Magazinrundschau
Entblößt von jedem wohligen Schmelz
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
07.09.2010. Kelek ist der Treitschke Bahners, lernen wir aus den Blättern. Auch in den goldenen Zeiten der Moderne hatten Schriftsteller es schwer, ermuntert Tom McCarthy angehende Schriftsteller im Guardian. In Le Monde kritisiert Andre Glucksmann die Ausweisung der Roma aus Frankreich. Das Magazin erzählt, wie man eine verrottende Kleinstadt wieder in Schwung bringt. In Elet es Irodalom feiert Laszlo Földenyi die Bilder des Malers Uri Asaf. In NZZ Folio blicken neun Schriftsteller in die Zukunft. Vanity Fair gruselt sich vor der griechischen Wirtschaft.
Blätter f. dt. u. int. Politik (Deutschland), 01.09.2010
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London Review of Books (UK), 09.09.2010
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Weitere Artikel: Jonathan Steele erklärt im "Tagebuch", was man über die Taliban, die sich seit zehn Jahren fast komplett aus der westlichen Medienöffentlichkeit zurückgezogen haben, so alles nicht weiß. Tony Wood hat sich im sibirischen Yakutsk umgesehen und bringt Eindrücke vom Permafrost, Infomationen zur Wissenschaft der "Frozenology" ("Gefrierologie"?) und weit auseinandergehende Meinungen der russischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zur Klimaerwärmung mit. Michael Wood hat im Kino Bob Rafelsons Semiklassiker "Five Easy Pieces" wiedergesehen. Mary-Kay Wilmers schreibt zum Tod des Literaturwissenschaftlers und London-Review-Inspirators und -Autors Frank Kermode.
Guardian (UK), 04.09.2010
Der Literaturwissenschaftler Gabriel Josipovici, der jüngst die zeitgenössischen britischen Autoren wie Salman Rushdie, Ian McEwan und Martin Amis für überschätzt, arrogant und spießig erklärt hat, trauert in seinem Buch "What ever happened to Modernism?" um die Avantgarde, die es irgendwie nicht ins 21 Jahrhundert geschafft hat. Der Schriftsteller Tom McCarthy begrüßt Josipovicis Buch sehr: "Kulturell gesehen leben wir in zutiefst konservativen Zeiten. In vielen größeren Verlagshäusern müssen die Lektoren Inhaltsangaben von Romanen ausgewählten Lesergruppen vorlegen, bevor sie sie veröffentlichen dürfen; Literaturfestivals bieten Nachrichtensprecher und andere Medienprominente auf. Trotzdem sollten wir nicht glauben, dass die Dinge im Goldenen Zeitalter der Moderne so viel anders waren. Joyces 'Ulysses' wurde 1922 in Paris mit einer Auflage von 1000 Büchern auf einer privaten Druckerpresse [der Buchhändlerin Sylvia Beach] gedruckt; aus der kleinen Auflage von Kafkas 'Verwandlung' wurden 1915 elf Exemplare verkauft - zehn davon kaufte Kafka. Aber kann einer die erfolgreichen Middlebrow-Autoren der Jahre 1922 oder 1915 nennen? Natürlich nicht. Das sollte Josipovici trösten."
Außerdem: Alberto Manguel feiert Daniel Kehlmanns nun auch auf Englisch erschienenen Roman "Ruhm". Ohne große Freude liest der Autor Giles Goden V.S. Naipauls neues Buch "The Masque of Africa": "Nie schreibt er über Afrika mit etwas, was Liebe auch nur nahe käme." Stephen Moss räumt zähneknirschend ein, dass Norman Lebrechts Buch "Why Mahler?" nicht nur "packend und informativ" ist, sondern auch besser als vieles, was er selbst schreibt.
Außerdem: Alberto Manguel feiert Daniel Kehlmanns nun auch auf Englisch erschienenen Roman "Ruhm". Ohne große Freude liest der Autor Giles Goden V.S. Naipauls neues Buch "The Masque of Africa": "Nie schreibt er über Afrika mit etwas, was Liebe auch nur nahe käme." Stephen Moss räumt zähneknirschend ein, dass Norman Lebrechts Buch "Why Mahler?" nicht nur "packend und informativ" ist, sondern auch besser als vieles, was er selbst schreibt.
Le Monde (Frankreich), 01.09.2010
Die Roma sind Europäer, und Europäer haben Reisefreiheit, schreibt Andre Glucksmann zu den populistischen Ausweisungen von Zigeunern aus Frankreich: "Es gibt ein heiteres Bild der Entwurzelung - das sind die 300.000 französischen Expats, die sich in der City bereichern, wenn die Börse steigt. Und es gibt ein tragisches Bild - das sind jene fahrenden Leute, die man von einem wilden Zeltplatz zum anderen jagt und denen man auf diese Weise das Recht zu reisen und zu betteln nimmt, das bisher nur der Kommunismus mit Gewalt brechen wollte. Roma machen Angst. Wer Roma versteckt, versteckt unsere Brüder in der Entwurzelung, die ein unausweichlicher und beängstigender Teil unseres Schicksals sind. Die Angst vor den Roma ist eine uneingestandene Angst vor uns selbst."
Salon.eu.sk (Slowakei), 04.09.2010
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Boston Globe (USA), 05.09.2010
Städte haben sich eigentlich immer nur um "smartes Wachstum" gekümmert. Aber erstmals in der Weltgeschichte nimmt die Stadtbevölkerung ab. Schlaue Städteplaner denken daher über "smartes Schrumpfen" nach. Nicht nur in Ostdeutschland, auch in Amerika!, verkündet Drake Bennett. "In den vergangenen 50 Jahren hat die Stadt Detroit mehr als die Hälfte seiner Einwohner verloren. Ebenso Cleveland. Und sie stehen nicht allein da: Acht der 1950 zehn größten Städte der USA, inklusive Boston, haben seitdem mindestens zwanzig Prozent ihrer Bevölkerung verloren. Doch während Boston in den letzten Jahren diesen Schwund ein wenig ausgleichen und sich selbst zum Hort einer blühender Angestellten-Ökonomie entwickeln konnte, zeigen die weitaus drastischen Verluste in Detroit, Youngstown, Ohio, oder Flint, Michigan - Verluste an Menschen, Jobs, Geld und sozialen Bindungen - keine Anzeichen einer Kehrtwende. Die Immobilienkrise hat diesen Prozess nur beschleunigt."
Das Magazin (Schweiz), 04.09.2010
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Auf der Webseite des Radiosender PBS erklärt Fetterman seine Politik im Videointerview. Eins seiner Projekte war übrigens eine Partnerschaft mit der Jeansfirma Levis, die Braddock als Hintergrund für eine Werbekampagne nutzte und dafür einen Teil des Gemeinschaftszentrum finanzierte. Der Film, in drei Teilen auf Youtube zu sehen, ist gar nicht so schlecht, man lernt einige Leute aus Braddock kennen. Hier der erste Teil:
Elet es Irodalom (Ungarn), 03.09.2010
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Der Verfassungsrechtler Gabor Halmai hat kürzlich befürchtet, Ungarn werde sich unter der Leitung der neuen Regierung von der Rechtsstaatlichkeit verabschieden (mehr hier). Der Philosoph Attila Ara-Kovacs und der Rechtsanwalt Matyas Eörsi fanden diese Furcht übertrieben: Demokratie sei nun mal nichts fertiges, und aus jeder Krise könne man lernen (mehr hier). Der Literaturwissenschaftler Sandor Radnoti hoffte auf eine Hinwendung und Treue der Bevölkerung zu einer "unsichtbaren Verfassung", einem "Vaterland in der Höhe" (mehr hier). Der Politologe Zoltan Fleck muss wohl eher unter die Pessimisten eingereiht werden. Eine stabile Demokratie braucht eine stabile Zivilgesellschaft, und an der fehlt es in Ungarn, schreibt er. "Innerhalb zweier Jahrzehnte wurde der Satz 'wir sind Teil Europas' zu einem leeren Slogan und trotz aller institutionellen Kompatibilität ist diese Europäisierung in den Tiefen der Gesellschaft fragmentarisch geblieben. Die Flucht vor der Freiheit ist heute stärker als der Wunsch, ein europäischer Bürger zu werden. Letzteres erfordert nämlich zivile Aktivität, kritische Attitüde, den Geist der Freiheit und eine republikanische Moralität. Die Illusion, diese Werte könnten auf spontane Weise, auf der Basis unserer tausendjährigen Tradition entstehen, wurde von der jetzigen Regierung durch die Negation all dieser Werte ersetzt. Diese beiden konkurrierenden, einander stärkenden Strategien nehmen dem Land jede Chance, sich zu einer modernen Demokratie zu entwickeln."
Economist (UK), 03.09.2010
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Liberation (Frankreich), 03.09.2010
Während Deutschland strikt mit seinen eigenen Debatten um die Immigration und die Muslime befasst ist, geht in Frankreich die maßgeblich von Bernard-Henri Levy befeuerte Kampagne gegen die geplante Steinigung der Iranerin Sakineh Ashtiani weiter. Für Liberation interviewt Levy per Mobiltelefon den Sohn Ashtianis, Sajjad, einen Busschaffner, der von neuen Schikanen gegen seine Mutter berichtet. Und dann folgt diese Passage:
"Sajjad: Meiner Mutter, die nichts getan hat, droht Steinigung. Während der wirkliche Mörder, Taheri [er soll den Ehemann Ashtianis ermordet haben, mehr hier], frei herumläuft...
Levy: Weil Sie ihm verziehen haben...
Sajjad: Ja. Er ist Vater einer kleinen Tochter von drei Jahren. Er hat im Gespräch mit uns viel geweint. Meine Schwester und ich wollten nicht schuld sein an seiner Hinrichtung." Der Vollzug der Hinrichtung Ashtianis ist vorerst ausgesetzt. Gleichzeitig meldet Liberation aber, dass Ashtiani zusätzlich zu 99 Peitschenhieben verurteilt worden sei.
Levys Blog La regle du jeu setzt unterdes seine Kampagne mit Briefen Prominenter an Ashtiani fort. Geschrieben haben unter anderem Isabelle Huppert und Roberto Saviano.
"Sajjad: Meiner Mutter, die nichts getan hat, droht Steinigung. Während der wirkliche Mörder, Taheri [er soll den Ehemann Ashtianis ermordet haben, mehr hier], frei herumläuft...
Levy: Weil Sie ihm verziehen haben...
Sajjad: Ja. Er ist Vater einer kleinen Tochter von drei Jahren. Er hat im Gespräch mit uns viel geweint. Meine Schwester und ich wollten nicht schuld sein an seiner Hinrichtung." Der Vollzug der Hinrichtung Ashtianis ist vorerst ausgesetzt. Gleichzeitig meldet Liberation aber, dass Ashtiani zusätzlich zu 99 Peitschenhieben verurteilt worden sei.
Levys Blog La regle du jeu setzt unterdes seine Kampagne mit Briefen Prominenter an Ashtiani fort. Geschrieben haben unter anderem Isabelle Huppert und Roberto Saviano.
Folio (Schweiz), 06.09.2010
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In Brigitte Kronauers Geschichte empfangen die Herren Franz, Hans und Heinz abends zum Schachspiel die Zukunft in Gestalt eines Herrn Fendle. Hier der Anfang der Geschichte: "Manchmal muss sich Herr Fritzle, Fritzle mit den Hochstammrosen nahe der Unterführung, beim Schachspielen mächtig zusammenreissen. Noch eben saß er friedlich zu einem Gläschen Genever mit den Freunden und einem Gast am Tisch, tut es immer noch, aber seine Gelassenheit ist dahin. Fritzle hat plötzlich das Gefühl, dass jemand draußen steht und durch die Scheiben beäugt, wie sie vier sich behaglich fühlen. Der Jemand tut ihnen nichts, aber er starrt sie schändlich an. Fritzle, das ist das Unheimliche, sieht auf einmal sich, die beiden Freunde und den redlichen Gadow mit den hungrigen Augenlöchern des Beobachters draußen an und wie grausig sie drinnen entblößt sind von jedem wohligen Schmelz. Fritzle wird diesen Jemand, diesen Schädling, das steht für ihn fest, niemals einlassen, und wenn der sich die Nase am Fenster blutig drückt! Natürlich hütet sich Fritzle, eine Silbe davon zu verraten. Er atmet nur tief auf, wenn die Musterung aus der Nacht für diesmal vorüber ist."
Lars Gustafssons Ich-Erzähler und Doktor Pecus sind mit dem Rad unterwegs zu einem Kloster, wo ein mysteriöses, altes Schaufelrad entdeckt wurde. Sie denken über dessen mögliche Erfinder nach: "'Ich glaube', murmelte ich zu Dr. Pectus hin, der sich immer noch über seinen Lenker beugte, als suche er nach einer defekten Stelle am Vorderreifen, 'ich glaube, was uns von den Alten trennt, ist, dass die Zeit für sie ganz und gar zusammenhängend gewirkt haben muss. Sie sahen offenbar Zeit und Raum als ein Kontinuum.' - 'Du hast so recht, mein Junge. Ja, so sahen sie es. Zweifellos.' - 'Sie haben keinen Zeitrutsch, keine Senkungen und Lawinen erlebt.' - 'Oder', sagte Dr. Pectus, der jetzt eher bemüht schien, das Gespräch zu beenden, um in seine eigenen Überlegungen zu flüchten, 'als sie zu verstehen begannen, war es leider eigentlich schon zu spät.' Die Alten hatten die kompliziertesten mathematischen Beweise den Maschinen überlassen. Irgendwann unterwegs war diese Unsicherheit entstanden. Was sie tatsächlich erfunden oder eher entdeckt hatten, war viel mehr, als sie selbst begreifen konnten. Ein Riss im dichten Gewebe der Zeit."
Magyar Narancs (Ungarn), 26.08.2010
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Vanity Fair (USA), 01.10.2010
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David Kirkpatrick blickt in einem Porträt bewundernd auf das Internet-Genie Sean Parker, der sich bereits mit 16 Jahren in die Rechner etlicher Großkonzerne eingehackt hatte, mit 19 half, Napster zu gründen, und 2004, mit 24 Jahren Facebook mit aufbaute. David Fincher hat einen Film über ihn gedreht, "The Social Network", mit Justin Timberlake in der Hauptrolle. "In der Darstellung von Drehbuchautor Aaron Sorkin, kommt Parker als aggressiver, gieriger - und, ja, visionärer - Stratege daher. 'Ein Million Dollar ist nicht cool', sagt Parker an einer Stelle des Films. 'Weißt Du, was cool ist? Eine Milliarde.' Zuckerberg, gespielt von Jesse Eisenberg kommt als großspurig, wütend und irgendwie sexbesessen rüber." In Wirklichkeit, so Kirkpatrick, ist Parker viel komplexer!
Christopher Hitchens stellt klar, dass er selbst auf die wohlmeinendsten Gebete für seine Gesundung nicht viel Hoffnung setzt, aber für medizinische Hilfe von hervorragenden Wissenschaftlern wie dem überzeugten Christen Francis Collins sehr dankbar ist.
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