Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
22.12.2003. Prospect wettert gegen französische Korruption, der Economist gähnt bei französischen Witzen. Der Merkur bringt eine Karfreitagsnummer. Outlook India schwärmt von deutscher Präzisionsarbeit. Im Espresso träumt Umberto Eco von einem großen Krieg. In Kafka erzählt Ales Knapp, warum die Tschechen Milan Kundera nicht mögen. Die Revista de Libros erklärt, nichts wäre schwerer zu ertragen als ein spanischer Literaturpreis. Das TLS empfiehlt eine zweibändige Bibliografie des Kaffees. Die London Review of Books fällt unter die Piraten.
Prospect (UK), 01.01.2004
![](/cdata/fliess/B2/Q22/A6756/prospect.jpg)
Wer in Frankreich die Korruption ausrotten will, der muss Frankreich gleich mit ausrotten, lautet Tim Kings Fazit in einem ausführlichen und umfassenden Artikel über die großen Korruptionsverfahren der letzten Jahre, mit denen sich die norwegisch-stämmige Chef-Anklägerin Eva Joly nicht nur bei der französischen Elite unbeliebt gemacht hat: " 'Das ist Frankreich, Madame!' Der Anwalt lachte, als er sah, dass Eva Joly zunehmend schockierter schaute über das, was nach und nach im Justizpalast herauskam, 'Sie wollten Frankreich verändern! Und das ist unmöglich.' Sein Lachen war ansteckend - auch sie musste lachen. Bis ihr Tränen die Wangen herunterliefen."
Auf Prophezeiungen, die USA würden sich in einen Gottesstaat verwandeln, reagiert Alan Wolfe leicht verägert und versucht, die christlich-konservative Mentalität in Amerika ins rechte Licht zu rücken: Seltsam ist sie, soviel steht fest, aber sie ist viel amerikanischer als etwa christlich oder konservativ. Wie könnte es sonst zu religiösen Diät-Büchern kommen, mit Titeln wie "Slim for Him" (Schlank für Ihn), die den Begriff des Wohlgefallens scheinbar wörtlich genommen haben?
Weitere Artikel: Die jüdische Dramaturgin Samantha Ellis ist gespannt auf Weihnachten, das sie dieses Jahr mit einer muslimisch-jüdischen Freundin feiert. Chris Stephen entwirft ein bewunderndes Porträt vom erst 37-jährigen Oligarchen und Tycoon Roman Abramowitsch (Bild), der überraschenderweise immer noch zu den Freunden des Kremls zählt. Oliver Morton schreibt sehr unterhaltsam über eine riesige geowissenschaftliche Tagung, die unlängst mehr als 11.000 Wissenschaftler in Nizza versammelte. Und zuletzt: Michael Fabers Erzählung über Don, dem der glücklichste Moment seines Lebens kurz bevorsteht.
Nur im Print zu lesen: David Herman fordert eine starke Fernseh-Kritik und Ziba Norman denkt über David Kellys Religion nach.
Kafka (Deutschland), 01.12.2003
![](/cdata/fliess/B2/Q60/A6759/kafkafarbe2.jpg)
Der polnische Schriftsteller Stefan Chwin (mehr hier) geht in einem langen Essay der Frage nach, wer eigentlich macht, "dass einige Wörter leben, dauern, glänzen, strahlen"? "Früher, im totalitären System, war der Zensor, der Sekretär, der Offizier der Geheimpolizei Herr der Wörter (missliebig waren etwa Katyn, Stalinsche Verbrechen, Machtmissbrauch oder Butter- und Fleischmangel). Heute ist es nicht nur der Eigentümer des Fernsehkonzerns, der entscheidet, was die Sprecher in der Hauptausgabe der Tagesschau sagen sollen. Es ist auch der Fernsehzuschauer mit der Fernbedienung, der mit einem Fingerschnipp den Politiker, dessen Worte ihm 'nicht passen', vom Bildschirm verschwinden lässt und das Literaturprogramm mit dem Nobelpreisträger auf einen Sendeplatz um 23.45 Uhr verbannt, weil 'solche Sachen' ihn 'langweilen'."
Weiteres: Ales Knapp versucht, sich die Anti-Kundera-Stimmung in Tschechien zu erklären, die, wie Knapp darstellt, unter anderem Vaclav Havel verbreitete, weil sich Kundera 1969 weigerte, den Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen als "nationale Katastrophe" zu bezeichnen. 1997 hat Kunderas tschechischer Verlag aufgehört, seine Bücher neu zu edieren. Und vom ungarischen Autor Laszlo Darvasi ist der "Bericht der Tsin Akademie über die verschiedenartige Natur der Wörter" zu lesen.
Im Print: Marleen Stoessel unterhält sich mit dem polnischen Dichter Czeslaw Milosz über die Jahre in der französischen Emigration, seine Rückkehr nach Polen, über die Identität und das "Leiden" als Schlüssel zum modernen Denken.
Revista de Libros (Chile), 20.12.2003
![](/cdata/fliess/B2/Q61/A6767/revista.jpg)
Was als Geplänkel zwischen altehrwürdigen Dichter daherkommt, hat einen ernsteren Hintergrund wie Romancier Alberto Fuguet beschreibt : die außerordentlich hochdotierten spanischen Literaturpreise bringen eine zweischneidige mediale Aufmerksamkeit mit sich. "Das ist nichts für Schwächlinge. Da muss man stark sein, sehr stark, und sehr dickhäutig. Ein Preis garantiert nichts als Lärm, Polemik und Skandal. Wenn Politiker, Preister, Manager, Generäle, Sportler und Fernsehmoderatoren zu Fall gebracht werden, warum nicht auch Schriftsteller", findet Fuguet. Ganz falsch sei es, wie Gonzalo Rojas so zu tun, als sei ihm der Ruhm egal. Berühmte Schriftsteller sollten vielmehr dazu stehen, dass sie dergestalt zu Lesern kommen, und auch alle Konsequenzen tragen: "Regel Nummer eins: wenn du im Rampenlicht stehen willst, verinnerliche, dass sie dich nicht nur ansehen, sondern möglicherweise auch verbrennen werden."
Fuguet, der noch nicht ins Deutsche übersetzt worden ist, obwohl er einen wunderbaren Roman über chilenische Boulevardjournalisten geschrieben hat ("Tinta Roja"), kann mit Antonio Skarmeta noch ein weiteres Beispiel anführen. Der ehemalige chilenische Botschafter hat jüngst für seinen neuen Roman, "El baile de la victoria", ebenfalls einen Preis bekommen. Und nicht irgendeinen: mit sagenhaften 601.000 Euro ist der Planeta die höchstdotierte spanischsprachige Auszeichnung. Allerdings ist weithin bekannt, dass es bei der Auswahl mehr um Vermarktung als um Qualität geht. Der literarisch interessierten Öffentlichkeit ist der Planeta-Preis deswegen suspekt. Davon kann Skarmeta mittlerweile ein Lied singen, denn sein Buch über "Liebe und Freundschaft" ist von der Kritik gnadenlos verrissen worden (hier eine noch wohlwollende Besprechung, die den ein oder anderen "interessanten" Aspekt ausmacht). "Wäre der Roman nicht preisgekrönt worden und in einem anderen Verlag und in einem anderen Jahr erschienen, würde es dem Autor jetzt vielleicht besser gehen", meint Fuguet, der allerdings ebenso davon überzeugt ist, dass die Kritiker "Skarmeta nicht so leicht fertigmachen werden".
London Review of Books (UK), 18.12.2003
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q10/A6755/lrb.jpg)
Weitere Artikel: Robert Macfarlane beschreibt entzückt, wie es bei Sten Nadolny zur Erfindung einer Eigenschaft - der Langsamkeit - kommt, und hat beobachtet, dass "Die Entdeckung der Langsamkeit" zunehmend als Manifest des Anti-Postmodernismus herhalten muss. A. W. Moore unternimmt die Ehrenrettung von Aristoteles und seiner Vorstellung von Unendlichkeit. Und schließlich schlendert Hal Foster durch die pop-surrealistische James-Rosenquist-Retrospektive im New Yorker Guggenheim.
Literaturen (Deutschland), 01.01.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q21/A6771/literaturen.jpg)
In "Beiseite" bespricht Richard David Precht Aleksandar Hemons "wunderbaren" Roman "Nowhere Man". Lesen dürfen wir außerdem Franz Schuhs Kriminal.
Nur im Print: der Schwerpunkt ist dem "Hassgeliebten Österreich" gewidmet. Sigrid Löffler stellt Thomas Bernhard in den Kontext österreichischer Mentalitätsgeschichte. Außerdem moderiert Literaturen ein Gespräch von Elfriede Jelinek und Doron Rabinovici über die Wirkungslosigkeit der Kritik, und Daniela Strigl stellt die junge Literatur Österreichs jenseits von Selbstekel vor. Weiter porträtiert Frauke Meyer-Gosau den tschechischen Autor Jachym Topol. Walter Grasnick (mehr) zeichnet Immanuel Kant als "Stammvater der Denker, deren Stärke im schwachen Denken liegt", und Thomas Miessgang nimmt Biografien "phallischer Prahlhänse" - von Charles Mingus bis Eminem - und unter die Lupe.
Outlook India (Indien), 29.12.2003
![](/cdata/fliess/B2/Q15/A6765/outlook.jpg)
Außerdem: Poornima Joshi berichtet von einer Initiative aus den Reihen der Regierungspartei BJP, den seit über einem Jahrzehnt schwelenden Konflikt zwischen Hindu-Nationalisten und Muslimen um die heilige Stätte in Ayodha zu lösen - die Wahlen im nächsten Jahr, meint Joshi, dürften einiges mit dem Vorstoß zu tun haben. Shobita Dhar hört überall in amerikanischer Popmusik - von Ricky Martin bis Timbaland - Bhangrasounds und fragt sich, wie lange das wohl noch so weitergehen kann. Und Sheela Reddy hat eine Biografie von Sonia Gandhi, Spitzenkandidatin der Kongresspartei und Witwe von Rajiv Gandhi gelesen, aber wirklich schlau wird sie aus der geborenen Italienerin noch immer nicht.
Und auf dem Titel: Indiens neuer Cricketgott Rahul Dravid (mehr), porträtiert von Sandipan Deb.
Espresso (Italien), 25.12.2003
![](/cdata/fliess/B2/Q17/A6757/espresso.jpg)
Den größten Fortschritt kann die Menschheit bei der Verlängerung der Lebenszeit für sich reklamieren, betont Umberto Eco in seiner Bustina, nicht etwa bei den Computern. "Die Computer kündigten sich schon in den Rechenmaschinen von Pascal an, der mit 39 Jahren in einem ehrwürdigen Alter starb. Während Alexander der Große und Catull mit 33 gestorben sind, Mozart mit 36, Chopin mit 39, Spinoza mit 45, Thomas mit 49, Shakespeare und Fichte mit 52, Descartes mit 42 und Hegel, sehr alt, mit 61." Wie alt wohl Dieter Bohlen wird?
Weiter unterhält sich Marco Damilano mit Massimo D'Alema, der als Chef der Democratici di Sinistra dem Rivalen Berlusconi Versagen auf ganzer Linie vorhält. Außerdem ruft der Espresso zur Rettung der Comuna Baires auf, einem der letzten Orte, wo das liberale, weltoffene Mailand noch zu finden ist, "wo man sich trifft, um über Bücher zu reden, Lyrik vorzutragen, ein Bierchen zu trinken oder sich ganz dem Dasein als Fußballfan hinzugeben".
Economist (UK), 19.12.2003
![](/cdata/fliess/B2/Q14/A6769/economist.jpg)
Das sahnigste Bonbon ist eindeutig das Porträt des französischen Humors, oder besser gesagt das Naserümpfen über das, was bei den Fröschen als Humor durchgeht, wie etwa folgender imaginärer Dialog zwischen Präsident und Berater: "'Ich habe eine Lösung gefunden! Ich bringe den Richter um und dann habe ich endlich Ruhe.' 'Aber Monsieur le president, sie werden einen anderen Richter finden.' 'Verdammt, daran hab' ich nicht gedacht. Tja, dann bringe ich eben alle französischen Richter um, den ganzen Berufsstand. Zeit habe ich genug. Ein Richter ist nämlich wie ein Baum, es braucht 30 Jahre, damit ein neuer wächst. Bis sie neue Richter gezüchtet haben, bin ich so alt wie Pinochet und komme wegen schlechter Gesundheit davon.'" Die britische Diagnose lautet hier: "Grob, aber logisch." Der englische Humor sei dagegen herrlich unlogisch: "Es gibt drei Arten von Ökonomen, die, die zählen können, und die, die es nicht können." (Lieber ein schlechter Witz als Pommes frites mit Essig!)
Außerdem geht es um die Gottesmutter Maria, die von Christen, Moslems und Juden verehrt wird, um die Gemeinsamkeiten von coffee-shops und Internetcafes, um das lebendige Latein (unter anderem in Mel Gibsons Jesusfilm), um indische Spiritualität ("Arbeiten ist Beten"), um Barbara Smiths Rückblick auf 50 Jahre Mitarbeit beim Economist und um Enthaarung als Beschleunigung der menschlichen Evolution.
Weiter lesen wir, dass die Franzosen die europäische Verfassung auf dem Gewissen haben (wo sich die Briten doch solche Mühe gegeben haben), warum von Tony Blairs politischem Tod nicht die Rede sein kann, und dass Sir Nicholas Hytners Adaption von Philip Pullmans "His Dark Materials" im National Theatre das Glanzlicht des Theaterjahres wird.
Point (Frankreich), 18.12.2003
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q39/A6766/point.jpg)
Nicht uninteressant auch drei Gespräche, die Le point über die Außenpolitik Dominique de Villepins führte (Anlass ist ein Buch mit Reden des illustren Ministers). Der Harvard-Politologe Stanley Hoffman zeigt sich euphorisch über die franzöische Rolle im Irak-Krieg. Der Raymond-Aron-Schüler Pierre Hassner ist eher skeptisch. Und der New Republic-Redakteur Leon Wieseltier konstatiert nicht ohne Spott, dass die Beziehungen zwischen Frankreich und den USA dauerhaft geschädigt bleiben werden.
Merkur (Deutschland), 01.01.2004
In dieser Ausgabe geht es, als ob Karfreitag vor der Tür stünde, um den Tod. Katharina Rutschky wendet sich gegen die landläufige Meinung, dass der Tod heute verdrängt oder verleugnet werde. Sie selbst etwa sammelt kuriose Todesanzeigen, die sie eher in der These bestärken, dass die Heuchelei einer neuen Offenheit gewichen ist. Ein Beispiel aus ihrer Sammlung: "Elke B. 1941 - 2003. Du wolltest, aber Du hast es nicht geschafft. Alkohol macht einsam." Volker Gernhardt befasst sich mit der Notwendigkeit des Todes: "Denn nach allem, was wir wissen, gibt es kein Leben ohne Tod." Claus Koch denkt über das Sterben in der medikalisierten Gesellschaft nach.
Karl Heinz Bohrer (mehr hier) räumt mit einem fatalen Irrglauben auf, mit dem Gedanken nämlich, "es handele sich bei Krieg und Kultur um zwei einander ausschließende Bereiche". Immerhin habe die Literatur dem Krieg einiges zu verdanken: "So sichert die Kriegsthematik ähnlich der Liebesthematik ihrer Inszenierung und Rhetorik extreme Gefühlszustände diverser Natur, die man seit Aristoteles als 'Leidenschaften' diskutiert."
Weiteres: Wolfgang Kemp konstatiert in seiner Ästhetikkolumne: "Eine essentialistische Definition von Kunst ist heute so selten wie ein gut gemachtes Walfisch-Sandwich". Billig ist der Fortschritt nicht zu haben, meint Rainer Hank in seiner Ökonomiekolumne und findet den Preis, der für den "demokratischen und intellektuellen Fortschritt" in der New Economy bezahlt wurde, nicht zu hoch. "Ach es ist eine Jammergeschichte, die Geschichte der Philologie! Die ekelhafteste Gelehrsamkeit, faules unthätiges Beiseitesitzen, ängstliches Unterwerfen", zitiert Detlev Schötker den guten alten Nietzsche, aber nur um zu hinterher zu verichern , dass Hans Ulrich Gumbrechts mit seinem Buch über "Die Macht der Philologie" das Gegenteil beweist.
Karl Heinz Bohrer (mehr hier) räumt mit einem fatalen Irrglauben auf, mit dem Gedanken nämlich, "es handele sich bei Krieg und Kultur um zwei einander ausschließende Bereiche". Immerhin habe die Literatur dem Krieg einiges zu verdanken: "So sichert die Kriegsthematik ähnlich der Liebesthematik ihrer Inszenierung und Rhetorik extreme Gefühlszustände diverser Natur, die man seit Aristoteles als 'Leidenschaften' diskutiert."
Weiteres: Wolfgang Kemp konstatiert in seiner Ästhetikkolumne: "Eine essentialistische Definition von Kunst ist heute so selten wie ein gut gemachtes Walfisch-Sandwich". Billig ist der Fortschritt nicht zu haben, meint Rainer Hank in seiner Ökonomiekolumne und findet den Preis, der für den "demokratischen und intellektuellen Fortschritt" in der New Economy bezahlt wurde, nicht zu hoch. "Ach es ist eine Jammergeschichte, die Geschichte der Philologie! Die ekelhafteste Gelehrsamkeit, faules unthätiges Beiseitesitzen, ängstliches Unterwerfen", zitiert Detlev Schötker den guten alten Nietzsche, aber nur um zu hinterher zu verichern , dass Hans Ulrich Gumbrechts mit seinem Buch über "Die Macht der Philologie" das Gegenteil beweist.
Literaturnaja Gazeta (Russland), 17.12.2003
Die Literaturnaja Gazeta gratuliert ihrem früheren Mitarbeiter, dem kirgisischen Journalisten und Schriftsteller Tschingis Aitmatow, zum 75. Geburtstag und zitiert aus einem Interview, das Aitmatow anlässlich einer Lesung in der russischen Staatsbibliothek in Moskau gegeben hat. Welche Aufgabe hat ein Schriftsteller in einer globalisierten Welt? "Die Globalisierung drückt allem und allen ihren Stempel auf. Sie schafft neue Prioritäten und stellt uns vor eine große Aufgabe: Wie überlebt man unter diesen gewissermaßen totalitären Bedingungen, wie kann man mit seinem Schaffen noch Spuren hinterlassen? Wie kann die Literatur der einzelnen Völker würdig fortbestehen? Europa befindet sich zwar schon seit geraumer Zeit in einem Modernisierungsprozess. Aber sogar im Westen ist zu spüren, wie unterschiedlich und teilweise unvereinbar die Gefühle und das Weltverständnis der Menschen sind." Um die Zukunft der Literatur in Russland macht sich Aitmatow allerdings keine Sorgen, denn "das aufrichtige Interesse der Russen an der Weiterentwicklung ihrer Literatur ist deutlich spürbar. In der russischen Gesellschaft von morgen wird die Literatur einen hohen Stellenwert haben."
Spiegel (Deutschland), 22.12.2003
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q13/A6763/spiegel.jpg)
Weitere Artikel: Das große Reformpaket wird unter die Lupe genommen und für zu klein befunden: "Selbst für ein läppisches Steuerprivileg für Matrosen und Reeder stritt die Union erbittert" und gewann. Thomas Thuma sinniert in einer kleinen Weihnachtsgeschichte darüber, was in den letzten Jahren "zwischen alten New-Economy-Träumen und neuem Reformeifer" aus einer kleinen, feinen, mittelständischen Konditorei namens "Sweet Dreams" in Hamburg Eppendorf alles hätte werden können - und Gott sei Dank nicht geworden ist. Helene Zuber hatte einen andalusischen Traum in Ferran Adrias Hotel El Bulli.
Nur im Print: im Interview verrät Omar Sharif, dass er "nur eine einzige Frau geliebt" hat. Der Titel beschäftigt sich mit Aufstieg, Fall und Verhaftung des Saddam Hussein.
Times Literary Supplement (UK), 19.12.2003
![](/cdata/fliess/B2/Q23/A6770/tls.jpg)
Weiteres: Der Dramatiker Tony Kushner (mehr hier) huldigt zum fünfzigsten Todestag seinem großen Vorbild Eugene O'Neill (mehr hier). Von J. Mordaunt Crook erfahren wir, welche Bauten zu England "tausend schönsten Häusern" gezählt werden (Oxford, Cambridge, Eton), ausgewählt hat die Bauten Simon Jenkins für sein Buch "England's Thousand Best Houses". Und David Melling schließlich stellt eine Studie von Margaret Barker über die israelitischen Wurzeln der christlichen Liturgie vor, in der sich Jesus als Großer Hohepriester darstellt.
Außerdem zu lesen sind Auszüge aus der Autobiografie des Schauspielers Harold Lloyd (1801 - 1891, mehr hier), in denen er auch von seinen Tagen in der Bowes Academy erzählt, dem Vorbild von Charles Dickens berüchtigter Dotheboys Hall in "Nicholas Nickleby". Im Gegensatz zu Dickens und den Gerichtsakten bescheinigt Lloyd dem Schuldirektor William Shaw allerdings, "ein ausgesprochen wertvoller und gutherziger, vielleicht etwas sonderlicher Gentleman" gewesen zu sein. (Shaw wurde 1823 angeklagt, weil zwei seiner Schüler infolge von Misshandlungen erblindet waren.)
New York Times (USA), 21.12.2003
![](/cdata/fliess/B2/Q12/A6758/nyt.jpg)
Aus den restlichen Besprechungen: Als "fast kunstlose Prosa" feiert Boris Fishman den Erzählband "There are Jews in My House" (erstes Kapitel): Lara Vapnyar schildert in ihrem Debüt in "hyperrealistischer" Art und Weise und aus kindlicher Perspektive das absurd-unverständliche Leben in der Sowjetunion. Als packenden Lesestoff empfiehlt Daniel Mendelsohn den Pompeii-Thriller (erstes Kapitel) von Robert Harris, in der bewährten Mischung aus historischer Fakten und dramatischem Gespür. Schon wieder ein Buch über Ted Hughes und Sylvia Plath, seufzt Daphne Merkin über Diane Middlebrooks "Her Husband", sie hat sich dann aber doch fesseln lassen. Michael Janeway fällt nicht ein, warum wir die neue Roosevelt-Biografie (Leseprobe) des britischen Pressemoguls Conrad Black lesen sollten. Im Gegensatz dazu hat sich Wendy Smith beim Lesen von "The Lady and the Unicorn", dem neuen Roman von Tracy Chevalier, flugs in den unschuldig-verführerischen Hauptdarsteller Nicolas des Innocents verliebt.