Außer Atem: Das Berlinale Blog

Huldigt der Königin der Blackness: Liz Garbus' 'What Happened Miss Simone' (Panorama)

Von Thekla Dannenberg
08.02.2015. Liz Garbus erzählt in ihrer Doku "What Happened Miss Simone", wie sich Nina Simone von der Callas am Klavier zu einer zornigen Bürgerrechtlerin entwickelte.


Ein Denkmal für Nina Simone ist dieser Film der Regisseurin Liz Garbus, der vom Streamingdienst Netflix für eine Reihe prestigeträchtiger Dokumentationen in Auftrag gegeben und von Nina Simones Tochter Lisa mitproduziert wurde. Es ist eine einzige Huldigung der Jazzlegende und Menschenrechtsikone, quasi auf Knien gedreht, aber in jeder Hinsicht so professionell gemacht, dass man sich ihm nicht entziehen kann. Denn der Film versucht tatsächlich zu ergründen, worin die Bedeutung ihrer Musik, ihres politischen Engagements und ihrer Persönlichkeit bestanden hat. Aber vor allem ist man natürlich von Nina Simone in den Bann geschlagen, der Hohepriesterin des Souls, die hier in ihrer ganzen Großartigkeit, ihrer Radikalität und ihrer ganzen Verzweiflung und Zerrüttung dargestellt wird.

"What Happened, Miss Simone?", fragte Maya Angelou in ihrem berühmten Text über Nina Simone. Wie ist aus Eunice Waymon, dem wohlbehüteten Kind aus einer Methodistenfamilie in Tryon, North Carolina, die brillante, aber zornige und einsame Nina Simone geworden? Der Film beantwortet die Frage mit Hilfe von alten Fernsehaufnahmen, Konzertmitschnitten und ihren Tagebüchern, aber auch aktuellen Interviews mit Weggefährten, mit der Tochter und dem Ex-Mann. Er folgt dem Leben der hochbegabten Pianistin, die in der New Yorker Carnegie Hall Bach spielen wollte, jedoch von den Musikhochschulen in New York und Philadelphia abgelehnt wurde, so dass sie in Bars oder im Penthouse von Hugh Hefner Jazz singen musste.

Dabei war sie alles andere als eine Entertainerin. Sie meinte ihre Musik verdammt ernst, sie führte den Kontrapunkt in den Blues ein, maßregelte bei Konzerten undisziplinierte Zuhörer und verlangte sich körperlich und seelisch das Maximum ab. Beinahe wäre sie, so sagt sie es selbst, die perfekte "rich black bitch" geworden, die einverstanden mit der Welt ist und alles hat, was man für Geld kaufen kann. Eine Art schwarze Maria Callas am Klavier.

Doch der Ku-Klux-Klan und sein Attentat auf die Baptistenkirche von Birmingham 1963, bei dem vier Schulmädchen ums leben kamen, machten diesem Leben einen Strich durch die Rechnung. Quasi über Nacht schrieb sie ihr Stück "Mississippi Goddam", sie wurde so zornig, dass ihre Stimme brach.



Sie tat sich mit Harry Belafonte, James Baldwin und Malcolm X zusammen, wurde immer radikaler und nach all den Lynchmorden und dem Attentat auf Martin Luther King trat sie beim Harlem Festival 1969 als Königin der Blackness auf. Die Haare wie eine Krone um den Kopf geschlungen, mit Riesenkreolen und in prächtigem afrikanischen Gewand sang erst ihre legendäre Hymne "Young, Gifted and Black", um dann das Publikum hochzuschaukeln, während sie sich rhythmisch zu den Trommeln wiegte und ein Gedicht von vortrug: "Are you ready? Are you ready to do what is necessary? Are you ready to kill if it"s necessary?"





Auf die Hochphase folgte der Absturz natürlich prompt. Weil ihrem Mann und Manager, einem New Yorker Ex-Cop, nichts Schlaueres gegen ihre Depressionen einfiel, als sie zu verprügeln, ließ sie sich scheiden und setzte sich nach Liberia ab, wo sie finanziell, seelisch und körperlich vor die Hunde ging, bis sie sich als komplett zerrüttetes Wrack nach Paris rettete. Der Film spart nichts aus, auch nicht die späten Konzert-Auftritte in Montreux, mit denen die aufgeschwemmte und mental disparate Nina Simone ihr Comeback versuchte. Nur ganz zum Schluss, wenn sie an einem Bösendorfer-Flügel sitzt, dann verflüchtigen sich für einen Augenblick noch einmal ihre Dämonen, dann entspannt sich die kräftige, ernste und einsame Nina Simone für einen Augenblick, lächelt und singt "My Baby Just Cares for Me". Und was ist nun also geschehen, Miss Simone? "Amerika", das ist passiert.

Liz Garbus: "What Happened, Miss Simone?". USA 2015, 102 Minuten. (Vorführtermine)