Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
19.01.2004. In dieser Woche: Warum  die Frankfurter Buchmesse kein Publikumsfestival mehr sein soll.  Wie die Süddeutsche Zeitung mit Büchern Geld verdienen will. Und warum so wenig kleine Verlage in die großen Literaturbeilagen kommen. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Nach der Heyne-Übernahme durch Random House geht der Verteilungskampf beim Taschenbuch in eine neue Runde. Das Börsenblatt prognostiziert in seinem "Thema der Woche", dass "die Marktmacht des neuen Taschenbuchriesen Konkurrenten wie Handelspartner vor allem bei Vertrieb und Marketing zu spüren bekommen werden". Auch beim Poker um lukrative Lizenzen könnte manchem Mitbewerber die Luft ausgehen. Kleinen Buchhändlern dürfte die Ankündigung von Random House, den Nebenmarkt-Vertrieb in die eigene Hand zu nehmen und die Konditionen stärker an den "Leistungen des Buchhändlers" zu orientieren, Sorgen bereiten.

Mit den Goliaths der Branche nimmt es Tanja Graf gern auf, auch in Zeiten der Krise. Die Mitbegründerin des literarischen Schirmer Graf Verlags (sechs Titel im ersten Programm) schreibt in einem "Standpunkt", dass ein Buch sowohl Kunstwerk als auch Industrieprodukt sei und daher mehrdimensionale Betreuung brauche. "In letzter Zeit scheinen kleinere, unabhängige Verlage, die keiner Konzernzentrale Rechenschaft ablegen müssen, für diese Aufgabe besser gerüstet zu sein." Das belege auch die Tatsache, dass sich in den vergangenen Monaten Belletristik mehr denn je aus unabhängigen (Klein-)Verlagen auf den Bestsellerlisten gefunden habe.

Auf dem Markt zurückgemeldet hat sich der auf jüdische Themen spezialisierte Abraham Melzer Verlag, indem er nach jahrzehntelanger Pause eine Frühjahrsvorschau mit fünf Titeln vorlegt. Vorab erschienen war 2003 Ted Honderichs "Nach dem Terror", das letzten Sommer bei Suhrkamp wegen Antisemitismus-Vorwürfen für Wirbel gesorgt hatte (mehr im Perlentaucher-Archiv).

Der Kindler Verlag stoppte die Auslieferung von Nima Zamars "Ich musste auch töten", nachdem massive Zweifel am Wahrheitsgehalt des Buches nicht ausgeräumt werden konnten. Die Autorin beschreibt darin ihre Zeit als Spezialagentin beim israelischen Geheimdienst. (Auf der Kindler-Homepage wird das Buch übrigens weiterhin als "atemberaubendes Dokument" und "Highlight aus dem Winter 2004" gepriesen).

Mehr Markttransparenz soll die monatliche Analyse "Branchen-Monitor Buch" schaffen, die der Börsenverein in Kooperation mit einem Marktforschungsunternehmen erstellt und ab 11. Februar als E-Mail-Newsletter an Interessierte verschickt.

Personalien: Dr. Julia Schade, zurzeit Verlagsleiterin Buch bei Lübbe, wird zum 1. Juli Programmleiterin Unterhaltung / Belletristik bei den S. Fischer Verlagen. Mehr Personalien aus der Buchbranche hier.

Meldungen: Der promovierte Philologe und Menschenrechtsaktivist Rupert Neudeck hält die Laudatio auf den bosnischen Schriftsteller Dzevad Karahasan, der am 28. März mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet wird. Diplomatisch, ohne Zahlen zu nennen, kommentiert Bertelsmann Club-Sprecher Rocco Thiede die Bilanz nach zwei Wochen Bücher-Bestelldienst (siehe Archiv): "Unsere Erwartungen sind übertroffen worden." Nach Amazons umstrittenem "Search inside the Book"-Service hat jetzt auch Google eine Buchinhaltssuche (die im Börsenblatt angegebene Web-Adresse ist allerdings noch eine Baustelle). Das internationale Kinderhilfswerk terre des hommes baut eine eigene Buchreihe in Deutschland auf. K. P. Herbach, Initiator und Leiter des Berliner Buchhändlerkellers, ist im Alter von 59 Jahren an akutem Herzversagen gestorben.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Die Frankfurter Buchmesse wird es so wie in 2003 in diesem Jahr vermutlich nicht mehr geben. Geplant sei, den Messemontag sowie den "langen Freitag" fürs Publikum zu streichen und den Buchverkauf ans Publikum - wenn überhaupt - nur noch in modifizierter Form stattfinden zu lassen, weiß der Buchreport. Verkürzt solle die Messe hauptsächlich aus Rücksicht auf die ausländischen Verlage werden, die auf die hohen Hotel- und Reisekosten in den letzten Jahren mit vorzeitiger Abreise reagiert hätten. Das Vorhaben des Messedirektors Volker Neumann, die Messe zu einem Publikumsevent zu machen, scheint gescheitert. Hier der vollständige Artikel.

Von einer Geschäftsidee, die sich in Italien bewährt und gar für Umsatzrekorde gesorgt hat, will der defizitäre Süddeutsche Verlag profitieren. Nach durchgesickerten Informationen hat die Süddeutsche Zeitung vor, ihren 300.000 Abonnenten ab März 50 Wochen lang einen Roman des 20. Jahrhunderts zu schicken - den ersten kostenlos, die weiteren zu je fünf Euro. Zum Vergleich: Die 50 Klassiker der italienischen Tageszeitung La Repubblica haben sich, nach Recherchen des Buchreports, 36 Millionen Mal verkauft. Nicht annähernd erfolgreich muss die Aktion für die Süddeutsche laufen, um sich Feinde unter den Sortimentern zu machen.

Die Preisbindung ist eine gute Sache - darin sind sich die Verleger und Buchhändler größtenteils einig. Der Kunde jedoch fragt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nach billigeren Alternativen. Diese Marktnotwendigkeiten dürfe die Branche nicht ignorieren, unterstreicht David Wengenroth in seinem Kommentar im Buchreport. Doch er weiß, dass "der schnelle Euro mit Nice Price-Büchern in der Regel nicht zu machen" ist. Die Suche nach preisgünstigeren Formaten fordere von Buchmachern und -händlern Fantasie und Opferbereitschaft.

Noch vier Monate bleiben bis zur Wahl. Am 19. Mai entscheidet sich, wer der neue Börsenvereinsvorsteher wird - der Buchreport mutmaßt, dass "der neue auch der alte" ist: Dieter Schormann. Der halte sich zwar noch bedeckt, hätte vor drei Jahren angekündigt, den Vorstand nur für eine Wahlperiode führen zu wollen, doch, so der Buchreport, "schon jetzt läuft alles auf Schormann zu. Andere Kandidaten sind nicht in Sicht."

Meldungen: Die Fuldaer Verlagsagentur, die 12,3 Prozent Anteile an der Eichborn AG hält, ist insolvent. Unter das Dach des neuen Marix Verlags sind die Fourier-Verlagsproduktionen gewandert - Fourier soll sich künftig wieder voll auf das Geschäft mit Restauflagen konzentrieren, heißt es aus der Geschäftsleitung. Und: Ob sich der neue "Potter" nach zehn Wochen immer noch an der Spitze der Bestsellerliste hält, hier.

buchreport.magazin

Der Buchreport hat sich die Mühe gemacht, Literaturbeilagen aus den vergangenen vier Jahren zu analysieren. Das Ergebnis lässt aufhorchen, denn die Neuerscheinungen kleinerer Verlage finden demnach wenig Beachtung. Während viele Zeitungen ihre Beilagen abgespeckt hätten, seien unter den Top 10 der Verlage mit den am häufigsten rezensierten Büchern nur mittlere und große Verlage mit hohem Novitätenausstoß. Unterrepräsentiert in dieser Riege bliebe jedoch Random House. "Die Rezensenten scheinen erhebliche Vorbehalte gegen die Programme des Buchgiganten aus München zu haben."

Vier neue TV-Literaturmagazine sind in den vergangenen zwölf Monaten auf Sendung gegangen - ein Trend, könnte man meinen. "Fernsehmacher hassen Literatursendungen", glaubt Gert Scobel, Anchorman des 3sat-Magazins "Kulturzeit" und zwei Jahre Moderator der mittlerweile eingestellten HR-Reihe "Bücher Bücher". Mit Büchersendungen ließen sich keine hohen Quoten erzielen, erzählte Scobel dem Buchreport. Sie müssten als Feigenblatt der Öffentlich-Rechtlichen herhalten. "Vor allem im Kontext der jetzigen Gebührendiskussion würde es mich nicht wundern, wenn neue Alibi-Buchsendungen entstehen."

Eine Konkurrenz fürchteten die Sortimenter nicht, damals, als Amazon vor fünf Jahren deutsches Terrain betrat. Heute liegt der Internet-Versandhändler mit einem "geschätzten Umsatz von 350 Millionen Euro", so der Buchreport, mit Branchenprimus Thalia gleich auf. Im dritten Quartal des letzten Jahres habe der Gesamtkonzern Amazon erstmals außerhalb des Weihnachtsgeschäfts schwarze Zahlen geschrieben. "Bei einem Umsatz von mehr als fünf Milliarden Dollar erwarten Analysten für das Geschäftsjahr 2003 zum ersten Mal einen Jahresgewinn."

Viele Verlagsjubiläen stehen in diesem Jahr an. Der 40. Wagenbach-Geburtstag ist insofern ein besonderer, da der Verlag seit seiner Gründung unabhängig ist. Der Literatur gegenüber "Respekt bewahren" und den "Stallmief außen vor lassen", mit diesen Zielen sei Klaus Wagenbach, Ex-Lektor von Günter Grass, in 1964 als Verleger angetreten, schreibt der Buchreport. Branchenkenner hätten ihm keine Chance gegeben. "Junge, du wirst verkaufen müssen, mach es lieber gleich", hatte Heinrich Maria Ledig-Rowohlt dem Jungverleger geraten.

BuchMarkt

Der Welttag des Buches (wann ist der noch gleich?) ist in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern eine traurige, da größtenteils vernachlässigte, Veranstaltung. Dass es an einer gemeinsamen Plattform fehle, von der aus alle an einem Strang ziehen, sieht der BuchMarkt als eine der Hauptursachen. Die Stiftung Lesen habe in den letzten Jahren Bewundernswertes auf die Beine gestellt, doch sie sei auf Schulen und Leseförderung konzentriert und arbeite isoliert. Kritik kann sich der Börsenverein einstecken, denn der "hat es nicht geschafft, die Verlage und vor allem den Buchhandel in die Gänge zu bringen."

Das Hörbuch boomt und der Markt konzentriert sich. "Die heute immer noch kommunizierte Vielfalt von gut 400 Hörbuchverlagen und rund 7000 lieferbaren Hörbuchtiteln täuschen darüber hinweg, dass die jährlich zunehmenden Wachstumsraten im Handel mit sehr wenigen Verlagen erfolgen", erklärt der BuchMarkt Bezug nehmend auf eine Focus-Studie. Bücher werden wohl in Zukunft vermehrt parallel mit Hörbüchern erscheinen. In Testreihen habe der Buchverkauf nicht darunter gelitten, und der Hörbuchverlag eine erhebliche Umsatzsteigerung verzeichnet.

An einer Frage scheitern selbst Experten: Welcher Tonträger wird im Hörbuchbereich das Speichermedium der Zukunft sein? Während in Deutschland etwa 70 Prozent aller Hörbücher auf CD erschienen, seien es in den USA nur 40 Prozent. Dort halte sich wacker die Kassette an erster Stelle, berichtet der BuchMarkt. Durchsetzen könnte sich ein drittes Medium: die DVD. Harald Rieck vom Diderot Verlag erläutert die Vorteile: mehr Speicherplatz, mehr Komfort (etwa die Möglichkeit, Lesezeichen zu setzen) und durch den verstärkten Absatz von DVD-Playern eine breite Kompatibilität.

Am 17. März wird der Deutsche Hörbuchpreis 2004 während einer Gala im WDR-Funkhaus in Köln verliehen. Hier die Nominierungen.
Archiv: BuchMarkt