Essay

Die Rushdie-Affäre

Von Thierry Chervel
08.08.2016. Niemand hat die Explosivität der Fatwa gegen Salman Rushdie früher verstanden. Wie es kam, dass die taz im Februar 1989 ganz allein Auszüge aus den "Satanischen Versen" druckte. Von Thierry Chervel

Konferenz in der taz mit Thierry Chervel und Christiane Peitz (linke Seite)

Arno hat mich merken gelehrt. Nicht dass ich behaupten würde, es darin zu besonderer Virtuosität gebracht zu haben. Aber es gab Ereignisse, bei denen mir durch Betrachtung Arnos als Meister zu dämmern begann, was Geschichte ist.

Das eine Ereignis war der Mauerfall, den ich buchstäblich verschlafen habe, während Arno vom Café Adler am Checkpoint Charlie, direkt an der Mauer, wo er täglich logierte, mit einer Flasche Sekt zu den Vopos rüberging, um sie auf ein Glas einzuladen. Die Vopos lehnten dankend ab. Arno kehrte zurück ins Café. Ein Pressefotograf lichtete ihn ab als den ersten Ossi, der glücklich lächelnd in den Westen gelangte. Das Foto - ich glaube, es war zuerst in der International Herald Tribune - ging durch die Weltpresse.

Ein paar Tage später, zurück in der Redaktion der taz, wo wir beide Kulturredakteure waren, sagte er mir en passant, dass jetzt die Wiedervereinigung anstehe. Ich fiel aus allen Wolken, ich rechnete noch mit jahrelangen Traktationen. Es ist nicht einfach, Zeitgenosse seiner Gegenwart zu sein. Arno ist es, weil ihm der Moment Kristallisation von Tendenzen ist, die er längst studiert hat. Nur wer zurückblickt, sieht das Kommende!

Das andere Ereignis war Khomeinis Mordaufruf gegen Salman Rushdie, ebenso epochal wie der Mauerfall ein paar Monate später, aber nicht im Moment selbst schon als so einschneidend erlebt. Heute kann man die beiden Ereignisse im Kontext sehen. Der eine Totalitarismus implodierte, der andere erhob sein Haupt, das aussah wie das eines Weihnachtsmanns, der wirklich eine Rute hat. Dieser Terror war zugleich atavistischer, befasste sich mit Fußwaschungen, züchtiger Kleidung und Mondphasen, und moderner, weil weniger zentralistisch, sondern netzartiger, informeller organisiert. Eine neue Qualität.

Ich erinnere mich gut an die Tage nach der Fatwa. Es war Berlinale. Christiane Peitz und ich organisierten täglich vier Extraseiten und waren permanent im Einsatz. Es war im nachhinein gesehen ein ziemlich guter Jahrgang. Im Wettbewerb liefen "Mississippi Burning" mit Gene Hackman, ein Film in dem die Fronten so angenehm klar sind, "Talkradio" von Oliver Stone, schon ungemütlicher, eine frühe Auseinandersetzung mit Populismus in den Medien, Claude Chabrols "Frauensache" mit Isabelle Huppert, die Viererbande von Jacques Rivette, Marcel Ophüls' Film über den Prozess gegen Klaus Barbie. Den Goldenen Bären bekam am Ende "Rain Man" mit Tom Cruise und Dustin Hoffman.

Es ist seltsam, die taz nach dem 14. Februar 1989, dem Tag der Fatwa, durchzublättern. Der Streit um die Satanischen Verse war ja nicht neu. In England, Indien, Pakistan hatten schon entfesselte Massen gegen ein Buch protestiert, das niemand gelesen hatte. Der dann folgende Schock der Fatwa war sofort für alle spürbar. Und doch brauchte das Thema einige Tage, um sich in der taz nach vorne zu arbeiten - in der FAZ, die ich für diesen Text gegengelesen habe, sieht es nicht viel anders aus. Am 14. Februar hatte es in der taz sozusagen die letzte Prä-Fatwa-Meldung gegeben: "Allah ist groß - Fiktion ist mächtig". Ein Sturm von Demonstranten auf das amerikanische Kulturzentrum in Pakistan kostete fünf Menschenleben: "Stein des Anstoßes, ein blasphemischer Roman / Autor Salman Rushdie entsetzt."

Erst am 16. Februar wird die Fatwa in der taz erstmals erwähnt, in einem kleinen Kasten auf Seite 1. Der Aufmacher an diesem Tag: "Diepgen winkt mit dem Handtuch - Die Berliner CDU mag mit der SPD nicht mehr um große Koalition feilschen." Es läuft auf Rotgrün hinaus - mit einer Alternativen Liste, die von Berlin in DDR-Begriffen als "Friedensstadt" träumt. Die taz behandelt die DDR ein paar Monate vor dem Mauerfall noch auf den Auslandsseiten.

Auch am 17. Februar ist die Fatwa noch nicht Aufmacher der Seite 1. Da geht's um Winnie Mandela, die in eine hässliche Mordgeschichte verwickelt ist. Die große Reportage handelt von den Untaten der Amerikaner in den Philippinen. Über die Fatwa berichtet Rolf Paasch im Auslandsteil unter dem Titel "Kann denn Literatur Todsünde sein?"

Am 18. Februar ist das Thema endlich Aufmacher. Zum Schock der Fatwa tritt ein zweiter Schock, schreibt Klaus Hartung: Der Verlag Kiepenheuer und Witsch "erklärte in einer dürftigen Pressemitteilung, 'man habe sich entschlossen, den Roman nicht zu veröffentlichen'".

Der Kampf, den Arno, und mit ihm Hans Magnus Enzensberger und letztlich auch die taz - was keineswegs selbstverständlich war - nun führen, handelt hiervon: Es ging darum, dass die "Satanischen Verse" überhaupt veröffentlicht werden konnten. So erstaunlich es im nachhinein klingt: Aber sowohl in Frankreich als auch in Deutschland war die erste Reaktion der Verlage Rückzug. Auch Rushdies "Joseph Anton", seine Erinnerungen an die dunklen Jahre im Versteck, handelt zum großen Teil von seinem Kampf gegen die Verlage. Weder Penguin noch Random House verhalten sich besonders ruhmvoll. Monatelang muss Rushdie um eine englischsprachige Taschenbuch-Ausgabe kämpfen, die für ihn einen riesigen symbolischen Wert hat. Übrigens braucht er auch Geld: Er selbst muss die konspirativen Häuser in London anmieten und bezahlen, in denen nicht nur er selbst, sondern auch das Sicherheitspersonal untergebracht werden muss.

Gleich in den ersten Tagen etablieren sich auch einige Muster der Islam-Debatte, die seit 1989 zum Überdruss wiederholt werden. Auslandsredakteurin Beate Seel schreibt: "Die Reaktion im Westen darf keine Formen annehmen, die geeignet sind, latenten Vorurteilen gegenüber einer anderen Glaubensgemeinschaft Vorschub zu leisten." Als sei die Welt in lauter verschiedene Glaubensgemeinschaften aufgeteilt.

Kenan Malik beschreibt in seinem Buch "From Fatwa to Jihad" den Riss, der die Linke seitdem spaltet. Einerseits gehört Religionskritik zu ihrem vornehmsten, heute mehr oder weniger vergessenen Erbe. Andererseits begreift man die Muslime im Westen als bedrohte Minderheit und in ihren eigenen Länder als Opfer des Kolonialismus und Imperialismus auf der Suche nach einem revolutionären Subjekt. Daher, bis heute, bei vielen Linken die heimliche Sympathie für den Islamismus. Für linke Intellektuelle mit doppeltem Hintergrund wie Rushdie war das der nächste Schock: Er selbst wurde für viele britische Linke zum Verräter, der sich von Margaret Thatcher beschützen lassen musste.

Von Arno ist in den ersten Tagen nach der Fatwa nichts zu lesen. Aber im Hintergrund ist er die ganze Zeit hektisch aktiv. Man muss sich das ganze unter den damaligen Bedingungen vorstellen: Nichtmal ein Exemplar der "Satanic Verses" ist in Berlin so ohne weiteres zu bekommen. Sämtliche Kommunikation läuft über Telefon oder Post. Das Fax beginnt die Telex-Maschinen gerade erst abzulösen. Die taz-Filme müssen noch per Flugzeug nach Frankfurt gebracht werden, um dort gedruckt zu werden. Elektronische Übertragung ist Zukunftsmusik. Eine der Meldungen in diesen Tagen lautet: "ISDN-Netz bundesweit gestartet."

Arno hat im Grunde zwei Ideen: Da Kiepenheuer und Witsch erklärt, das Buch nicht herausbringen zu wollen, gleichzeitig aber die Rechte bunkert, bringt er zum einen den taz-Verlag oder auch ein Konsortium von Verlagen ins Spiel, um den Roman zu veröffentlichen. Am 20. Februar veröffentlicht die taz einen vom Vorstand ("i.A. Martin Kempe") gezeichneten Brief an den damaligen KiWi-Verleger Reinhold Neven DuMont, der sich über einen Mangel an "solidarischer Unterstützung" durch andere Verlage beklagt hat: "Was die Verleger angeht - daran soll es nicht scheitern. Der Verlag die tageszeitung bietet Ihnen hiermit seine Hilfe zur sofortigen Veröffentlichung des Rushdie-Romans an. Wir sind bereit, Ihnen das in diesem Falle außergewöhnliche verlegerische Risiko abzunehmen. Für die Klärung der urheberrechtlichen Fragen wenden Sie sich bitte an die taz-Redaktionsleitung. Tel.: 030/4609-254"

Hans Magnus Enzensberger macht gleichzeitig in einem Interview mit tazlerin Simone Lenz den Vorschlag, den Roman in einem zu gründenden Autorenverlag erscheinen zu lassen. "Ich glaube, das Buch wird auf jeden Fall in Deutschland erscheinen, denn wenn die Verleger nicht den Mut haben, es selbst zu tun, dann werden wir als Autoren überlegen, wie wir das machen. Günter Grass hat schon eine Initiative dieser Art ins Auge gefasst."

Erst nach diesem Druck der taz, Enzensbergers und Grass' und durch die Initiative des Rowohlt-Verlegers Michael Naumann organisiert sich am Ende ein Konsortium, an dem auch die taz beteiligt ist, und das unter dem Signum "Artikel 19" den Roman herausbringt. Aber das Buch kann natürlich erst Wochen später erscheinen.

Darum zielt Arnos zweite Idee auf die aktuelle Öffentlichkeit und ihre Medien. Er schlägt in stundenlanger Telefoniererei mit der Zeit, der FAZ, der SZ, der FR, dem Stern vor, gemeinsam und gleichzeitig Auszüge aus den "Satanischen Versen" abzudrucken, so dass sich das Publikum überhaupt erstmal ein Bild machen kann, was es mit dem Roman auf sich hat.

Die Kollegen aus den anderen Zeitungen sind begeistert!

Aber am Ende druckt die taz die Auszüge ganz allein.

Am 22. Febraur 1989, einen Tag und eine Woche nach der Fatwa, erscheint die taz mit dieser Seite 1:



Auch die Kapitulation der anderen Zeitungsverlage wird später - etwa bei den Mohammed-Karikaturen im Jahr 2006 - zum üblichen Muster. Es geht ja gar nicht nur um die Geste. Es geht darum, das Publikum über den Streitgegenstand zu informieren, auch darüber, dass diese Texte und Bilder erscheinen können müssen.

Arno hatte den Kollegen am Freitag, den 17. Februar 1989, geschrieben: "Kiepenheuer und Witsch möchte Rushdies 'Satanic Verses' nicht herausbringen. Es geht nicht, dass ein paar Verrückte bestimmen, was man in der Bundesrepublik lesen kann. Unser Vorschlag: eine Reihe von Zeitungen veröffentlichen - demonstrativ -, gleichzeitig auf einer ganzen Seite in gleicher Aufmachung und im gleichen Wortlaut die von den islamischen Fanatikern inkriminierten Stellen."

Die anderen Zeitungen verstecken sich am Ende hinter der Entscheidung des Kiepenheuer und Witsch-Verlags, die Rechte nicht freizugeben. Die taz setzt sich darüber hinweg. Helge Malchow, heute KiWi-Verleger, erinnert sich in einem Blogeintrag an diese Tage. Aber seine Erinnerung trügt, wenn er schreibt: "Als der Verlag dann großen Zeitungen und Magazinen einen Teil-Abdruck des Textes anbot, um eine geschlossene Veröffentlichungsfront herzustellen, blieb nur die tapfere taz übrig. Alle anderen winkten nach Intervention der jeweiligen Betriebsräte ab…"

In Wirklichkeit wollte auch der Verlag nicht. Bis zum Schluss hat die taz auf das grüne Licht aus Köln gewartet und dann auf eigene Faust agiert. Am Montag habe der Verleger angerufen, schreibt Arno am Mittwoch, dem 22. Februar, dem Tag der Veröffentlichung: "Ja, sicher, die Aktion sei ein Engagement für Salman Rushdie, und er unterstütze sie, aber man müsse unbedingt ein Konto einrichten und darauf, wenn auch nur einen symbolischen, aber eben doch einen Geldbetrag einzahlen, außerdem müsse er natürlich Rushdies Agent in London fragen. Drei Stunden später wieder Kiepenheuer und Witsch, diesmal die Lektorin, der Agent habe sich gegen eine Veröffentlichung einzelner Passagen ausgesprochen … Gegen sieben Uhr Montag abend steht es fest: die taz ist allein. Die großen deutschen Zeitungen wollen gegen Neven DuMonts Einspruch nicht veröffentlichen. So wissen wir wenigstens wieder einmal, wozu wir gut sind."

In Rushdies Erinnerungen "Joseph Anton" steht nichts über Vorbehalte gegen solche Veröffentlichungen. Auch französische Zeitungen bringen Auszüge. Rushdies Hauptanliegen in jenen Tagen ist, dass die Verlage den Roman überhaupt veröffentlichen. Über seinen deutschen Verleger schreibt er nur: "Sein deutscher Herausgeber, das renommierte Verlagshaus Kiepenheuer und Witsch, kündigte ohne viel Federlesens seinen Vertrag und versuchte, ihm die für Sicherheitsmaßnahmen entstandenen Kosten in Rechnung zu stellen."

Jede Solidaritäts-Aktion hat Rushdie in diesen Tagen dankbar registriert. Aber er muss auch eine Menge Desolidarisierungen registrieren, wie er in "Joseph Anton" schreibt: "Die vereinigte Front der literarischen Welt begann zu bröckeln, und es tat ihm weh, mitanzusehen, wie seine eigene Welt unter dem Druck der Ereignisse zerbrach. Erst weigerte sich die Westberliner Akademie der Künste aus Sicherheitsgründen, eine 'Pro-Rushdie'-Veranstaltung auf ihrem Gelände zuzulassen, was dazu führte, dass Deutschlands bekanntester Schriftsteller Günter Grass und der Philosoph Günther Anders unter Protest die Akademie verließen. Dann beschloss die Schwedische Akademie in Stockholm, die alljährlich den Nobelpreis vergab, keine formelle Erklärung gegen die Fatwa zu verfassen …" Walter Jens, damals Akademie-Präsident, hatte mit Sicherheitsbedenken argumentiert. Die Stockholmer Akademie hat sich später mit Rushdie versöhnt.

Die Veröffentlichung der Auszüge durch die taz hat die anderen Zeitungen nicht froh gemacht. Klaus Hartung verzeichnet am 24. Februar in der taz die Reaktionen: Die FR schimpft, dass die taz eine "Raubübersetzung" gebracht habe. Die SZ bringt nur eine Tickermeldung über die Aktion, in der dpa brav vermerkt: "Die führenden Tageszeitungen wollen dagegen keine Auszüge drucken." Die FAZ verschweigt die Aktion einfach. Am Tag zuvor hat sie wie zum Hohn einen Artikel über ein Pariser Kolloquium zum "Beitrag der Religionen zur Verwirklichung der Menschenrechte" gebracht. "Sind die Religionen die transzendentale Verlängerung einer universalen Menschenrechtsphilosophie, oder haben sie eine eigene, ältere, tiefere Realität?", fragt Joseph Hanimann da glatt. Am polemischsten reagiert Ulrich Greiner in einem langen Zeit-Artikel: Da orgele "eine abgeschmackte Mut-Rhetorik übers Land".

Enzensberger wird ebenfalls angegriffen. Seine Kritik an Kiepenheuer und Witsch sei maßlos, heißt es aus dem Börsenverein. Und gleichzeitig zitiert die FAZ die Antwort von Kiepenheuer und Witsch auf Enzensbergers Vorschlag, den Roman durch einen Autorenverlag herauszubringen. Das sei undenkbar, Kiepenheuer und Witsch "besitze die Rechte für die deutschsprachige Veröffentlichung".

Auch Arno hatte nicht geahnt, welche Herausforderungen der Islamismus noch bringen würde. In Afghanistan waren die sowjetischen Soldaten gerade erst abgezogen, und dieser Konflikt wurde damals noch in ein ganz anderes Koordinatensystem eingeordnet. Es gab diese unheimliche Revolution im Iran. Aber die Warnungen iranischer Intellektueller verhallten im Westen ungehört. Michel Foucaults Missverständnis war charakteristisch.

Arno hatte aber die "Mitternachtskinder" gelesen, und er verehrte die provokante Figur des Salman Rushdie, der als ein Autor aus Indien die britische Literatur aufmischte und schon deshalb von vielen Kollegen in London misstrauisch beäugt wurde. Anders als für einen anonymen Kommentator aus der FAZ war Rushdie für Arno nicht "ein bisher wenig bekannter Autor". Arno verstand Khomeinis Coup von genialer Infamie schneller und besser als irgendjemand sonst in Deutschland: Sicher auch, weil er aus der Post-68er-Zeit noch wusste, wie terroristisch Politik betrieben werden kann. Und anders als die jungen Herren aus der FAZ wusste er auch, was Religionskritik ist.

Ohne seine Intervention wäre die Fatwa in der journalistischen Routine der taz schnell wieder versunken. Immerhin aber bot ihm die taz trotz ideologischer Bedenken vieler Redakteure das Instrument. Nie hat irgendjemand in der taz den Abdruck der Auszüge in Frage gestellt. Ausgerechnet in der taz, in der alles und jedes bis zur Erschöpfung in Plena ausdiskutiert wurde, hakte man diese Entscheidung ohne viel Aufhebens in der Redaktionskonferenz ab. Mich hat dieser Moment sehr geprägt.

Es stimmt ja, dass die Gefahr real war. Verleger und Übersetzer waren angegriffen und ermordet worden. Rushdie unterstreicht es in "Joseph Anton": "Dennoch musste die Welt des Buches, in der freie Menschen freie Entscheidungen treffen, verteidigt werden. Oft kam ihm der Gedanke, dass die Krise einem starken Lichtstrahl glich, der jedermanns Entscheidungen und Taten scharf hervorhob und so eine Welt ohne Schatten schuf, einen absolut unzweideutigen Ort richtigen und falschen Verhaltens, guter und schlechter Entscheidungen, ja und nein, Stärke und Schwäche."

Es lag für Arno auch auf der Hand, dass die Zeitungen in der Rushdie-Affäre nicht einfach das neutrale Medium der Berichterstattung spielen konnten, das sie ohnehin nie waren. Khomeinis Coup zielte direkt auf die westliche Öffentlichkeit, deren damals noch machtvolle Stimmen die Zeitungen waren. Sie waren gemeint, und darum hätten sie auch Akteur sein sollen. Das ist auch der Grund, warum Frank Schirrmachers Artikel aus den frühen Tagen nach der Fatwa, in denen er nur Richtiges sagte, so hilflos wirken. Er begnügte sich letztlich mit dem traditionellen Instrument des Kommentars, das in diesem Fall nicht ausreichte, weil die Zeitungen selbst das Ziel der Attacke waren. Schirrmacher dürfte von Arnos Seite 1-Idee - wie übrigens auch von der von Arno mit organisierten Schriftsteller-taz - einiges gelernt haben. Später wurde er zum Zampano seines eigenen journalistischen Regietheaters, aber nicht in diesem durchaus beängstigendem Moment, als der hysterisierte Islam erstmals nach dem Westen griff und die Zeitungen ein Risiko eingehen mussten. Schirrmacher und andere Kommentatoren der seriösen Presse forderten von den Medien einen Mut, den sie selbst nicht zeigten. Die taz war dank Arno die Ausnahme.