Spätaffäre

Ich bin ja kein Befruchtungsautomat

Vorschläge zum Hören, Sehen, Lesen. Wochentags um 17 Uhr
07.03.2014. Dradio Kultur schickt "Zwei nette kleine Damen auf den Weg nach Norden". Das SZ Magazin unterhält sich mit Helena Angermaier, die 10.000 Kinder gezeugt hat, die Sibylle Lewitscharoff lieber nicht sehen würde. Arundhati Roy spielt mit riesigem Afro eine Architekturstudentin. Und Jon Ronson dokumentiert die obsessive Arbeitsweise Stanley Kubricks.

Für die Ohren

In einer Ursendung bringt Deutschlandradio Kultur Pierre Nottes Hörspiel "Zwei nette kleine Damen auf dem Weg nach Norden", Bearbeitung und Regie von Beatrix Ackers, mit Irm Hermann und Uta Hallant in den Hauptrollen. Zwei Schwestern bringen die Asche ihrer Mutter zum Grab des Vaters - ein komisches Roadmovie mit Blechschäden und Musik. (56 Min.)

Ebenfalls auf Deutschlandradio Kultur unterhält sich der amerikanische Autor Jonathan Lethem mit Matthias Hanselmann über seinen Generationen-Roman "Der Garten der Dissidenten". Er spricht unter anderem über seine jüdische Großmutter, die Kommunistin Rose, über den Sozialismus nach Stalin und was davon übrig blieb sowie über die Verlegenheit der amerikanischen Linken. (11 Min.)
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Für Sinn und Verstand

Am vergangenen Sonntag ließ Sibylle Lewitscharoff in einer Rede ihrem Abscheu vor künstlicher Befruchtung freien Lauf (mehr hier). Im heute erschienenen SZ-Magazin berichtet die Embryologin Helena Angermaier, die das Verfahren der "Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion" (ICSI) mitentwickelt und auf diesem Weg rund 10 000 Kinder gezeugt hat, in einem Interview mit dem Autor Andreas Bernard von ihrer Arbeit. Dabei bekennt Angermaier, dass sie die fehlende Langzeiterfahrung durchaus beunruhigt: "Ich bin ja kein Befruchtungsautomat, sondern ein Mensch mit Gedanken und Gefühlen, und ich frage mich immer noch oft: Was passiert eigentlich wirklich in der Eizelle, wenn ich in sie hineinsteche? Ich mische doch das ganze Zytoplasma durcheinander!" Trotzdem ist sie mit ihrer Lebensleistung im Reinen: "Tausende von Kindern im Labor zu zeugen ist mir einfach lieber, als ein einziges eigenes zu haben. Ich sage das zuweilen auch ganz offen: dass mir Kinder am sympathischsten vor dem fünften Lebenstag sind. Da kann ich sie in den Brutschrank stellen, und sie sind still. Wenn meine Patienten dann später mit ihren Neugeborenen in der Praxis vorbeischauen, freue ich mich natürlich schon, weil ich meinen beruflichen Erfolg in dem Moment ganz anschaulich vor mir sehe. Dann sage ich meinen Standardspruch: 'Dich habe ich schon als Vierzeller gekannt', und diese Tatsache wird ihre Faszination nie verlieren."

Im New York Times Magazine porträtiert Siddhartha Deb die indische Autorin und Aktivistin Arundhati Roy, die gerade an einem neuen Roman arbeitet, dem ersten seit "Der Gott der kleinen Dinge" (hier die Kritiken in FAZ und Zeit). Roy, die bei ihrer Mutter in Kerala aufwuchs, enttäuschte sehr früh die in sie gesetzten Erwartungen der konservativen christlich-syrischen Community, zu der ihre Mutter gehörte. Sie hatte mehr Umgang mit Dalits als mit ihren eigenen Leuten und verließ das College, das sie auf ein Leben als Sekretärin vorbereiten sollte, um in Delhi Architektur zu studieren. Auch hier fügte sie sich nicht ein: "Sie kämpfte, erzählt sie, mit Fragen, auf die ihre Professoren keine Antworten hatten: 'Was für eine Ästhetik habe ich? Für wen entwerfe ich? Und wenn man ein Haus entwirft, wie stellt man sich darin die Beziehung zwischen Mann und Frau vor? Es wurde einfach größer und größer. Wie sind Städte organisiert? Für wen sind Gesetze gemacht? Wer wird als Bürger angesehen? Am Ende floss das alles für mich in etwas sehr Politisches zusammen.' Roy weigerte sich, für ihr Abschlussprojekt ein Gebäude zu entwerfen. Statt dessen schrieb sie eine Thesis über 'Postkoloniale städtische Entwicklung in Delhi'."

Für die Augen

Als Arundhati Roy in Delhi Architektur studierte, lebte sie unter den Studenten in einer Gegenkultur, die sie in ihrem Drehbuch für den Film "In Which Annie Gives It Those Ones" (1989) beschrieb. Roy spielte sogar selbst mit: Radha, ein elfenhaftes Wesen mit riesigem Afro, die die Architektur aufgibt, um einen Roman zu schreiben. Regie führte Pradip Krishen. Und in einer winzigen Nebenrolle: Shah Rukh Khan, bevor er zum Superstar wurde. Die imdb stuft den Film mit ausgezeichneten 7,6 Punkten ein. Auf Youtube kann man den Film in 12 Teilen sehen - leider in ziemlich schlechter Bildqualität, aber dafür mit englischen Untertiteln.

Heute jährt sich der Todestag von Stanley Kubrick zum 15. Mal. Auf vimeo ist Jon Ronsons faszinierende TV-Dokumentation "Stanley Kubrick's Boxes" aus dem Jahr 2008 zu sehen, die sich dem New Yorker Meisterregisseur über seine obsessive Arbeitsweise annähert. Sehr sehenswert! (48 Min.)


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