Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
17.02.2007. Wie man beim Börsenverein kostenlos Bestseller lesen kann. Warum die kleinen Buchhändler ihre Kräfte bündeln. Welche Chancen Verlage und Buchhändler in "Second Life" ergreifen sollen. Und wofür die Verlage bei der Verbreitung von Informationen im Internet am meisten Geld zahlen müssen.

buchreport.express

Der buchreport hat das vom Börsenverein an die Startlinie gebrachte Portal Volltextsuche Online (VTO) geknackt (hier der Artikel). "Massive Sicherheitsprobleme" überschatteten das "Going-Live" von VTO: Mit wenigen Befehlen könne der Nutzer die angezeigten Bücherseiten mit einem herkömmlichen Browser wie Mozillas "Firefox" herunterladen und ausdrucken - entgegen der Beteuerungen der Verantwortlichen. Mit einem Trick bei der Eingabe von Suchwörtern werde die Seitenbeschränkung bei der Bildschirmlektüre ausgehebelt. Bei einem Test habe der Watch-Blogger Mathias Schindler (hier nachzulesen) alle 303 Seiten des Rowohlt-Bestsellers "Die Vermessung der Welt" herunterladen können. Dass die Sicherheitslücke keine Kinderkrankheit von VTO, sondern systemimmanent sei, zeige der Vergleichstest beim "Macmillan New Writing Bookstore" (hier geht's lang), der schon ohne Zugangsbeschränkung für das breite Publikum geöffnet worden sei und ebenfalls die von Holtzbrinck entwickelte VTO-Technologie benutze: Auch hier hätten Bücher online ohne Beschränkung gelesen und ausgedruckt werden können. Update zum Thema: Inzwischen hat der Verband den für vergangenen Donnerstag geplanten Beta-Start verschoben und einen Projektverantwortlichen beurlaubt (so liest sich die Pressemitteilung dazu).

Die Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Buchhandlungen (AuB) macht ernst: Wie buchreport berichtet, wandelt sich das Forum, das um Chancengleichheit gegenüber den großen Ketten kämpft, "vom geselligen Debattierclub zum Verein mit Satzung, Beiträgen und Führungsstruktur. Auf der AuB-Versammlung in Bielefeld habe die AuB dafür die Weichen gestellt. "Wir wollen keine Konkurrenz zum Börsenverein sein. Seine Konsenskonstruktion macht es allerdings unmöglich, dass unsere Interessen vom Verband wirksam vertreten werden", zitieren die Dortmunder AuB-Initiator Hartwig Bögeholz.


Weitere Themen: Die Wikipedianer haben Medienberichten widersprochen, der Online-Enzyklopädie gehe das Geld aus. Das Portal werde sich auch in Zukunft durch Spenden finanzieren können. Gleichwohl sei der technische Ausbau der Server-Farm (derzeit 350 Großrechner) schwierig. Im Interview mit buchreport wünscht sich "Druckfrisch"-Moderator Denis Scheck, dass die deutsche Gesamtbevölkerung "samt ihren Haustieren" zum Anschauen seiner Sendung gezwungen wird und dass die Buchhändler mehr Lesetische mit den besprochenen Büchern aufbauen. Im Herbst schließt Cornelia Funke ihre "Tintenherz"-Trilogie ab (hier der Artikel). Der Mini-Verlag Edition Nautilus hat es mit einem Krimi der Autorin Andrea Maria Schenkel bis auf den Spitzenplatz der Spiegel-Bestsellerliste geschafft. Ein unabhängiger Gutachter hat dem Börsenvereins-Wirtschaftsbetrieb BAG - trotz der Beinahepleite der Tochter Factoring Gesellschaft Media - eine nachhaltige Ertragskraft bescheinigt. Die wirtschaftliche Schieflage sei nicht durch Fehler im operativen Geschäft entstanden. Und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Das Börsenblatt widmet sich in dieser Woche schwerpunktmäßig dem Internet. "Das digitale Zeitalter hat nichts von langsamer Beschleunigung; es startet durch", wortwitzelt Chefredakteur Torsten Casimir im Editorial. Sabrina Gab führt den Leser durch die virtuelle Welt von "Second Life" (in dieser Woche auch Titel-Thema im Spiegel), in der der Audio Verlag unlängst eine Hörlounge zur Präsentation des eigenen Hörbuchangebots eröffnet hat. Verlage und Buchhandlungen könnten eine digitale Repräsentanz als Treffpunkt für Autoren, Mitarbeiter und Lektoren nutzen, empfiehlt Bernd Sommerfeld, Buchhändler bei der Fachbuchhandlung Lehmanns in Berlin. Second Life sei ein Ausblick auf die Zukunft des Internet.

Eckart Baier kritisiert das geplante Gesetz gegen Internet-Piraten, das illlegale Angebote nicht stoppen werde und den Verlagen bei der Verfolgung von Verstößen riesige Kosten aufbürden könnte.

Wulf D. von Lucius analysiert in einer vom Börsenblatt abgedruckten Rede die Kosten, die für Verlage durch die Verbreitung von Informationen im Internet enstehen. Besonders die Langzeitarchivierung verschlinge viel Geld, weil Daten migriert und gepflegt werden müssten.

Weitere Themen: Im Interview mit Nicola Bardola erklärt die Verlegerin Ulla Behrendt-Roden (Brockhaus), wie heutige Schüler ihre Wissenslücken schließen - Verlage müssten das Buch mit digitalen Medien verknüpfen, um an der Zielgruppe dranzubleiben. Im "Menschen"-Ressort stellt Michael Roesler-Graichen den Digilibri-Chef Arnoud de Kemp, "Kosmopolit in Sachen neue Medien", "Aktivist des elektronischen Publizierens", vor. Den Fragebogen hat der Typografie-Experte Friedrich Forssman ausgefüllt: Mit wem er gerne einen Tag lang den Platz tauschen möchte: "Kim Jong Il. Ein Tag müsste zum Abdanken reichen".
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