Magazinrundschau
Nichts als eine Stilblüte
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08.01.2013. Osteuropa würdigt die polnischen Komponisten im Allgemeinen und Witold Lutosławski im Besonderen. In The American Scholar erzählt William Deresiewicz, warum er in Portland ein Einhorn ist. Bloomberg sagt einen Aufstand in China voraus. Im Merkur beschreibt Chaim Noll den arabischen Frühling als Krieg zwischen Saudiarabien und Iran. Le Monde beklagt die hohen Gagen französischer Schauspieler. In HVG analysiert Péter Esterházy seine heißeste Beziehung. In der London Review of Books versteht James Meek, warum immer mehr amerikanische Autoren lieber an Fernsehserien arbeiten als an Romanen.
Osteuropa (Deutschland), 01.01.2013
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Der polnische Autor und Filmkritiker Wojciech Kurczok widmet Witold Lutosławski einige unsortierte, aber sehr enthusiastische Bemerkungen: "Als ich unlängst nach vielen Jahren wieder Lutosławskis Musique funèbre (1958) hörte, begegnete ich mir selbst. Fünfzehn Jahre mochten vergangen sein, aber meine Begeisterung für dieses Werk ist unverändert geblieben: Vierzehn Minuten totaler Musik, wohl der höchste Flug einer polnischen Kompositionsidee, ein Meisterwerk, das für ältere Musikliebhaber das Wesen der elegischen Schönheit darstellt und für jüngere ein Beweis für Witolds souveräne Herrschaft ist. Ein piekfeiner Herr mit grauen Haaren und einer sanften Stimme, einem erstklassigen Intellekt und einem heiteren Gemüt." Das einzige, was Lutosławski zur Vollkommenheit fehlt, ist die oberschlesische Herkunft, lässt Kuczok durchblicken und hebt zu einer weiteren Hymne an, nämlich auf die Kattowitzer Kompositionsschule mit Szabelski, Górecki, Szalonek und Grazyna Bacewicz.
Weiteres: In einem sehr lehrreichen Artikel erklärt Sebastian Borchers die Bedeutung der polnischen Komponisten für die Neue Musik. Die Musikwissenschaftlerin Danuta Gwizdalanka beschreibt Lutosławskis Lebensweg und seine musikalische Entwicklung, von der Avantgarde zurück zu Melodie und Harmonie. Und die Geigerin Anne-Sophie Mutter erinnert im Interview mit Manfred Sapper daran, wie sie 1986 im Auftrag des Großmäzens Paul Sacher Lutoslawskis Stück "Chain II" uraufführte: "Lutosławski hat mir das Fenster in die Zukunft geöffnet. Es hätte nicht glückhafter sein können."
American Scholar (USA), 01.01.2013
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Elet es Irodalom (Ungarn), 04.01.2013
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Bloomberg Businessweek (USA), 26.12.2012
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Film-Dienst (Deutschland), 03.01.2013
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Economist (UK), 05.01.2013
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Weiteres: Haben wir in absehbarer Zeit technische Instantan-Dolmetscher wie in "Star Trek"? Womöglich ja, folgt man diesem Artikel. Die Tatsache, dass eine tödlich endende Vergewaltigung in Indien solche Proteste im Land nach sich zog, wird hier auch als Zeichen für eine zusehends gefestigte und selbstbewusste indische Mittelschicht gedeutet. Außerdem wandelt der Economist mittels neuer Buchveröffentlichung im Reich der Toten und informiert sich bei dem Kulturanthropologen Jared Diamond, was man von traditionellen Gesellschaften lernen könnte.
Merkur (Deutschland), 07.01.2013
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Außerdem plädiert der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe angesichts wachsender Inflationsgefahr und eines "im Grunde bereits zerbrochenen Euro-Systems" für die Rückkehr zur D-Mark. Im Print fürchtet der Historiker Eli Zaretsky um die Zukunft der amerikanischen Linke, die wahrscheinlich nicht ganz so glorreich sein wird wie ihre Vergangenheit.
Open City (Indien), 06.01.2013
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Prospect (UK), 03.01.2013
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London Review of Books (UK), 03.01.2013
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Weiteres: John Lanchester wirft einen keineswegs amüsierten Blick auf die britischen Finanzsparpläne, die ihm sogar die Freuden daran, "Ich hab's Euch doch gesagt" sagen zu können, gründlich vermiesen. Alan Hollinghurst liest die Tagebücher von E. M. Forster. Mary Beard bespricht Claire Hollerans Studie "Shopping in Ancient Rome". Außerdem besucht Julian Bell die Ausstellung "Seduced by Art: Photography Past and Present " in der National Gallery, wo ihm unter anderem Jeff Walls fotografische Re-Inszenierung von Delacroixs "La Mort de Sardanapale" mit Möbel auffiel:
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El Espectador (Kolumbien), 05.01.2013
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Times Literary Supplement (UK), 07.01.2013
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Le Monde (Frankreich), 05.01.2013
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HVG (Ungarn), 22.12.2012
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New Yorker (USA), 14.01.2013
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Weiteres: Rachel Avi beschreibt eine Diskussion um die Frage, ob man Pädophile vorsorglich einsperren soll und darf, um mögliche Straftaten zu verhindern. Joan Accocelli hat zwei neue Bücher über Franz von Assisi gelesen: "Francis of Assisi: The Life and Afterlife of a Medieval Saint" (mehr) des französischen Mittelalterexperten Andre Vauchez und Francis of Assisi: A New Biography" (mehr) des amerikanischen Dominikanerpfarrers Augustine Thompson.
Ein sehr unterhaltsames Lesestück ist Adam Greens bereits in der letzten Ausgabe erschienenes Porträt des Varieté-Künstlers Apollo Robbins, der den Taschendiebstahl zur hohen Kunst erhoben hat; In Zaubererkreisen gilt er als Legende und hat Psychiater, Neurologen, aber auch das Militär zu Studien über die Natur der menschlichen Aufmerksamkeit inspiriert: "Wenn Robbins loslegt, hat es den Anschein, die einzig mögliche Erklärung sei eine Fähigkeit, die Zeit anzuhalten und wieder weiterlaufen zu lassen. Im Rio verschwand [während einer Vorführung] das Handy eines Mannes aus seinem Jackett und wurde durch ein Stück Brathühnchen ersetzt."
Al Ahram Weekly (Ägypten), 02.01.2013
"Für die Mehrheit der Künstler in Ägypten endete 2012 auf einer traurigen Note, mit großer Angst, sogar Panik vor der Zukunft und viele, viele bedauerten all die Fehler, die die Revolution vom 25. Januar in eine Art Albtraum verwandelt haben", schreibt Nehad Selaiha in einem Rückblick auf die wichtigsten Theaterinszenierungen 2012. "Der ruhmreiche Traum hat sich verflüchtigt und die trostlose Realität liegt schwer auf uns. Und doch, trotz der zerschmetterten Hoffnungen, gebrochenen Versprechen, verfehlten Allianzen und des häufigen Verrats, trotz der Gewalt und des Blutvergießens hat der Geist heroischen Trotzes und der unbeugsame Wille zu überleben, weiterzumachen, gleich, welche Hürden überwunden werden müssen, die unabhängige und halb-unabhängige Theaterszene in Ägypten das ganze Jahr 2012 durchdrungen."
New York Review of Books (USA), 10.01.2013
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Außerdem: Zadie Smith schreibt über "Freude". Andrew Hacker denkt anlässlich einiger Bücher - ua. von Nate Silver - über Vorhersagen nach. Hugh Eakin ist nicht sehr optimistisch, dass Saudiarabien sich in absehbarer Zeit modernisieren könnte. Und David Cole liest eine Geschichte des Kampfs um die Schwulenehe.
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