Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
20.03.2006. Lesen Sie diese Woche: Wie die neuen Medien den Buchhandel bestimmen, ob die professionelle Literaturkritik der Hobbyrezension überlegen ist, wie die Stimmung in Leipzig war und wessen Bücher Google demnächst verkauft. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Die Neuen Medien waren Thema in Gottfried Honnefelders Grußwort zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse. "Electronic Publishing bestimmt mittlerweile das verlegerische Handeln in hohem Maße", sagte der Börsenvereinsvorsteher. Er stellte in Aussicht, dass auch der Börsenverein in diesem Jahr einen weiteren Schritt in die digitale Zukunft macht: mit der Volltextsuche Online. (Skeptiker sehen die VTO in 2006 noch nicht auf den Weg gebracht). Hier Honnefelders Rede im Wortlaut.

Wie jedes Jahr haben sich lit.Cologne und Leipziger Buchmesse zeitlich überschnitten. Ist es dadurch leichter für die Verlage, Autoren für ein Gastspiel zu gewinnen? fragte das Börsenblatt in seinem aktuellen Rundruf.

Zur nicht ganz neuen Debatte "Anspruchsvolle Literaturkritik vs. Hobbyrezension" tritt Literaturen-Chefredakteurin Sigrid Löffler im Börsenblatt gegen Amazon-Kritiker Thorsten Wiedau an. "Literaturkritik kann durch nichts ersetzt werden", beharrt Löffler. In der Belletristik im engeren und im strengeren Sinn sowie im Bereich des Qualitäts-Sachbuchs habe die Stimme der Literaturkritik Gewicht und ihr Urteil Glaubwürdigkeit. Ihre Zielgruppe sei der anspruchsvolle, der wählerische Konsument, der im unübersichtlichen Buchmarktgeschehen nach Orientierung verlange. Dagegen hält Wiedau: "Man kann mit Fug und Recht darüber streiten, ob das, was in den Feuilletons als Top-Titel eingeschätzt wird, tatsächlich die literarischen Trends im Lesepublikum abbildet." Professionell verfasste Kritiken seien entweder für viele Zeitungsleser unverständlich oder sie lösten gelangweilte Reaktionen aus, meint der Hobbyrezensent.

Heyne hat ein Gegenmittel zu den Massenabmahnungen bei nicht autorisierten Biografien ersonnen. Der Verlag bringt eine Rio Reiser-Biografie zunächst als E-Book heraus - und erst, wenn keine Klagen kommen, als gedrucktes Buch. "Das gibt zwar keine Gewähr, dass gegen das gedruckte Pendant nicht vorgegangen wird, stellt den Anwalt aber im Falle eines späteren Vorgehens als Beutelschneider bloß", erläutert das Börsenblatt.

Fremdsprachige Bücher sind gefragt. Trotzdem ist der Hamburger Buchimporteur JU Books (18 Mitarbeiter) pleite. "Kurz vor dem Durchbruch kamen Liquiditätsschwierigkeiten"; erzählte Geschäftsführer Josef Unruhe dem Börsenblatt. Die Barsortimente, die ihr Angebot an fremdsprachiger Literatur kontinuierlich ausbauen und die ausländischen Verlage, die ihre Titel verstärkt selbst in Deutschland vertreiben, sind für Unruhe nicht Schuld an der Misere des eigenen Unternehmens. Er hatte JU Books nach seinem Ausscheiden beim Konkurrenten Petersen Buchimport in 2003 gegründet.

Personalien: Literaturkritiker Volker Hage ist neuer Sprecher der Jury für den Deutschen Buchpreis. Ex-Europa-Verleger Vito von Eichborn wird Herausgeber der Edition Books on Demand.

Meldungen: Der sorbische Autor Jurij Brezan verstarb im Alter von 89 Jahren - er war u.a. Vizepräsident des Schriftstellerverbands in der DDR. Der Süddeutsche Verlag ist für seine Editionen zu Literatur, Film und Musik mit dem Marken Award 2006 der Zeitschrift Absatzwirtschaft ausgezeichnet worden. Die Kulturfinanzierung durch die öffentliche Hand sank zwischen 2001 und 2004 von 8,4 Milliarden Euro auf 7,88 Milliarden Euro.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Mit welchen Eindrücken die Aussteller und Fachbesucher am heutigen Montag aus Leipzig zurückkehren, konnte buchreport bei seinem Erscheinen am Donnerstag nicht voraussehen. Doch die Befindlichkeiten in der Branche setzte das Magazin als Überschrift über die diesjährige Buchmesse an der Pleiße: "Leipzig wird zum Test der Stimmung in der Branche". Einerseits geht's dem deutschen Buchhandel gut: Das zweite Jahr in Folge hat er mit einem Umsatzplus abgeschlossen. Andererseits fordert der Umbruch, in dem sich die Branche befindet, Opfer. Die Unruhestifter, um nur ein paar namentlich zu nennen, sind die Billigeditionen (schaden den Taschenbuchverlagen), die Filialisten (drängen mit ihrer Expansion traditionelle Sortimenter in die Ecke) und die Barsortimente (wollen mit Rundum-sorglos-Paketen kleinere Buchhandlungen unter Ausschaltung der Verlage beliefern).

Kritische Fragen lässt Gottfried Honnefelder, Interims-Vorsteher des Börsenvereins, im buchreport-Interview an sich abprallen. Dass Michael Schön, Chef der Börsenvereins-Tochter MVB, das Handtuch wirft bzw. nach Jahren als Geschäftsführer ausscheidet (siehe "Buchmacher"-Archiv), ist für Honnefelder "ein kluger und nachvollziehbarer Umstand". Die Kündigung habe nichts mit einer verschärften Krise beim Verzeichnis lieferbarer Bücher (VlB) zu tun, betonte das Verbands-Oberhaupt. Die MVB werde sehr schnell einen Nachfolger haben, der das "VlB-Neu" auf die Schiene setzt.

Bei den Veranstaltern des Literaturfestivals lit.Cologne werden Samstagabend - zum Abschluss - die Sektkorken geknallt haben. Buchreport vermutet mehr als 70.000 statt der angepeilten 55.000 Zuschauer und einen Besucherzuwachs von vierzig Prozent. lit.Cologne-Gründer Werner Köhler hatte Anfang März im FAZ-Interview klargestellt, wohin die Reise gehen soll: "Wer zu klein denkt, der geht im Kulturzirkus unter."

Wie zu erwarten wird Google - der Konkurrenz immer eine Nasenlänge voraus - digitalisierte Texte demnächst verkaufen. "Die Verlage können entscheiden, welche Titel in welchem Umfang und zu welchem Preis angeboten werden", erklärt buchreport. Im Ermessen der Verlage liege es auch, ob der Leser die Bücher ausdrucken oder nur am Bildschirm lesen dürfe. Die Buchmacher könnten mit dem überwiegenden Teil des Erlöses rechnen. Angeschoben wird das Projekt im englischsprachigen Raum. Der Europa-Start soll so schnell wie möglich folgen.

Amazon will mit "Amazon Advantage" seine Geschäftsbeziehungen zu Kleinverlegern ausbauen. Das "AA"-Programm bietet die Möglichkeit, von Nischentiteln (egal ob Buch, CD oder DVD) ein einziges Exemplar ans Lager zu nehmen, auf die Amazon-Seiten zu stellen und binnen 24 Stunden zu verschicken. Ist ein Titel verkauft, ordert Amazon Nachschub. Dafür verlangt der Onlinehändler vom Verlag pauschal 49,90 Euro im Jahr, hat buchreport in Erfahrung gebracht. Seinen "Service" lasse sich Amazon mit weiteren fünf Prozent des Verkaufspreises plus Porto plus Rabatten bis 50 Prozent bezahlen.

Meldungen: Mit Literatur-TV startet der Anbieter von IP-basierten Fernsehsendern, ArtVoice, einen Spartenkanal für literaturinteressierte Zuschauer im deutschsprachigen Raum. Das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher bleibt nach einer vom Unternehmen selbst in Auftrag gegebenen Studie zu "Antiquariaten im Internet" mit 47,6 Prozent Marktanteil Spitzenreiter in Deutschland, es folgen Amazon, Booklooker (je 14,6 Prozent) und Abebooks (12,2 Prozent). Ulrich Wickert bekommt beim NDR eine Literatur-Talkshow namens "Wickerts Bücher" - die Pilotsendung lief zur Leipziger Buchmesse. Heribert Marre, über 30 Jahre kaufmännischer Geschäftsführer von Suhrkamp, ist im Alter von 80 Jahren verstorben. Und: die Bestsellerlisten.