Efeu - Die Kulturrundschau

Offenbarung in Plauen

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03.02.2024. Nachtkritik lernt von Daniil Charms, wie man am Theater Empörung durch befreiendes Lachen ersetzen kann. Zeit online erklärt, warum der Tantiemenstreit zwischen Universal und TikTok gesellschaftspolitische Folgen in der ganzen Welt haben kann. In der FAZ protestiert Titanic-Mitbegründer Bernd Eilert gegen die Zumutung eines gezähmten Humors. Die taz ist traurig, dass sich kaum jemand über das Kinosterben aufregt. Auf Zeit Online schildert die Science-Science-Fiction-Schriftstellerin Aiki Mira, wie der kranke reale Körper dem utopischen schreibenden Grenzen setzt. Kommt nach poplinks jetzt poprechts, fragt sich die Zeitschrift Testcard.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 03.02.2024 finden Sie hier

Musik

Beim Tantiemenstreit zwischen Universal und TikTok - der unter anderem zur Folge hat, dass Musik von Taylor Swift und Billie Eilish auf der Kurzvideo-Plattform nicht mehr zu hören ist - geht es um mehr als nur um Geld, schreibt Götz Hamann auf Zeit Online: "Beide Konzerne haben eine solche Größe erreicht, dass Entscheidungen des Managements (gesellschafts-)politische Folgen in ganzen Weltregionen haben können. TikTok und Universal sind zu sogenannten Non-State-Actors auf der politischen Bühne herangewachsen. ... Nun begründet das Label Universal den Entzug seines Katalogs auch damit, dass TikTok nicht genug gegen 'Hassrede, Fanatismus, Mobbing und Belästigung' unternehme. Darin schwingt eine Drohung mit: Schaut euch gut an, was mit der Plattform X passiert ist. Im vergangenen Jahr haben viele Unternehmen ihre Werbung auf dem Kurznachrichtendienst gestoppt, nachdem Elon Musk X zu einem Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker, Hetzer und andere Verbal-Täter gemacht hatte. X ist dadurch in existenzielle Not geraten, ein Bankrott ist nicht ausgeschlossen, und vor diesem Hintergrund ist die Forderung von Universal zu verstehen. Non-State-Actors handeln meistens nicht aus Nächstenliebe. Im konkreten Fall hadert der Musikkonzern auch damit, dass seine Künstler in sozialen Netzwerken im Umfeld all des Hässlichen zu sehen sind, das der Mensch eben auch hervorbringt. Universal versteckt dieses Problem hinter einer abstrakten Formulierung."

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Wird Pop von rechts unterwandert? Kommt nach poplinks poprechts? Diese Fragen stellt sich die neue Ausgabe der Zeitschrift Testcard, die von der Feuilleton-Popkritik aufmerksam gelesen wird. "Viele disparate, auch mehrdeutige Phänomene tragen bei zur schleichenden Gewöhnung an eine Faschisierung des Alltags", notiert Klaus Walter in der FR. "Rechtspop sei 'gerade deshalb so erfolgreich, weil er sich erfolgreich sämtliche Stile und Genres anverwandeln kann, allen etwaigen Widersprüchen zum Trotz. Ob NSBM (Nazi Black Metal), Rechtsrock, rassistische Rapper, Volksmusikrocker, Fashwave: Alles scheint möglich.' Das Konglomerat Rechtspop hat größere Reichweiten, als der 'böhse' alte Rechtsrock, denn 'Pop als Chiffre umfasst die gesamte Kulturproduktion'." Dass man nicht über jedes Stöckchen springen sollte, nimmt SZ-Kritiker Joachim Hentschel als Erkenntnis mit, und dass man "sich die Wadenkraft lieber für die Fälle aufheben sollte, in denen sie viel dringender gebraucht wird" - etwa um den "den Druck auf Plattformen und Konzerne umso unerbittlicher zu erhöhen, eine echte Allianz gegen die wahren Hetzer und Demagogen zu bilden. Man könnte alberne Plumpsprovokationen von Till Lindemann und den Wehleidigkeitsrock konservativer Burschenbands in Zukunft unhöflich ignorieren. Und stattdessen dafür sorgen, dass es für Dienste wie Tiktok oder Apple ernste Folgen hat, wenn bei ihnen Rechtsrap läuft und Influencerinnen lustig 'Mein Kampf' in die Kamera halten."

Außerdem: Nach dem wohl nicht erfolgreichen Aufruf, Israel aus dem Eurovision Song Contest zu streichen, bleibt für Elke Wittich im Jungle-World-Kommentar "die Frage, wie sicher sich israelische Künstler, Fans und Journalisten bei der Veranstaltung überhaupt fühlen können". Thomas Venker spricht für die taz mit der irischen Musikerin Roísín Murphy. Leonie Gubela erzählt in einer taz-Reportage von ihren Begegnungen mit jungen Taylor-Swift-Fans. In der Welt kann sich Jörg Wimalasena derweil nicht vorstellen, dass Taylor Swift am Wahlergebnis in den USA einen entscheidenden Anteil haben wird. Elmar Krekeler erzählt in der WamS von seiner Begegnung mit dem Oboisten Albrecht Mayer. Peter Praschl vergräbt sich für die WamS in der Welt der Spotify-Mood-Playlists und fragt sich, ob es "vielleicht eine Befreiung ist, wenn man sich nicht mehr fragen muss, was ein Stück bedeutet, wofür es steht, wie innovativ es ist und dergleichen mehr". Heidi Klum hat mit ihrer Coverversion von Corey Harts 80s-Klassiker "Sunglasses at Night" das Original gründlich missverstanden, glaubt Andrian Kreye in der SZ: Bei ihr "wandelt sich die Sonnenbrille vom Schutz des Gequälten zur Barriere der Privilegierten".

Besprochen werden das neue Album von Ja Panik (Zeit Online), ein Konzert von Evgeny Kissin in Wien (Standard) und das derzeit in der Popkritik für einiges Aufsehen sorgende Debüt von The Last Dinner Party (SZ).

Archiv: Musik

Literatur

Auf Zeit Online denkt die Science-Science-Fiction-Schriftstellerin Aiki Mira über das Schreiben unter den Bedingungen eines alternden, von Krankheiten entkräftigten Körpers nach: In diesem Fall "demonstrieren sie uns ihre Materialität, erinnern uns, dass sie mehr sind als gesellschaftliche Konstruktionen. ... Im Schreiben fließt mein Körper über vor Verlangen, ist zum Platzen voll mit zahllosen Vorstellungen von dem, was sein könnte. Den schreibenden Körper verstehe ich daher immer auch als Transkörper: als eine sehnsuchtsvolle Ausrichtung auf das Werden. Ein schreibender Körper ist ein utopischer Körper, weil er zum Ort wird, an dem Utopien entstehen. Nicht-Orte, die wir im Schreiben bereisen. Das plötzliche Stechen einer schlecht verheilten Narbe. Das Pochen an der Schläfe. Wenn mein Körper mir Grenzen setzt, Einspruch erhebt, erscheint er mir besonders unutopisch, reißt er mich doch heraus aus dem Anderswo des Schreibens und wirft mich zurück auf meine vergängliche Materialität, auf das kurze Hier und das noch kürzere Jetzt."

Immer weniger Deutsche lesen Bücher, aber immer mehr Deutsche wollen Bücher schreiben: eine Entwicklung, die der Schrifsteller Alexander Estis in "Bilder und Zeiten" (FAZ) nicht nur mit Sorge, sondern auch mit einem guten Maß an Ekel beobachtet: "Wo sich jeder, noch bevor er ein halbwegs passabler Leser geworden ist, gleich zum Autor erkoren sieht, wo jeder sein Privatgekritzel als vortreffliches Sprachwerk betrachtet, wo es also keinen kategorischen Unterschied gibt zwischen Max Frisch und Max Mustermann, dessen Sätze mehr Stilfehler enthalten als Wörter - dort ist jeglicher Begriff von künstlerischer Professionalität und von geistigem Anspruch verloren. Mit diesem Verlust ist zugleich auch die Chance vertan, Geschmack, Stil, Witz und gedankliche Schärfe an Vorbildern zu erziehen und zu messen. ... Der harmlose, strebsame Amateur wird in dieser Perspektive zu einem Vollstrecker der ubiquitären Trivialtyrannei, während er im Bezug auf die Kunst der tragikomisch Liebende bleibt: Aus der Ferne betet er sie an und wähnt, er empfinge von ihr geheime Zeichen der Zuwendung, während er ihr in Wahrheit gleichgültig ist."

Dem Schriftsteller Bernd Eilert, einst bei der Neuen Frankfurter Schule tätig, später als Texter für Otto Waalkes sehr erfolgreich, wird es in "Bilder und Zeiten" ganz anders, wenn er sieht, wie Humor und Komik heute gezähmt und darauf reduziert werden soll, konstruktive Verbesserungsvorschläge zu machen statt Häme und Spott über Zumutungen und Irrgängerei der Gegenwart auszugießen. Schon beim Niedergang des Satiremagazins Pardon in die Welt von Innerlichkeit und Meditation konnte man "zum ersten Mal miterleben, wie eine Ideologie - gut gemeint oder nicht - der Komik in die Quere kam. Anhänger einer bestimmten Ideologie sind berechenbar und tun sich mit Komik dementsprechend schwer, da Komik ohne Überraschungselement nicht auskommt. Nonsens ist zudem antiautoritär, da er Sinn untergräbt und damit zum natürlichen Feind aller Sinnstifter und ihrer Missionare wird. Die Dinge allzu ernst zu nehmen, dazu neigte keiner von uns. Eine gewisse Frivolität im Sinne von Leichtfertigkeit war die Basis der Beziehungen, die sich im Rahmen der NFS ergaben und zu jahrelanger Zusammenarbeit in unterschiedlichen Konstellationen führten: Ideologien waren unerwünscht, es galt ein klares Ja zum Nein. Heute ist ein Nein zum Ja ebenso wichtig. Das heißt: Tendenzen, Komik zu bagatellisieren oder zu instrumentalisieren, zu inkriminieren oder zu reglementieren, sind strikt abzulehnen."

Weiteres: Jan Wiele erzählt im "Literarischen Leben" der FAZ von seinen Begegnungen im Amsterdam mit niederländischen und flämischen Schriftstellern. Cigdem Toprak schreibt in der NZZ einen Nachruf auf den türkischen Schriftsteller Mario Levi. Georg Stefan Troller erinnert sich in der Literarischen Welt an seine Begegnung mit Jean-Paul Sartre. Außerdem bringt die Literarische Welt eine Erzählung des Schriftstellers Andreas Stichmann.

Besprochen werden unter anderem Louise Kennedys "Übertretung" (Zeit Online), Haruki Murakamis "Die Stadt und ihre Mauer" (taz), Iris Wolffs "Lichtungen" (NZZ), José Faleros "Supermarkt" (Presse), Malte Herwigs "Austrian Psycho" über den mordenden Schriftsteller Jack Unterweger (NZZ), Omri Boehms und Daniel Kehlmanns Gesprächsband "Der bestimmte Himmel über mir" über Kant (FAZ) und Nicole Seiferts Studie "Einige Herren sagten etwas dazu" über die Autorinnen in der Gruppe 47 (LitWelt).
Archiv: Literatur

Bühne

Szene aus Daniil Charms' "Jelisaweta Bam" am Theater Zwickau-Plauen. Foto: André Leischner


In der nachtkritik freut sich Michael Bartsch über die Ausgrabung von Daniil Charms' Stalinismus-Komödie "Jelisaweta Bam". Carlos Manuel hat es am Theater Zwickau-Plauen inszeniert. Tragischer Stoff, aber Bartsch muss immer wieder lachen, wie Charms das ins Absurde dreht. "Was unser gegenwärtiges, eher zu Schwermut und sublimierter Empörung neigendes Theater lernen kann, ist auf jeden Fall der spielerisch-offensive Umgang mit Nöten, das im Halse stecken gebliebene und sich dennoch befreiende Lachen. Den Glauben an die überwindende Kraft von Esprit, Fantasie und Jonglage mit den Weltproblemen. Denn im Vergleich mit unserem heutigen, meist autosuggerierten Elend waren die damaligen Verhältnisse wirklich existenzbedrohend. Regisseur Carlos Manuel bringt Witz und Charme mit, inszeniert aber ohne billige Lacherköder." Und er hilft auf der Bühne aus, ebenso eine Inspizientin und eine Regieassistentin, die das fehlende Darstellerpersonal an dem kleinen Theater bravourös ergänzten. "Eine Offenbarung in Plauen, wie Theater schon mal ging und auch heute wieder anders gehen könnte", findet Bartsch.

Weitere Artikel: Ronald Pohl unterhält sich für den Standard mit der Schauspielerin und Biologin Isabella Rosselini über ihre One-Woman-Show "Darwin's Smile" im Landestheater St. Pölten. "Ich erwarte von Tieren nicht, dass sie mir beibringen, wie ich mich verhalten soll. Mein Interesse an Tieren gleicht dem eines Biologen an Zellstrukturen", erklärt sie ihm. In der FAZ (Bilder und Zeiten) plädiert der Literaturwissenschaftler Mathias Meyer dafür, auf deutschen Bühnen nicht nur Shakespeares "Hamlet" sondern auch mal Konrad Ekhofs "Der Bestrafte Brudermord" aus dem Jahr 1781 zu spielen. Wiebke Hüster berichtet in der FAZ von Hannovers neuem Real Dance Festival.

Besprochen werden Claude De Demos und Jorinde Dröses "#Motherfuckinghood" am Berliner Ensemble (nachtkritik) und Thomas Jonigks Inszenierung von Ibsens "Gespenstern" am Schauspiel Köln (nachtkritk).
Archiv: Bühne

Film

Katharina J. Cichosch resigniert in der taz: Würden Museen schließen, wäre der Aufschrei groß, doch wenn Kinos sterben, wird ringsum mit den Achseln gezuckt, gerade auch in der Kulturpolitik. Nur weil Kino automatisch als Kommerz und Konsum gilt? "Dabei entspricht ironischerweise ein durchschnittlicher Ausstellungsbesuch viel eher dem (gerade unter Kunstmenschen) vielgeschassten 'neo-liberalen' Kulturkonsum als der Besuch einer Filmvorstellung im auch sozial durchmischten Treffpunkt Kino. ... Bevor nun weiterhin Kinohäuser für immer geschlossen werden, könnten neue Allianzen aus den heute separierten Ökonomien Kunst und Kino geschmiedet werden: Warum nicht Videokunst im Filmsaal zeigen? Kulturpolitisch geförderte Kooperationen mit Museen und Kunstakademien eingehen? Allein werden sie die Lichtspielhäuser nicht retten. Dafür bräuchte es ein radikales Überdenken der Geringschätzung für den Kulturort Kino."

Weiteres: Elena Oberholzer porträtiert für die NZZ die Schauspielerin Ayo Edebiri, die gerade von einer Auszeichnung zur nächsten geht. Werbeeinblendungen und höhere Preise, dafür aber auch weniger Neuproduktionen: Die goldenen Zeiten des Streamings scheinen vorbei, kommentiert Kurt Sagatz im Tagesspiegel. Für die Presse gleicht Heide Rampetzreiter die Netflix-Serie "Griselda" mit dem wahren Leben der für ihre Skrupellosigkeit berüchtigten Drogenbaronin Griselda Blanco ab. Und die Agenturen melden, dass der aus den "Rocky"-Filmen bekannte Schauspieler Carl Weathers gestorben ist.

Besprochen werden Blitz Bazawules Neuverfilmung von "Die Farbe Lila" als Musical (taz), Kida Khodr Ramadans ARD-Serie "Testo" (FAZ, Tsp), die Netflix-Serie "The Brothers Sun" mit Michelle Yeoh (Presse), Christopher Dolls "Eine Million Minuten" mit Karoline Herfurth und Tom Schilling (Freitag, FD, unsere Kritik), Matthew Vaughns Actionkomödie "Argylle" (FAZ, Welt) und die Amazon-Serie "Mr. und Mrs. Smith" (Tsp).
Archiv: Film

Design

Daniel Lüthi schreibt im Tages-Anzeiger zum Tod des Berner Designers Hans Eichenberger: "Seine Stehleuchte, seine Stühle und Sessel gehören seit über sechs Jahrzehnten weitherum in form- und qualitätsbewusste Haushalte und Institutionen. ... In einer Monografie mit dem Titel "Protagonist der Wohnkultur" werden die Eichenberger-Klassiker als 'Erfolgsmodelle ohne Starallüren' beschrieben. Dazu gehören der Saffa-Stuhl von 1955 aus verchromtem Stahlrohr und mit lederbezogener Sitzfläche, der klappbare Expo-Stuhl von 1964 aus Holz oder das äußerst erfolgreiche Schrankmöbel 'Litfasssäule' von 1993."
Archiv: Design

Architektur

Jörg Häntzschel hat sich für die SZ David Chipperfields Sanierungspläne für das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg angesehen und ist zufrieden: Chipperfield beschränkt sich hauptsächlich auf kleine Verbesserungen, nichts spektakuläres. "Einen unübersehbaren Neubau planen die Architekten aber doch: Bisher endete der Weg durch den Kreuzgang abrupt an einer Wand. Der südliche Teil, der wieder zurück ins Museum geführt hätte, wurde im Krieg zerstört. Die Architekten wollen ihn durch einen Neubau ersetzen. Nicht als historische Mimikry wie beim Berliner Stadtschloss, sondern abstrahierend, in einer 'Reparatursprache', wie sie es nennen." Vorbildlich, findet Häntzschel diese behutsame Sanierung.
Archiv: Architektur

Kunst

Evan Roth, Since you were born, 2019

Size matters, auch in der Fotografie, lernt taz-Kritikerin Regine Müller beim Gang durch die gleichnamige Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast. "Historisch breitet die Schau den ganzen Kosmos des Mediums aus - von den experimentellen Anfängen über briefmarkengroße Medaillonfotos mit Lupen zur Vergrößerung bis zu privaten Familienfotoalben der mittleren Jahre des 20. Jahrhunderts - und beleuchtet intensiv den Aufstieg der Fotokunst, bis sie schließlich im Belanglosen des alles mitreißenden Bildertsunamis der Instagram-Gegenwart versickert. ... Wie wachsende Größe mit einer Bedeutungskarriere einhergehen kann, ist an einer Serie von Thomas Ruff zu studieren: 1984 fotografierte er seine Akademiekollegen: kleine Porträts, die nicht viel hermachten. Später zog er die Fotos hoch zu einem mittleren Format, das ästhetisch kaum Mehrwert hatte. Erst als er die Aufnahmen 1987 vor weißem Grund ins Riesenformat hochzog, entstand etwas ganz Neues: Gesichter wurden zu befremdlichen Großstrukturen, abweisend in ihrer bedrängenden Nähe, verstörend kühl trotz ihrer unperfekten Details, der Pickel, Härchen, Unreinheiten."

Wer kennt eigentlich Lucia Moholy? Bekannt ist eigentlich nur ihr Ehemann, der Maler László Moholy-Nagy. Aber Lucia Moholy war eine Fotografin erster Güte, versichert Stefan Locke in der FAZ (Bilder und Zeiten). Das zeigte sich auch, nachdem sie das Bauhaus (und ihren Ehemann) verlassen hatte und in Berlin als Porträtfotografin reüssierte: "Sie widmete sich der Aufgabe mit der gleichen Sachlichkeit, mit der sie sich in Dessau einen Namen gemacht hatte. 'Ich habe Menschen fotografiert wie Häuser', beschrieb sie ihre Herangehensweise. Zu einem ihrer eindrucksvollsten Porträts zählt das von Clara Zetkin, der KPD-Politikerin und Alterspräsidentin des Reichstags."

Weitere Artikel: Im Tagesspiegel erzählt Katrin Sohns in einem groben Abriss die Lebensgeschichte der Josephine Baker, der die Neue Nationalgalerie gerade eine Ausstellung widmet. Waltraud Schwab besucht für die taz den Astrophysiker Christophe Kotanyi, dessen Eltern sich in den 60ern den Situationisten anschlossen. In der NZZ freut sich Michael Fleischhacker über die Wiederauferstehung des Hamburger Kunstjahrmarkts "Luna Luna" in Los Angeles. In der FAZ berichtet Stefan Locke über die Freilegung eines Wandgemäldes von Gerhard Richter im Dresdner Hygiene-Museum. Ebenfalls in der FAZ gratuliert Patrick Bahners der Fotografin Candida Höfer zum Achtzigsten.
Archiv: Kunst