Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
18.07.2006. Outlook India fürchtet, der Bombenanschlag sollte die Weltoffenheit Bombays zerstören. Ähnlich sieht das der Spectator, der die Stadt als lebende Herausforderung für fundamentalistische Ideen beschreibt. Il Foglio porträtiert den mutmaßlichen Drahtzieher des Anschlags, Ibrahim Dawood. Im Guardian erkennt Doris Lessing die Vorzüge warmherzigen Vögelns. Im De Groene Amsterdammer klagt ein Lektor über 6,40 Euro Stundenlohn. Nepszabadsag ärgert sich über den Neid, mit dem gut verdienende Wissenschaftler verfolgt werden. Die London Review of Books nennt den Preis der Redefreiheit. In Le Point feiert Bernard-Henri Levy Zinedine Zidanes ultimative Revolte. In der Gazeta Wyborcza erklärt Bildungsminister Roman Giertych von der Liga der polnischen Familien: Ich mag Juden. In The Nation ist Michael Hardt baff, dass sich die Welt seinen Thesen fügt. Die New York Times feuert Alliterationen auf Josef Joffe.
Outlook India (Indien), 24.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q15/A14454/outlook.jpg)
Ferner: Sheela Reddy schreibt zum Tode des indischen Autors Raja Rao ("Kanthapura"), der die englischsprachige Romanliteratur in Indien entscheidend geprägt hat. Manju Kapur empfiehlt Meena Arora Nayaks "Endless Rain", eine Familiengeschichte aus Kaschmir. Und Dunu Roy vermisst in Ramachandra Guhas Öko-Studie "How Much Should A Person Consume?" den Pragmatismus.
Spectator (UK), 15.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q62/A14443/spectator2.jpg)
Für Paul Brita ist die Equipe Tricolore der Gegenbeweis zu allen multikulturellen Ideen: "Die französische Mannschaft war nicht zusammengestellt, um politisch einen Punkt zu machen. Es war eine rein darwinistische Selbstselektion, in dem das bestmögliche Team rein zufällig vor allem aus schwarzen Männern bestand. Sie wurden nicht ausgesucht, weil sie anders aussehen oder um eine antirassistische Botschaft auf die bigotte Tribüne zu senden. Damit wären sie nie so weit gekommen." (Vielleicht war ja das darwinistische daran gerade das antirassistische?)
Weiteres: Con Coughlin sieht den Hauptgrund für das Wiedererstarken der Taliban in Afghanistan in der Untätigkeit von Pakistans Präsident Musharraf. Und Allister Heath annonciert das neue Buch "Men of Property" des Historikers W.D. Rubinstein, das zeigt, dass die Reichen niemals reicher und einflussreicher waren als heute. "Millionäre sind Großbritanniens am schnellsten wachsende Klasse geworden."
Foglio (Italien), 15.07.2006
Claudio Cerasa porträtiert (hier als pdf) den indo-pakistanischen Drogenpapst und Terroristen Ibrahim Dawood, den man hinter den Bombenattentaten in Bombay in der letzten Woche vermutet. Er ist Sohn eines wichtigen Geheimdienstmannes aus Pakistan, hat viel Besitz in Bombay und gilt als Finanzier der Islamisten von Kaschmir. Lange Zeit lebte er in Karachi: "Seine Geschäfte reichen bis nach Thailand, Sri Lanka, Nepal, Dubai, Deutschland, Frankreich. Die 30 Millionen Rupien (60 Millionen Dollar) auf seinen Auslandskonten verleihen ihm Respekt und Sicherheit. In seinen Palästen in Karachi empfängt er viele Politiker. Alle wissen, wo er wohnt, kennen die Größe seiner Villa mit Schwimmbad, Tennisplatz und vielen schönen Gespielinnen."
Sehr schön auch ein Artikel (pdf) von Richard Newbury, der die Rolle des Wartens in Becketts Werken aus seiner sehr unirischen Vorliebe für den Crickett-Sport erklärt: "Crickett ist ein Symptom der Entfremdung Becketts von dem Land aus dem er kam" und in dem er als Nachfahre französischer Hugenotten niemals heimisch geworden sei.
Sehr schön auch ein Artikel (pdf) von Richard Newbury, der die Rolle des Wartens in Becketts Werken aus seiner sehr unirischen Vorliebe für den Crickett-Sport erklärt: "Crickett ist ein Symptom der Entfremdung Becketts von dem Land aus dem er kam" und in dem er als Nachfahre französischer Hugenotten niemals heimisch geworden sei.
Guardian (UK), 15.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q75/A14442/guardian.jpg)
Weiteres: Jason Elliot preist die neue Jameel Gallery for Islamic Art in Londons V&A-Museum: "Im heutigen Klima kultureller Entzweiung ist der Sinn für gegenseitige Vernetztheit erfrischend." John Mullan kürt zum Buch der Woche John Gross' "The New Oxford Book of Literary Anecdotes".
Groene Amsterdammer (Niederlande), 17.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q141/A14456/groeneamst_cover.jpg)
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q141/A14456/groeneamst_literatuur_cover.jpg)
Nepszabadsag (Ungarn), 16.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q89/A14459/nepsabdszag.jpg)
Der Wissenschaftler Andras Falus ärgert sich über die Art, mit der in Ungarn die Wissenschaften diskutiert werden. "Leider wird heute nicht darüber gesprochen, wie Biologie und Informatik zueinander finden, sondern welcher Wissenschaftler welchen Platz auf diversen und vor allem obskuren Ranglisten belegt. Die Leitartikel handeln nicht von den unglaublichen Möglichkeiten, die die Stammzellenforschung in sich birgt, sondern davon, weshalb die zweitausendsounsoviel Akademie-Mitglieder des gesellschaftlichen Respekts unwürdig sind - vor allem, wenn ihre angeblich märchenhaften Gehälter angesprochen werden, denn da spielt immer auch gleich der Neid mit."
Weltwoche (Schweiz), 14.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q26/A14463/weltwoche.jpg)
London Review of Books (UK), 20.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q10/A14457/lrb.jpg)
Weitere Artikel: Jeremy Harding rekonstruiert den weitgehend unbeachtet gebliebenen eritreischen Unabhängigkeitskrieg anhand von drei Neuerscheinungen zum Thema. David Edgar vergibt bescheidenes Lob an John Heilperns Biografie des Dramatikers John Osborne ("John Osborne: A Patriot for Us"). In den Short Cuts sinniert Thomas Jones über den Schutzumschlag und seine neue Funktion als Marktschreier. Und Michael Wood gruselt sich genussvoll vor Alfred Hitchcocks frisch digitalisierter "Rebecca".
Point (Frankreich), 13.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q39/A14455/point.jpg)
Gazeta Wyborcza (Polen), 15.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q83/A14464/wyborcza.jpg)
Magdalena Kursa und Rafal Romanowski erzählen von der originellen Geschäftsidee eines jungen Krakauers, der ausländischen Touristen thematische Ausflüge in den stalinistischen Industrievorort Nowa Huta anbietet. "Sozialistische Restaurants, verschwitzte Hüttenarbeiter, tiefgekühlter Wodka, ein klappriger roter Bus, der Besuch einer authentisch ausgestattenen Wohnung - die Amateurfußballer aus Holland, die die heutige Reisegruppe stellen, sind hin und weg. 'Je peinlicher, desto besser', sagt der Begründer 'Crazy Mike', Michal Ostrowski. 'Wir bedienen die plattesten Kommunismusstereotypen'. Nur manchmal fragt einer: 'Sieht es in Polen heute auch so aus oder ist alles gespielt?'".
Außerdem: das diesjährige Theaterfestival von Avignon beschäftigt sich mit verschwindenden Welten, stellt leicht enttäuscht Piotr Gruszczynski fest, während Katarzyna Bik von der Ausstellung "Fin de siecle in Krakau", die u.a. älteste Werbeplakate, viele zum ersten Mal, präsentiert, begeistert ist. Weiterhin erinnert John Gray an Isaiah Berlin, der als Erster die Wurzeln des Totalitarismus in der Aufklärung aufgezeigt hat, während Piotr Buras den Skandal um die An- und Aberkennung des Heine-Preises für Peter Handke relationiert.
Economist (UK), 14.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A14458/economist.jpg)
Weitere Artikel: Präsidenten-Dämmerung - laut Economist mehren sich in den USA die Stimmen, die George Bushs Amtsenthebung fordern. Und viel eher als Zidane ist es Jacques Chirac, der nach Ansicht des Economist die rote Karte verdient. Nach "Gunner Palace" und "Occupation Dreamland", so der Economist begeistert, blüht jetzt die zweite - und ungemein beeindruckende - Generation des im Irak gedrehten cinema verite. Dazu gehört James Longleys "Iraq in Fragments", Laura Poitras' "My Country, My Country" und Andrew Berends' "The Blood of My Brother".
Beszelö (Ungarn), 01.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q97/A14460/beszeloe.jpg)
Times Literary Supplement (UK), 14.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q23/A14430/tls.jpg)
Weiteres: H. R. Woudhuysen feiert mit der ganzen Ausgelassenheit eines Philologen die Wiederentdeckung von Percy Shellys poetischem Essays "On the Existing State of Things", in dem der Dichter die Unterdrückung Irlands anprangert. Besprochen werden außerdem Stephen Millers Buch über die Kunst der "Conversation" und Nik Cohns kurze Geschichte des Raps in New Orleans "Triksta".
The Nation (USA), 31.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q25/A14462/nation.jpg)
New Yorker (USA), 24.07.2006
Peter Schjeldah besuchte das "Golden Girl" in der Neuen Galerie, das Klimt-Porträt "Adele Bloch-Bauer I", das der Kosmetikhersteller und Sammler Ronald S. Lauder kürzlich für die Rekordsumme von 135 Millionen Dollar erwarb. "Ist sie das wert?", fragt er sich und antwortet: "Noch nicht. Derart besondere Gemälde stehen nicht häufig zum Verkauf, und die 104 Millionen Dollar, die vor zwei Jahren für einen mittelmäßigen Picasso - "Boy with a Pipe" - ausgegeben wurden, markierten jenen irrationalen Überschwang, der zum neuen Motto des boomenden Kunstmarkts werden könnte."
Weiteres: Für die USA rätselt Adam Gopnik: "Warum hat Zidane das gemacht?" Alex Ross überspielte eine Mozart-Gesamtausgabe von Philips aus dem Jahre 1991 auf seinen iPod und hört sich nun durch 9.77 Gigabytes Köchelverzeichnis. Jerome Groopman beschäftigt sich mit der Enträtselung einer Schwangerschaftsstörung namens Präeklampsie. Sasha Frere-Jones porträtiert die britische Band Scritti Politti und ihre "Theorie für Gefühle". Und Anthony Lane sah der zweiten Teil von "Piraten der Karibik", und "Edmond". Lesen dürfen wir schließlich die Erzählung "Folie a deux" von William Trevor.
Weiteres: Für die USA rätselt Adam Gopnik: "Warum hat Zidane das gemacht?" Alex Ross überspielte eine Mozart-Gesamtausgabe von Philips aus dem Jahre 1991 auf seinen iPod und hört sich nun durch 9.77 Gigabytes Köchelverzeichnis. Jerome Groopman beschäftigt sich mit der Enträtselung einer Schwangerschaftsstörung namens Präeklampsie. Sasha Frere-Jones porträtiert die britische Band Scritti Politti und ihre "Theorie für Gefühle". Und Anthony Lane sah der zweiten Teil von "Piraten der Karibik", und "Edmond". Lesen dürfen wir schließlich die Erzählung "Folie a deux" von William Trevor.
Przekroj (Polen), 13.07.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q116/A14465/przekroj.jpg)
In der jungen polnischen Literatur tut sich was, stellt erleichtert Justyna Sobolewska fest. "Die Zeit der Maslowska-Klone ist vorbei. Es kommt die Ära der Individualisten". Zwar fehle es vielerorts an der Fähigkeit, aus subjektiven Eindrücken gut lesbare Literatur zu machen, die für mehr als eine Erzählung reicht. Und doch, es sind "kleine Mängel, überall kleine Mängel. Aber sie machen die Bücher auch lesenswert - zumindest um sie später mit weiteren, besseren Publikationen dieser Autoren vergleichen zu können. Ich hoffe sehr, dass sie besser werden."
New York Times (USA), 16.07.2006
In einem witzigen Essay erkundet Benjamin Kunkel die Metamorphose der Autobiografie. Wo heute Selbstmitleid und Nostalgie die vorherrschenden Schreibhaltungen sind, erklärt er nostalgisch, waren die Romantiker (Wordsworth, Thoreau!) noch richtig revolutionär: "Für sie war die Krise allumfassend: nicht um einen Platz in einer korrupten Gesellschaft ging es ihnen, sondern um eine Seinsform, die es noch nicht gab ... Die säkulare Autobiografie und das Ideal radikaler Demokratie gingen Hand in Hand." Die schlaffen Memoirenschreiber von heute, schimpft Kunkel, lehren uns zwar das Überleben, doch nicht wie man lebt.
Die Alliterationen in Josef Joffes Buch "Überpower" über Amerikas Image als Imperialmacht schicken Roger Cohen glattweg ins Delirium. Hier ein Originalzitat: "'Balance, bond and build,' he advises, invoking Britain's imperial strategy of balancing rival powers and Bismarck's late-19th-century bonding tactics placing Berlin at the hub of European relationships. He identifies a 'Baghdad-Beijing Belt,' sometimes extended to a 'Belgrade-Baghdad-Beijing Belt,' where menacing nationalism and fundamentalism thrive, and contrasts it with a happier 'Berlin-Berkeley Belt' (of which Israel is an honorary member). Only through balancing, bonding and building will the Berlin-Berkeley Belt bulge and the baleful Baghdad-Beijing Belt be bettered." Davon abgesehen hält Cohen das Buch jedoch für "eine wichtige Reflektion über eine Zeit, in der Anti-Amerikanismus die vielleicht prickelndste Idee der Welt ist".
Weiteres: Edward Rothstein findet in Edward Saids posthum kompiliertem Buch "On Late Style" (namentlich solcher Künstler wie Beethoven, Genet und Glenn Gould) leider nichts über Altersweisheit. Jennifer Senior findet Joseph Epsteins neues Buch über die Freundschaft ("Friendship") "anämisch".
Im Magazin der New York Times erzählt Daniel Coyle die unglaubliche Geschichte des Floyd Landis, der mit einer kaputten Hüfte gerade die Tour de France fährt. Mit Coyle spricht Floyd über Schmerz ("nichts, was der reine Wille bezwingen kann") und wie es ihm gelang, als jemand, der keine Treppe hochsteigen kann, zum härtesten Wettkampf der Welt zugelassen zu werden. "Zur Täuschung nahm er einen schulterrollenden, steifen Gang an. Teamkollegen spotteten, er gehe wie ein Rap-Star ... Im Gespräch wurden Codes benutzt. Man sprach von 'seinem Finger' oder 'schlimmen Rücken.'" Momentan hält Landis Platz zwei!
Außerdem: Jon Gertner besichtigt ein Atomkraftwerk und verrät, warum Kernenergie in den USA wieder eine Option ist. Und Ann Hulbert untersucht die Freundschaftsbande der Amerikaner und stellt fest: Der beste Freund ist der Partner.
Die Alliterationen in Josef Joffes Buch "Überpower" über Amerikas Image als Imperialmacht schicken Roger Cohen glattweg ins Delirium. Hier ein Originalzitat: "'Balance, bond and build,' he advises, invoking Britain's imperial strategy of balancing rival powers and Bismarck's late-19th-century bonding tactics placing Berlin at the hub of European relationships. He identifies a 'Baghdad-Beijing Belt,' sometimes extended to a 'Belgrade-Baghdad-Beijing Belt,' where menacing nationalism and fundamentalism thrive, and contrasts it with a happier 'Berlin-Berkeley Belt' (of which Israel is an honorary member). Only through balancing, bonding and building will the Berlin-Berkeley Belt bulge and the baleful Baghdad-Beijing Belt be bettered." Davon abgesehen hält Cohen das Buch jedoch für "eine wichtige Reflektion über eine Zeit, in der Anti-Amerikanismus die vielleicht prickelndste Idee der Welt ist".
Weiteres: Edward Rothstein findet in Edward Saids posthum kompiliertem Buch "On Late Style" (namentlich solcher Künstler wie Beethoven, Genet und Glenn Gould) leider nichts über Altersweisheit. Jennifer Senior findet Joseph Epsteins neues Buch über die Freundschaft ("Friendship") "anämisch".
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q12/A14453/nytmag.jpg)
Außerdem: Jon Gertner besichtigt ein Atomkraftwerk und verrät, warum Kernenergie in den USA wieder eine Option ist. Und Ann Hulbert untersucht die Freundschaftsbande der Amerikaner und stellt fest: Der beste Freund ist der Partner.