Essay

Anmerkung zu einem richtigen Urteil

Von Martin Vogel
01.07.2016. Der Streit um den Verlegeranteil an den Ausschüttungen der VG Wort ging durch alle Instanzen zum Bundesgerichtshof, der das Verfahren wegen einer vorgreiflichen Entscheidung des EuGH ausgesetzt hatte. Alle vier Gerichte haben gegen die bisherige Praxis entschieden: Die Gelder standen allein den Autoren zu. Die Verleger reagierten empört. Gegenpositionen waren in der Presse kaum zu lesen. Darum scheint mir als dem Kläger in dieser Sache eine Antwort erforderlich.
Die VG Wort-Entscheidung des BGH, in der sich herausstellte, dass Verlage zu Unrecht einen Teil der Ausschüttungen einstrichen, hat riesiges Aufsehen erregt (unsere Resümees). Schon beeilt sich die Regierung, durch neue Gesetze den Status quo ante wiederherzustellen. Der Verlag C.H. Beck hat Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt. Viele Autoren haben ihre Solidarität mit den Verlagen erklärt, obwohl die Gelder eigentlich ihnen zustehen. Hier äußert sich der Kläger Martin Vogel, der sich gegen scheinbar übermächtige Gegner - zu denen auch die Gewerkschaften gehören - durchgesetzt hat. Wir laden alle Betroffenen und Beteiligten - Autoren, Verleger, Gewerkschafter - ein, sich an der Debatte zu beteiligen. D.Red.

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I.

Am 21. April hat der Bundesgerichtshof ein weitreichendes Urteil verkündet, das die pauschale Beteiligung von Verlegern in Höhe von bis zu 50 Prozent am Aufkommen der VG Wort aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber für unzulässig erachtet hat. Die Verleger hätten, so der BGH, keine eigenen Vergütungsansprüche, und Abtretungen an sie im Voraus seien nur wirksam, wenn sie die Zahlungen als Treuhänder für die Urheber in Empfang nähmen. Nach dem Unionsrecht (dem Recht der EU) müssten die Vergütungen zudem bei den originär berechtigten Urhebern unbedingt ankommen, ganz abgesehen davon, dass die Wahrnehmungsverträge der Verwertungsgesellschaften, einschließlich der dort in Bezug genommenen Verteilungspläne und Satzungen, der Verwertungsgesellschaften als Allgemeine Geschäftsbedingungen eine Verlegerbeteiligung am Aufkommen der Urheber nicht wirksam begründen könnten. Wohl aber sei es den Urhebern gestattet, Vergütungsansprüche im Nachhinein an ihren Verleger abzutreten.

Auf die einhellige Empörung der Presse (FAZ, SZ, Zeit und andere) gegen dieses höchstrichterliche Urteil, noch bevor die Urteilsgründe überhaupt vorlagen, erscheint mir als dem Kläger in dieser Sache eine Antwort von betroffener Seite erforderlich. Zwar sollte meinerseits Zurückhaltung geboten sein, doch habe ich nicht im Eigeninteresse geklagt.

Neben den Verlegern malen nun auch die Berufsverbände der wissenschaftlichen Autoren, die sich in der Vergangenheit mit erheblichen Beträgen rechtswidrig aus dem Aufkommen der VG Wort haben subventionieren lassen, sowie die Gewerkschaft Ver.di und der Deutsche Journalistenverband, die alle die rechtswidrige Verteilung stets gestützt hatten, zu ihrer Rechtfertigung nunmehr drohende Gefahren für die VG Wort an die Wand und tun so, als wäre in der Vergangenheit eine problemlose kollektive Rechtewahrnehmung nur möglich gewesen, weil man den Urhebern die Hälfte ihres Aufkommens zugunsten der Verleger vorenthalten hat.

Das kann nur bedingt verwundern. Denn einige Berufsverbände und Gewerkschaften der Kreativen geraten nun zunehmend in den Verdacht, in den Aufsichtsgremien von VG Wort und VG Bild-Kunst dazu beigetragen zu haben, dass dort mehr als vierzehn Jahre lang jährlich circa 30 (VG Wort) beziehungsweise 15 (VG Bild-Kunst) Millionen Euro falsch verteilt worden sind, obwohl sie darüber rechtzeitig informiert worden sind und eigentlich die Interessen der Rechteinhaber, also der Urheber, treuhänderisch zu vertreten gehabt hätten.

Treuhänderische Rechteverwaltung hat sich danach zu richten, wer einer Verwertungsgesellschaft Rechte übertragen hat. Nur wer Rechte eingebracht hat, kann an deren Ausschüttungen beteiligt werden. Verbandsinteressen dürfen dabei keine Rolle spielen. Das gilt auch für die Vertreter von DJV und ver.di in den Gremien der VG Wort und der VG Bild-Kunst, die sich nun erklären müssen. Auch die auffällige Zurückhaltung der mit Verdi und dem DJV eng verbandelten Initiative Urheberrecht zu den Gründen des BGH-Urteil kann nicht überraschen, trägt doch ihr Sprecher als früherer Vorstand der VG Bild-Kunst dort die Verantwortung für die jahrelange rechtswidrige Verteilung zu Lasten der Urheber.

Die Einseitigkeit, mit der in der Presse die Unabhängigkeit des BGH in Frage gestellt wird, weil er mit seinem Urteil nicht die wirtschaftlichen Interessen der Verleger bedient hat, ist bemerkenswert. Dabei sprechen die Urteilsgründe eine klare Sprache. Wie zu erwarten war, hat jetzt auch die Judikative bestätigt, dass es keinen rechtlichen Grund in der Vergangenheit gegeben hat, die Verleger pauschal und ohne Rechtenachweis am Aufkommen der Urheber aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen zu beteiligen. Wenn dies in der Öffentlichkeit nicht hinreichend bekannt ist, liegt dies daran, dass die Verleger, die genannten Verbände der Urheber und die Verwertungsgesellschaften hierüber nicht zutreffend informiert haben. Die VG Bild-Kunst verharmlost sogar ihre rechtswidrige Verteilung als Ergebnis lediglich "formaler Schwächen".


II.

Die jetzt bestätigte Rechtslage ist seit einem halben Jahrhundert klar. Danach genießt der Urheber - dem Wesen des Urheberrechts entsprechend - einen umfassenden Schutz seiner materiellen und immateriellen Interessen in Bezug auf sein Werk. Die ihm zustehenden umfassenden Verwertungsrechte sind lediglich dort eingeschränkt, wo der Gesetzgeber die Interessen der Allgemeinheit an einer erlaubnisfreien Werknutzung höher bewertet hat als das Verbotsrecht des Urhebers. Die Privatkopie ist ein solcher Fall. Für den Eingriff in sein Ausschließlichkeitsrecht ist dem Urheber jedoch in solchen Fällen - verfassungsrechtlich geboten - eine angemessene Vergütung zu bezahlen. Diese wird über die gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen der Industrie, die Aufzeichnungsgeräte und Kopiermaterialien herstellt oder importiert, von Verwertungsgesellschaften wie der VG Wort, der VG Bild-Kunst und der GEMA eingezogen und nach festen Regeln an die Berechtigten verteilt.

So entspricht es auch zwischenzeitlich harmonisiertem Unionsrecht. Folglich steht sowohl nach nationalem als auch nach europäischem Urheberrecht der gerechte Ausgleich (nach nationalem Recht die angemessene Vergütung) für die erlaubnisfreie Werknutzung allein den Urhebern, also nicht auch den Verlegern, zu. Das Unionsrecht betont - völlig in Übereinstimmung mit den Wertungen des nationalen Urheberrechtsgesetzes - in den Erwägungsgründen 10 und 11 der Informationsgesellschaftsrichtlinie von 2002, dass das System des Urheberrechts dazu bestimmt ist, die notwendigen Mittel für das kulturelle Schaffen zu garantieren und der Wahrung der Unabhängigkeit und Würde des Urhebers zu dienen.

Verleger erwerben von Urhebern lediglich das Recht, ihre Werke zu vervielfältigen und zu verbreiten, also das von vorneherein durch die gesetzlichen Schrankenregelungen begrenzte Verlagsrecht. Mit diesem Recht muss der Verleger nach dem gesetzlichen Geschäftsmodell am Markt wirtschaften. Ob er das erfolgreich tut, ist sein Risiko, das er nicht einfach vermindern kann, indem er sich im Verein mit den Funktionären in der VG Wort bis zur Hälfte der Urhebervergütung zuweisen lässt. Vielmehr muss er es über die Buchpreise steuern. Die Beteiligung des Urhebers an den Markterlösen seines Werkes ist entsprechend gering, gelegentlich fällt sie ganz aus, wenn das Werk nicht marktgängig ist. Oft erhält der Urheber sogar nur die Kopiervergütung als einzigen Lohn für seinen geistigen Beitrag.


III.

Dass sich die Verleger dennoch jährlich hohe Summen von der VG Wort haben auszahlen lassen, geschah vor folgendem geschichtlichen Hintergrund: Die VG Wort ist 1958 von zusammen 19 Urhebern und Verlegern gegründet worden, um Ausschließlichkeitsrechte, die sich faktisch nur kollektiv wahrnehmen lassen, zu verwalten. Hierbei ging es etwa um Nutzungsrechte aus dem Bibliotheksverleih. Die anfangs in die Satzung geschriebenen Verteilungsschlüssel gelten bis heute, weil die Satzung der VG Wort von Beginn an vorsieht, dass ihre wesentliche Bestimmungen nur einstimmig von allen sechs Berufsgruppen (drei Berufsgruppen der Urheber, drei der Verleger) geändert werden können. Damit kommt der einmal beschlossenen Satzung bezüglich der Verteilungsschlüssel des Aufkommens Ewigkeitscharakter zu.

Gesetzliche Vergütungsansprüche wie für die Privatkopie sah das bei Gründung der VG Wort gültige Literatururheberrechtsgesetz nicht vor. Als sie 1965 in das bis heute geltende Urheberrechtsgesetz Eingang gefunden hatten, konnten die Verteilungsschlüssel aus den besagten Gründen nicht mehr geändert werden, obwohl der Gesetzgeber die Vergütungsansprüche für erlaubnisfreie Nutzungen allein dem Urheber zugeordnet hatte. Hinzu kam seinerzeit die von der GEMA und dem Deutschen Patentamt als Aufsichtsbehörde vertretene Rechtsauffassung, die privatrechtlich beschlossenen Verteilungspläne einer Verwertungsgesellschaft gingen der gesetzlich geltenden Regelung vor. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof erinnerten jedoch Ende der 1990er Jahre und zu Beginn des 21. Jahrhunderts nachdrücklich an den bei der Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften zu beachtenden Treuhandgrundsatz, dass nur derjenige etwas bekommen kann, der einer Verwertungsgesellschaft Rechte übertragen hat. Spätestens seither hat sich die von der VG Wort, der VG Bild-Kunst und der GEMA praktizierte Auffassung als rechtlich unhaltbar erwiesen.

Es wäre nach all dem nur folgerichtig gewesen, wenn diese Verwertungsgesellschaften als Treuhänderinnen die gesetzlichen Vergütungen spätestens seit 2002, als der Gesetzgeber nach § 63a des Urheberrechtsgesetzes gesetzliche Vergütungsansprüche im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft für abtretbar erklärt hat, gesetzeskonform ausschließlich den Urhebern zugewiesen hätten. Die VG Wort behauptete jedoch beharrlich, auch Verleger brächten bei ihr Rechte ein. Erstaunlicherweise musste dieser Vortrag im Prozess erst einmal von Seiten des Klägers widerlegt werden und die VG Wort eingestehen, dass sie an Verleger ohne jeden Rechtenachweis ausschüttet. Die Rechtslage war allen Funktionären im Verwaltungsrat der VG Wort, und auch der staatlichen Aufsichtsbehörde bekannt. Doch man nahm allseits in Kauf, dass die VG Wort die Gelder der Urheber rechtswidrig ausschüttete, und hoffte, die Sache aussitzen zu können. Nicht anders verhielt es sich bei der VG Bild-Kunst und der GEMA.

Spätestens mit dem nunmehr ergangenen Urteil des BGH steht die rechtswidrige Verteilung der genannten Verwertungsgesellschaften außer Zweifel. Vorausgegangen waren, wie gesagt, zwei Urteile der Instanzgerichte und eine Entscheidung des EuGH, die ohne Ausnahme gegen die Auffassung der Verleger und der VG Wort entschieden hatten. Ein anderes Urteil war vom BGH nicht zu erwarten. Dennoch versuchen die Vorstände der Verwertungsgesellschaften ihre Verantwortung für die jahrelange Fehlverteilung zu bemänteln, indem sie darauf verweisen, sie hätten seit der Klageerhebung Rückstellungen gebildet und im Übrigen nur unter Vorbehalt ausgeschüttet.

Nach bekannter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hätten sie freilich ohne Rechtenachweis überhaupt nicht ausschütten dürfen. Denn der BGH legt einen strengen Sorgfaltsmaßstab bei Falschausschüttungen an. In Zweifelsfällen darf danach bis zur Klärung der Rechtslage überhaupt nicht ausgeschüttet werden. Hat eine Verwertungsgesellschaft im Zusammenwirken mit ihren Funktionären in den Gremien dies dennoch getan, ist es ihr Haftungsrisiko, wenn, wie zu erwarten, einige Verleger die fälschlich ausgeschütteten Beträge nicht zurückzahlen können. Rückstellungen von Erlösen, die ohnehin den Urhebern zustehen, dürfen zu deren Entschädigung selbstverständlich nicht herangezogen werden. Die Urheber würden sich dann ja selbst entschädigen.


IV.

Das jetzige Wehklagen der Verleger über das Schicksal der kleinen Verlage, das unisono von der Presse aus naheliegenden Gründen übernommen worden ist, wurzelt in einem unzulässigen Geschäftsmodell der Verwertungsgesellschaften, das die Verleger in der Vergangenheit gerne mitgetragen haben. Wenn es sich nun - nach allem keineswegs überraschend - als rechtswidrig erwiesen hat, haben die Verwertungsgesellschaften und die Verlage dies selbst zu verantworten, zumal die Verlage in der Vergangenheit ein Leistungsschutzrecht, das sie für einen eigenen gesetzlichen Vergütungsanspruch für die Privatkopien benötigten, stets abgelehnt hatten. Die Politik übernimmt unkritisch deren unhaltbares Vorbringen und droht mit sofortigen Einschnitten bei dem schwächsten Glied aller Betroffenen, dem Urheber. Niemand hat in den einschlägigen Presseartikeln nach dem BGH-Urteil ihre Rechte dargestellt. Das hätte man allerdings zumindest von einer seriösen Presse erwarten dürfen.

Urheber haben, das zeigt sich erneut, keine Lobby. Es lässt sich nicht ernsthaft behaupten, sie seien in den Gremien der Verwertungsgesellschaften ebenso vertreten wie Verleger und hätten gegen die rechtswidrige Verteilung nichts einzuwenden gehabt. Denn zum einen hätten sie den Verteilungsplan nicht ändern können (s.o. unter III.) und zum anderen haben ihre Vertreter in den Berufsgruppen der Urheber vergessen, dass sie gegenüber ihren Mitgliedern Treuhandpflichten und keine Verbandsinteressen wahrzunehmen haben. Aber das merken die vielen unorganisierten Urheber nicht. Sie sind wirtschaftlich zu schwach, weit schwächer als die nun beklagten kleinen Verlage, um sich als Einzelne in einem Rechtsstreit gegen die Entziehung der ihnen zustehenden Vergütung zu wehren.

Jetzt sind die Fehlverteilungen der VG Wort zu Lasten der Urheber und die Beteiligung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz sowie des ihm unterstellten Deutschen Patent- und Markenamts als staatliche Aufsicht über Verwertungsgesellschaften daran offenbar geworden. Aufgabe der Aufsichtsbehörde wäre es gewesen einzuschreiten, damit die Einhaltung des Treuhandgrundsatzes gewahrt bleibt. Es ist kaum zu glauben, dass sie dem Treiben einfach zugesehen und die massive Schädigung der Urheber in Kauf genommen hat. In diesem Zusammenhang erscheint ein Ausspruch des Justizministers in einem besonderen Licht: "In einem Rechtsstaat können wir die Probleme, die wir in überforderten Behörden haben, nicht dadurch lösen, dass wir das Recht einfach außer Kraft setzen." Denn diese Verpflichtung macht nicht vor der Haustüre des Ministers halt.

Wenn nun beklagt wird, das BGH-Urteil zerstöre eine seit langem gewachsene Verlagskultur, so ist das ein wenig überzeugender und durchsichtiger Einwand. Denn die beschworene Kultur darf nicht auf einer rechtlich unzulässigen Verteilung gesetzlicher Vergütungsansprüche beruhen, durch die die Urheber die Verlagswirtschaft subventionieren. Das sollten auch die Parlamentarier im Auge behalten, die sich - ohne die Urteilsgründe zu kennen - als unkritische Verstärker der verlegerischen Klagen haben einspannen lassen, indem sie, wie zuvor schon Ministerin Monika Grütters und ihr Kollege Heiko Maas, in einer Beschlussempfehlung eine sofortige gesetzliche Korrektur des Urteils forderten, ohne ein Wort des Bedauerns darüber, dass die Urheber zumindest seit 2002 unter Duldung der staatlichen Aufsicht um einen ganz wesentlichen Teil ihrer gesetzlichen Vergütungen gebracht worden sind.


V.

Die Urheber könnten eigentlich beruhigt sein, dass der nationale Gesetzgeber nicht mehr zu einer gesetzlichen Umverteilung zugunsten der Verleger befugt ist. Denn die Gesetzgebungskompetenz dafür liegt seit dem Inkrafttreten des Informationsgesellschaftsrichtlinie Ende 2002 allein in Brüssel - und dort dürfte man die Verhältnisse etwas kritischer betrachten. Doch der Großen Koalition und dem Deutschen Bundestag scheint das gleichgültig zu sein, denn sie plant auf der Grundlage des nationalen Rechts im Eiltempo ohne die gebotene ausführliche Erörterung eine gesetzliche Verlegerbeteiligung und damit einen massiven Eingriff in den grundrechtlich gesicherten gerechten Ausgleich des Urhebers. Nach den derzeitigen Plänen geschieht dies erstaunlicherweise auch noch im Zusammenhang mit einer Novellierung des Urhebervertragsrechts, das eigentlich die Rechtsstellung des Urhebers verbessern sollte.

Dabei hat sie die Gewerkschaften auf ihrer Seite, die sich offensichtlich den vielen freischaffenden Urheber weniger verpflichtet fühlen als ihren überwiegend angestellten Mitgliedern. Die geplante Gesetzesänderung beurteilt zum Beispiel der Verband "Freischreiber" ganz anders. Nicht umsonst registriert er wachsenden Zulauf. Seine Mitglieder arbeiten nicht unter dem Schutzschirm von Tarifverträgen. Für sie gilt mehr denn je der dem Urheberrechtsgesetz zugrundeliegende und vom Bundesverfassungsgericht wiederholt unterstrichene Gedanke, dass dem Urheber, wenn seinem Ausschließlichkeitsrecht zugunsten der Allgemeinheit Schranken gezogen werden, eine angemessene Vergütung gebührt. Von einer Verlegerbeteiligung an dieser Vergütung ist nirgends die Rede.

Für die Einführung der Verlegerbeteiligung - wie von der unermüdlichen Lobby der Verleger gefordert - ist der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sogar bereit, die angemessene Honorierung des Urhebers in Verlagsverträgen zu akzeptieren, die noch, als sie vor vierzehn Jahren ins Gesetz geschrieben wurde, den Verlegern Anlass war, das Ende des Buches zu prophezeien. Heute sind es die kleinen Verlage, die angeblich daran glauben müssen, wenn der Urheber das bekommt, was ihm - und nur ihm - nach den Grundlagen des Gesetzes zusteht. Dabei vermögen sie nur das nicht zurückzuzahlen, was sie unter Rückzahlungsvorbehalt von der VG Wort erhalten haben, also ohnehin nicht hätten ausgeben dürfen. Nebenbei bemerkt ginge es den kleinen Verlagen sicher besser, wenn die von ihnen verlegten Bücher auf den Tischen der ebenfalls im Börsenverein organisierten großen Buchhandlungen ausgelegt würden. Dort hat man oft genug den Eindruck, es gebe nur noch Blockbuster.

Allein in der VG Wort sind mehr als 400.000 Urheber wahrnehmungsberechtigt. Zu ihren Lasten hat die VG Wort im Verfahren "Verlegeranteil" Prozesskosten in Höhe von einer Million Euro verursacht, um den Verlegern, die bei ihr überhaupt keine Rechte einbringen müssen, unrechtmäßig zu jährlich 30 Millionen Euro vom Aufkommen der Urheber zu verhelfen. Ihnen redet die VG Wort nun ein, sie sei nur mit Verlegern und Urhebern zusammen in der Lage, die Vergütungen der Urheber bei den Vergütungsschuldnern einzufordern. Wenn das so tatsächlich ist, müssen die Verleger ein eigenes Leistungsschutzrecht mit eigenen gesetzlichen Vergütungsansprüchen erhalten und nicht einen Anspruch auf Beteiligung am Aufkommen der Urheber.

Die Große Koalition schlägt mit der geplanten Gesetzesänderung zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie kann sich zunächst gegenüber den Urhebern einer Novellierung des Urhebervertragsrechts rühmen, die freilich bei genauerem Hinsehen den Urhebern nichts bringt, und zudem zieht sie die für die politische Meinungsbildung wichtigen Verleger auf ihre Seite. Dafür wird ein schwerer Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union in Kauf genommen. Denn zu derartigen Gesetzesänderungen ist, nachdem das Recht der Privatkopie unionsrechtlich geregelt ist, nur noch die Union selbst befugt. Es ist kaum zu glauben, aber die Bundesrepublik nimmt durch ihre Ignoranz des vorrangigen Unionsrechts in Kauf, dass die gerade erst durch den Brexit offenbar gewordene Politikverdrossenheit in Europa weiter zunimmt. Vielleicht wird sich angesichts dessen das Parlament diese rechtswidrige Gesetzesänderung noch einmal überlegen, einmal abgesehen davon, dass das Gesetz den Verwertungsgesellschaften als Treuhändern Steine statt Brot geben und vor dem Europäischen Gerichtshof nicht Bestand haben würde.

Martin Vogel