Magazinrundschau
Nicht einmal primär sexuell
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
15.12.2009. Vanity Fair sucht den Superpartner. Elet es Irodalom liest neue Essays von Imre Kertesz. Outlook India beklagt die Korruption im Journalismus. Der New Yorker liest eine neue Koestler-Biografie. Die nächste Revolution bricht in Frankreich aus, glaubt Nepszabadsag. Der Spectator begegnet auf einer Kostümparty einer Vagina dentata. In The New Republic feiert Moshe Halberthal die sublime Bescheidenheit Amartya Sens.
Vanity Fair (USA), 01.01.2010
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Heillos genervt zeigt sich Christopher Hitchens von Stieg Larrsons Thriller-Trilogie, die sich feministisch gerieren und dabei gerade die Gewalt gegen Frauen extrem sadistisch ausmalen: "Seine beste Ausrede für seine eigene Lüsternheit ist, dass diese Serienmörder und Folterfreunde irgendeine Art Kapitalismus praktizieren und dass ihre Gaunereien von einer pornografisch-faschistischen Allianz gedeckt werden, wobei die niederen Ränge von widerlichen Bikern und Drogendealern besetzt sind. Hier geht es nicht um Sex and Crime, hier geht es um Politk!"
Elet es Irodalom (Ungarn), 04.12.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q88/A26068/es.jpg)
Qantara (Deutschland), 12.12.2009
"Wem soll man die Schuld dafür geben", dass die Schweizer gegen Minarette gestimmt haben, fragt Tariq Ramadan. "Ich sage den Muslimen seit Jahren, dass sie in ihren jeweiligen westlichen Gesellschaften positiv in Erscheinung treten, aktiv sein und Initiative zeigen müssen. In der Schweiz haben sich die Muslime in den zurückliegenden Monaten bemüht, im Verborgenen zu bleiben, um eine Konfrontation zu vermeiden. Es wäre sinnvoller gewesen, neue Allianzen mit all jenen Schweizer Organisationen und Parteien zu schmieden, die gegen die Initiative waren. Die Muslime in der Schweiz tragen also einen Teil der Verantwortung, doch muss man hinzufügen, dass sich die politischen Parteien in Europa wie in der Schweiz haben einschüchtern lassen und vor einer couragierten Politik zugunsten eines religiösen und kulturellen Pluralismus zurückscheuen."
Die Kuratorin Almut Sh. Bruckstein Coruh erklärt im Interview, was in der Ausstellung "Taswir - Islamische Bildwelten und Moderne" im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen ist: Keine Geschichte der islamischen Kunst, gezeigt wird vielmehr "eine poetische Assoziation von künstlerischen Positionen, klassischen wie zeitgenössischen, die nach gewissen Fragen geordnet sind. Es sind die Fragen - zum Beispiel die nach der Zeichnung als einer Spur des Abwesenden -, die eine persische Miniatur zu den Sandalen des Propheten aus dem 16. Jahrhundert mit der Arbeit einer Rebecca Horn 'Waiting for Absence' verbinden. Es sind Zeit- und ortsübergreifende Fragen, man könnte sagen: menschliche Fragen - Fragen, die Aby Warburg vielleicht 'Pathosformeln' genannt hätte."
Die Kuratorin Almut Sh. Bruckstein Coruh erklärt im Interview, was in der Ausstellung "Taswir - Islamische Bildwelten und Moderne" im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen ist: Keine Geschichte der islamischen Kunst, gezeigt wird vielmehr "eine poetische Assoziation von künstlerischen Positionen, klassischen wie zeitgenössischen, die nach gewissen Fragen geordnet sind. Es sind die Fragen - zum Beispiel die nach der Zeichnung als einer Spur des Abwesenden -, die eine persische Miniatur zu den Sandalen des Propheten aus dem 16. Jahrhundert mit der Arbeit einer Rebecca Horn 'Waiting for Absence' verbinden. Es sind Zeit- und ortsübergreifende Fragen, man könnte sagen: menschliche Fragen - Fragen, die Aby Warburg vielleicht 'Pathosformeln' genannt hätte."
Outlook India (Indien), 20.12.2009
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Anuradha Raman belegt diesen Trend mit Beispielen aus verschiedenen Zeitungen und Fernsehsendern. So erzählt beispielsweise ein Politiker, dass während eines Wahlkampfs in seinem Bezirk praktisch keine Information über seine Kandidatur in der Presse stand. Er rief bei einer Zeitung in seinem Bezirk an und wurde "'höflich darüber informiert, dass ich auch Platz bekommen würde, wenn ich wie die anderen Kandidaten dafür bezahle', erinnert er sich. 'Ich befürchtete, dass die Leser nicht einmal bemerken würden, dass ich kandidiere. Also rief ich einen Reporter an und zahlte 50.000 Rs. Ich wurde prompt belohnt mit drei halbseitigen farbigen Features an drei aufeinanderfolgenden Tagen, die meinen Wert als Politiker und meine guten Aussichten, die Wahl zu gewinnen, hervorhoben.'"
Polityka (Polen), 11.12.2009
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New Yorker (USA), 28.12.2009
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Außerdem: Evan Osnos schildert die Anstrengungen Chinas, die Führung in der Energietechnologie zu übernehmen und ein Crash-Programm für saubere Energie aufzulegen. Peter Schjeldahl führt durch eine Ausstellung von Gabriel Orozco im MoMA. Und Anthony Lane sah im Kino das Musical "Nine" von Rob Marshall, das auf Fellinis Film "8 ½ " basiert, den Fantasyfilm "The Imaginarium of Dr. Parnassus" von Terry Gilliam, den britischen Kostümfilm "The Young Victoria" von Jean-Marc Vallee und das Regiedebüt "A Single Man" des ehemaligen Modedesigners Tom Ford.
Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Diary of an Interesting Year" von Helen Simpson und Lyrik von Bill Manhire, Roger Angell und Jonathan Aaron.
London Review of Books (UK), 17.12.2009
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Nepszabadsag (Ungarn), 12.12.2009
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Prospect (UK), 14.12.2009
Alle Welt sieht das Internet im Bund mit den Dissidenten der Welt, nicht den Diktatoren. Evgeny Morozov ist da in der Prospect-Titelgeschichte (die jetzt online gestellt wurde) ganz anderer Ansicht. Nach seinen Erfahrungen in Weißrussland spielt das Internet sehr viel eher dem Regime in die Hände: "Nach dem ersten Flash Mob begannen die zuständigen Stellen By_mob zu beobachten, die LiveJournal-Community, in der die Aktivitäten angekündigt wurden. Die Polizei war dann sofort präsent bei den Ereignissen, oft sogar noch vor den Flashmobbern. Sie verhaftete Teilnehmer und fotografiert außerdem. Diese Fotos - gemeinsam mit denen, die die Protestierenden selbst ins Netz gestellt hatten - nutzten sie zur Identifizierung der Unruhestifter, die in der Folge vom KGB verhört, mit dem Ausschluss von der Universität oder Schlimmerem bedroht wurden."
Morozovs Artikel bleibt freilich nicht unwidersprochen. Der von Morozov ausdrücklich angegriffene "Medienguru" Clay Shirky akzeptiert zwar den Vorwurf der Einseitigkeit, möchte aber doch festhalten: "Je leichter es den Bürgern wird, sich zusammenzutun, desto einfacher wird es für sie, Untaten zu dokumentieren. Und das selbstschädigende Verhalten von Staaten - etwa das Abschalten der Handynetze - wird zu einem Nettogewinn für die Aufständischen innerhalb autoritärer Regime führen. Das heißt noch lange nicht, dass das Internet allein ausreicht - ich sehe deshalb dennoch die Balance zwischen Bürgern und Staat deutlich optimistischer als Morozov."
Morozovs Artikel bleibt freilich nicht unwidersprochen. Der von Morozov ausdrücklich angegriffene "Medienguru" Clay Shirky akzeptiert zwar den Vorwurf der Einseitigkeit, möchte aber doch festhalten: "Je leichter es den Bürgern wird, sich zusammenzutun, desto einfacher wird es für sie, Untaten zu dokumentieren. Und das selbstschädigende Verhalten von Staaten - etwa das Abschalten der Handynetze - wird zu einem Nettogewinn für die Aufständischen innerhalb autoritärer Regime führen. Das heißt noch lange nicht, dass das Internet allein ausreicht - ich sehe deshalb dennoch die Balance zwischen Bürgern und Staat deutlich optimistischer als Morozov."
Rue89 (Frankreich), 12.12.2009
Im Online-Magazin regt sich Jerome Godard sehr amüsant über die Verschwendung französischer Steuergelder auf, die in diesem Fall in Form einer dämlichen Meinungsumfrage zum Fenster rausgeworfen wurden. Das nationale Agrarforschungsinstitut Inra interessierte sich demnach für die Beurteilung der Herkunft von Garnelen, dafür versuchte man mit einiger Penetranz, das ökologische Gewissen der Probanden zu mobilisieren, und nervte sie mit einem ebenso "tendenziösen wie nutzlosen" Fragebogen, der auf Nachfrage aber immerhin "europäischen Normen" entsprach. Godards Fazit: "Ich bin nicht stolz darauf, mich zum Komplizen dieses erbärmlichen Mummenschanzes gemacht zu haben. Die 15 Euro dafür behalte ich trotzdem. Ich werde mir davon Garnelen aus der Dritten Welt kaufen, die von umweltverpestenden Garnelenhändlern unter empörenden und entwürdigenden Bedingungen gezüchtet wurden. Und mit dem Geld von Inra könnte ich mir als Dreingabe sogar einen Klacks Mayonnaise leisten."
Spectator (UK), 12.12.2009
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Espresso (Italien), 11.12.2009
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Nouvel Observateur (Frankreich), 10.12.2009
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Zu lesen ist außerdem ein Gespräch mit dem albanischen Schriftsteller Ismail Kadare über den Stalinismus in seiner alten Heimat, Obama und den Nobelpreis, für den er so oft nominiert war, den er bisher aber nie bekam.
New Republic (USA), 12.12.2009
Als "magnificent book" feiert der Philosoph Moshe Halberthal das neue Werk des sehr produktiven Ökonomen und Philosophen Amartya Sen mit dem zunächst recht unbescheiden klingenden Titel "The Idea of Justice" (Auszug). Aber Bescheidenheit, so Halberthal, ist gerade die sublimste Eigenschaft von Sens Werk, das offensichtlich recht deutlich zeigt, dass jede abstrakte Theorie der Gerechtigkeit, und sei sie nur wie bei John Rawls als Denkmodell gedacht, ein Irrweg ist. Sen plädiert für ein pragmatisches Denken: "Nach Sen sollte sich ein durchdachtes und vernünftiges Nachdenken über Gerechtigkeit auf einen ergebnisorientierten komparativen Ansatz konzentrieren, einen Vergleich verschiedener Bedingungen, statt philosophische Bedingungen für eine vollkommen gerechte Welt zu formulieren. Es ist leicht für uns festzustellen, dass eine Gesellschaft, die Sklaverei verbietet, gerechter ist als eine Gesellschaft, die sie gestattet. Solch ein einfacher Vergleich ist möglich ohne eine vollständig ausformulierte Theorie perfekter Gerechtigkeit. Denn Ungerechtigkeiten sind leichter zu definieren als Bedingungen vollkommener Gerechtigkeit."
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