
In einem Beitrag zum Thema
Genderneutralität schreibt die tschechische Lektorin und Übersetzerin
Lucie Bregantová mit einem gewissen Neid und Bewunderung über die englischsprachige Literatur, die es sich ihrer großen Leserschaft wegen erlauben könne, sich Minderheitenthemen zu widmen, vor allem aber den "riesigen Vorteil" habe, schon
sprachimmanent quasi genderneutral zu sein. Denn während man im Englischen - und bis zu einem gewissen Grad auch im Deutschen - lange Abschnitte eines erzählenden Ichs lesen kann, ohne dabei zu ahnen, ob es sich um ein männliches oder weibliches Ich handelt, ist das im Tschechischen schon aus grammatisch-morphologischen Gründen schier nicht möglich, da zum Beispiel die
Vergangenheitsform von Verben automatisch von einer weiblichen oder männlichen Endung markiert wird. (Ein Aspekt, der übrigens auch die romanischen Sprachen betrifft.) Auch die Dichterin
Kateřina Matuštíková hat sich letzten Monat in einem
Artikel diesem Problem gewidmet, das ja in den slawischen Sprachen schon beim
geschlechtlich markierten Nachnamen beginnt. (Entsprechend schreibt die Autorin sich Katka Matuštík*ová.) Bregantová schreibt, es sei kein Zufall, dass etwa
Jeanette Wintersons Roman "Written on the Body" (Auf den Körper geschrieben) fast als einziger der Autorin nicht ins Tschechische übersetzt worden sei. "Er ist so geschrieben, dass uneindeutig bleibt, ob die zentrale Person ein Mann oder eine Frau ist." Auch wenn der Wille da ist - das Bemühen um ein nichtbinäres oder diverses Erzählen erfordern beim Schreiben oder Übersetzen unendlich viele Kompromisse, die eine flüssige Lektüre beeinträchtigen. Dennoch macht Bregantová ein paar Vorschläge, wie man geschlechtliche Uneindeutigkeit sprachlich
einigermaßen elegant ausdrücken könnte, und meint, eine mögliche Entwicklung sei hier noch ganz am Anfang. Immerhin hat sich das Tschechische in der Vergangenheit äußerst kreativ gezeigt, was die Einverleibung von ausländischen Einflüssen und Schaffung von Neologismen betrifft.