
10.02.2014. Zum Lesen: Wie schwer es ist, den Islam zu verlassen. Zum Hören: ein Horrorklassiker mit grausigem Telefonton. Zum Sehen: ein langes Interview mit Jehane Noujaim, deren gefeierter Dokumentarfilm "The Square" über den Tahrir-Platz heute im Forum der Berlinale läuft.

Für Sinn und Verstand

Dina Mohammad (Pseudonym) erzählt im New Humanist, warum es ihr so schwer fiel, den Islam zu verlassen, nachdem sie den Glauben verloren hatte: "Ich gehörte nicht zur Kultur meiner Eltern, und ich schien nicht in das Mainstream-Amerika zu passen. Aber zum Islam schien ich ganz und gar zu gehören. Min zunehmenden Alter fand ich meine Stimme, ich lernte den muslimischen Feminismus kennen, der gegen Frauenfeindlichkeit im Islam kämpft. Eine gläubige Muslimin in Amerika zu sein, war vor allem nach dem 11. September die einzige Identität, die ich kannte, auch wenn Meditation und Gebet nie wichtig für mich waren. Bei der Vorstellung, diese Identität aufzugeben, fühlte ich mich nackt und verloren. Ich wusste nicht, wer ich ohne diese Identität sein würde."

In The New Republic stellt Jonathan Galassi Lucy Hughes-Halletts Biografie des italienischen Dichters Gabriele D'Annunzio vor. Im großen und ganzen, meint er, schließt sie sich dem Urteil von Henry James an, der 1902 schrieb, dass "D'Annunzios Forderung nach 'Schönheit um jeden Preis, Schönheit, die den Verstand und die Sinne gleichermaßen anspricht" geschmacklos und enervierend sei - wie so viele mediterane Produkte: 'eine sonderbare, geschmacksintensive Frucht aus Übersee ... nicht wirklich zu uns passend.' ... D'Annunzio predigte in seiner Literatur, was er lebte. Wie James an anderer Stelle beobachtete: 'Obwohl sein Werk nichts als literarisch ist, kann man nie erkennen, wo die Literatur oder das Leben beginnen oder enden.' Er benutzte häufig Briefe an seine Geliebten mit detaillierten Beschreibungen ihrer intimen Begegnungen als Erinnerungshilfe für die Komposition seiner Liebesszenen: 'Pentella [sein Kosename für die Vagina einer Geliebten] war nie so weich und heiß und samten wie während der vier Orgasmen vor dem Mittagessen Samstags', schrieb er einer seiner wechselnden Partnerinnen in seinen späten Jahren."

Für die Ohren

Das Hörspielangebot des WDR bleibt auch weiterhin gruselig: Zu hören gibt es nun eine ins Schwäbische verlegte Variante des britischen Horrorklassikers "The Wicker Man" mit gewissen Lovecraft-Anleihen. Bodo Trabers "Das Kreuz auf dem Erlenberg" kann man sich hier herunterladen, es dauert 54 Minuten und beginnt mit einem gemeinen Telefonton.

In einem 56-minütigen Feature befasst sich der Bayerische Rundfunk mit "Umweltzerstörung und Staatswillkür" rund um die Olympischen Spiele in Sotschi. Hier zum Nachhören.
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Für die Augen

Ondi Timoner betreibt im LipTV auf Youtube eine regelmäßige Gesprächssendung mit Dokumentarfilmern. Vor zehn Tagen hat sie hier ein langes Gespräch (etwa 50 Minuten) mit der Dokumentarfilmerin Jehane Noujaim veröffentlicht, in dem sie Ausschnitte über frühere Filme (etwa über den Start-up-Hype im Jahr 2000) und natürlich über ihren Film "The Square", eine Dokumentation über die Proteste in Ägypten, der heute Abend im Forum läuft - hier alle Informationen und Termine.



Noch in der Mediathek von Arte: Daniel Harrichs Reportage über eine aus der Kontrolle geratende Waffenexporte - besonders aus Deutschland (89 Minuten).
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Stichwörter: Waffenexporte, Hypes, Mediatheken