Magazinrundschau
Fröhliches Mitsing-Delirium
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
Rest of World (USA), 16.11.2021

Undark (USA), 17.11.2021

The Atlantic (USA), 23.11.2021

nonsite (USA), 23.11.2021

Elet es Irodalom (Ungarn), 19.11.2021

Intercept (USA), 21.11.2021
Schon mehrmals hat sich Interpol dafür hergegeben, Oppositionelle oder Systemkritiker verhaften zu lassen: Der Vereinigten Arabischen Emirate ließen zum Beispiel international nach der finnischen Partnerin von Herrschertochter Sheikha Latifa fahnden, die Türkei ließ einen Haftbefehl gegen den mittlerweile verstorbenen Schriftsteller Dogan Akhanli ausstellen. Ausgerechnet Ahmed Naser al-Raisi, ein leitender Beamte aus dem Innenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate, will sich in dieser Woche an die Spitze von Interpol wählen lassen, berichten Alice Speri und Mara Hvistendahl, die alarmiert beobachten, wie autokratische Regimes die Struktur übernehmen, die von den USA so schön effizient gemacht wurde: "Als die USA nach dem 11. September den Krieg gegen den Terror lancierten, steigerte sich die Arbeit von Interpol exponentiell. Die technologische Aufrüstung beseitigte bürokratische Hürden und machte es leichter und schneller, Haftbefehle auszustellen. In den vergangenen zwanzig Jahren verzehnfachte sich ihre Zahl, im vorigen Jahr gingen 11.000 Haftbefehle raus. Nach Angaben von Interpol sind gerade 66.000 Haftbefehle wirksam, wenn auch nur 8.000 von ihnen öffentlich. Wie die Haftbefehle vermehrten sich aber auch die Berichte, dass diese oft gegen Grundrechte verstießen, zu denen sich die Organisation verpflichtet hat. Kritiker haben Interpol immer wieder aufgefordert, sein System besser vor Missbrauch zu schützen. Einige haben auch die Mitgliedstaaten aufgerufen, zu verhindern, dass die Behörde ein Werkzeug von Autokraten wird, indem sie Wahlgemeinschaften bildeten, um Kandidaten von autoritäten Regimes zu verhindern. Im Fokus der Kritik steht allerdings al-Raisi, der Beamte aus den Emiraten, der seine Kampagne für die Präsidentschaft mit den Versprechen verbindet, den Einsatz von Technologie auszuweiten, wobei er auf die Emirate als Vorbild für eine ausgedehnte Überwachung verweist."
En attendant Nadeau (Frankreich), 18.11.2021

Außerdem in En attendant Nadeau ein Gespräch Mit Richard Powers über seinen letzten Roman "Erstaunen".
London Review of Books (UK), 02.12.2021

Collectors Weekly (USA), 19.11.2021

Der aus Deutschland stammende, im Südkalifornien der 20er und 30er arbeitende Architekt und Möbeldesigner Jock Peters ist heutzutage kaum mehr bekannt und war es wohl auch zu seiner Zeit nicht unbedingt. Am bekanntesten ist heute sicher sein Innendesign für die Parfümerie im Bullocks Wilshire Gebäude in Los Angeles, die oben im Bild zu sehen ist. Daneben entwarf er Sofas, Bücherregale, Filmsets für kleinere, heute vergessene (oder gar nicht erst entstandene) Hollywoodproduktionen und Reihenhäuser, die dem Geschmack der zu Geld gekommenen Hollywood-Bohème der 20er schmeichelte. Seine Einflüsse sind vielfältig, sie reichen vom Art Deco eines Frank Lloyd Wright bis hin zu Wurzeln aus der Märchenwelt seiner deutschen Heimat. Ein neuer, großer Band des Architekturprofessors Christopher Long begibt sich nun auf die Spurensuche, der sich Ben Marks gerne anschließt. Zu entdecken gibt es zwar keinen Meister, der bei der Kanonbildung übergangen wurde, aber eben doch einen interessanten und typischen Zeitgenossen. "Peters bediente sich großzügig bei den Wrights, bei Mendelsohn und Gill und variierte dann so, wie es ihm gefiel. 'Er entwickelte nie eine völlig eigenständige Sprache', erzählt Long, 'Er probierte einfach dies, dann das, schuf Kombinationen zweier Dinge, nur um sie zu reduzieren oder weiterzuentwickeln. Das war beim Design immer seine Arbeitsweise.' ... Jock Peters' Arbeit und Karriere illustrieren wie fluide der Modernismus in seiner Wiege noch gewesen ist und erinnern daran, dass ein Großteil jener Architektur, die wir heute als zur Form gereift wahrnehmen, so wahrscheinlich nicht begonnen hat. Peters Karriere bekräftigt darüber hinaus auch den kulturellen Kontext des Modernismus. Er nährte sich nicht aus der abgeschiedenen Welt der Architektur, sondern aus zahlreichen Quellen, inklusive Hollywood und der Werbung für den Einzelhandel."
HVG (Ungarn), 17.11.2021

Public Domain Review (UK), 10.11.2021

Dem "Lachen in Zeiten der Cholera" widmet sich Vlad Solomon in einer amüsanten Rückschau auf die Vaudeville-Theater im Paris der 1830er, als die Cholera die Metropole heimsuchte. Während Tausende starben, nahmen diese Theater - für Solomon die Vorläufer heutiger Sitcoms - das Zeitgeschehen böse aufs Korn. "Im Lauf des Jahres 1831 fluteten Hunderte von Vaudevilles die Bühnen der populären Pariser Theater, doch ein Stück sticht besonders hervor mit seiner Art, die sich allmählich abzeichnenden Panikattacken der Gesellschaft als Sprungbrett für eine absurde, und doch messerscharfe Kritik an der Kultur und Politik zu nutzen. Unter dem Titel 'Die dramatischen Pillen, oder die Cholera' folgt das Stück der althergebrachten Form einer Musikrevue, in der eine Handvoll witzige Szenen von kurzen, witzigen Liedern zusammengehalten wird. Der surreale und clevere Meta-Plot dreht sich um die personifizierte Darstellung der emblematischsten Theater von Paris, die sich nach und nach in das Sanatorium eines gewissen Dr. Scarlatin, Spezialist für Theaterkrankheiten aller Art, einliefern lassen, in der festen Überzeugung, sich die Cholera eingefangen zu haben. Ihr Zustand ist, wie sich nach und nach erweist, keineswegs die Folge einer Infektion und auch nicht durch die Pillen des Doktors zu heilen, sondern hat einzig und allein mit eigenen Ressentiments und Unsicherheiten zu tun. Die Vaudeville-Theater fühlen sich von exklusiven Etablissements wie der Pariser Oper erdrückt und wollen sich über ihren momentanen Zustand erheben, während die respektierten Theater das Ende der Zensur fürchten und den erhöhten Wettbewerbsdruck, der damit einherzugehen verspricht." Ach, und ein Komet auf Kollisionskurs, der schnippisch das Ende der Welt in Aussicht stellt, was alle in ein fröhliches Mitsing-Delirium stürzen lässt, tritt auch auf.