Magazinrundschau - Archiv

The Intercept

23 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 3

Magazinrundschau vom 27.09.2022 - Intercept

Elyas Nawandish, selbst jahrelang Reporter in Afghanistan, unterhält sich mit Asadullah Akbari, einem ehemaligen Colonel der Afghanischen Nationalarmee, der kurz nach dem Sieg der Taliban von den Amerikanern nach Florida ausgeflogen wurde. Akabari erzählt von seinen Erfahrungen und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er die Schuld an der Niederlage zuweist: 'Ich war 18 Jahre alt, als ich zur Armee ging. Ich habe in Afghanistan nie glückliche Tage erlebt, nur Krieg, Blut, Kämpfe und Zusammenstöße. Und am Ende haben unsere Führer das Land verraten', sagte er mir. ... Akbari ist der Meinung, dass das Scheitern des Krieges nicht in erster Linie den Amerikanern zuzuschreiben ist, die sich in jedem Jahr seit 2001 hätten zurückziehen und die afghanische Regierung genauso schnell hätten zusammenbrechen lassen können. Vielmehr war er das Produkt einer korrupten afghanischen politischen Klasse, die noch immer nicht für ihr Versagen zur Rechenschaft gezogen wurde. Jüngste Berichte über ehemalige afghanische Beamte, die teure Luxusautos fahren und verschwenderisch in arabischen Golfstaaten, der Türkei und im Westen leben, überraschen ihn nicht. Sie sind nur die Krönung der Bemühungen gewöhnlicher Afghanen, die in einem tragischen zwei Jahrzehnte dauernden Versuch, ihr Land mit internationaler Unterstützung wieder aufzubauen, ihr Leben gelassen haben. Die Korruption und Misswirtschaft der afghanischen Eliten, die in vielen Fällen von ihren US-Partnern unterstützt wurden, haben das Land in eine neue Ära des Leidens unter den Taliban gestürzt. Akbari und ich träumen beide davon, eines Tages zurückzukehren. Im Moment können wir nur versuchen, aus dem zu lernen, was schief gelaufen ist."
Stichwörter: Aghanistan, Krönung, Florida

Magazinrundschau vom 15.02.2022 - Intercept

Die Firma Bosch kennt man im Alltag vor allem als Hersteller von Küchen und Werkzeugen. Seit einigen Jahren investiert das Unternehmen allerdings auch signifikante Beträge in Überwachungstechnik für den Heimgebrauch, erfahren wir von Zach Campbell und Chris Jones. Dafür arbeitet Bosch mit dem App-Store Azena zusammen, der allerlei KI-Lösungen anbietet, um das Maximum aus der Technologie herauszuholen. Und das ist mitunter heikel, denn Statements der Firma zum Schutz der Privatsphäre gleichen eher Lippenbekenntnissen, so die Autoren: "Die Verantwortung für Ethik und Legalität der Apps liegt dem Unternehmen zufolge gleichermaßen auf den Schultern von Entwicklern und Nutzern. Die Fortschritte im Bereich der Videoanalyse sind rasant. Der Markt für Software, die einen Videofeed in ein Set von Datenpunkten über Individuen, Objekte oder Räume übersetzen kann, wächst. Die Apps im Azena Store bieten derzeit unter anderem die Erkennung ethnischer Zugehörigkeiten, Geschlechtsidentifikation, Gesichtserkennung, die Analyse von Gefühlen und verdächtigem Verhalten an - trotz gut dokumentierter Vorbehalte über die diskriminierende und übergriffige Natur solcher Technologien. ... 'Die Leute haben antiquierte Vorstellungen, was Überwachungskameras leisten können', sagt Dave Maass von der Eletronic Frontier Foundation. 'Sie haben sich an ihre Allgegenwärtigkeit im Alltag gewöhnt. Sie nehmen an, dass die Aufnahmen einfach nur auf einer Festplatte oder einem VHS-Tape landen, ohne dass jemand je einen Blick darauf wirft, solange kein Verbrechen stattgefunden hat.' Wüssten die Leute, dass die Aufnahmen auf Anzeichen von Emotionen, Zorn oder obskureren Spuren durchgerechnet werden, würden sie das wohl anders sehen. 'Sie sehen es nicht, wenn eine KI das Material überwacht, dokumeniert, mit Metadaten versieht und daran auch geschult wird', sagt Maass. 'Zwischen dem, was die Leute im Alltag erleben, und dem, was hinter den Kulissen stattfindet, ist ein Bruch.'"

Magazinrundschau vom 04.01.2022 - Intercept

Impfpass, schön und gut. Judith Levine, geimpft und geboostert, freut sich natürlich über die Möglichkeiten, die der Impfpass ihr offeriert. Gleichzeitig ist ihr äußerst unwohl bei dem Gedanken, dass ihre Biodaten vom Staat gespeichert werden: "Biodaten können dem öffentlichen Wohl dienen - oder sie können Eugenikern Munition liefern oder der Staatsanwaltschaft Beweise für einen HIV-Positiven liefern, der es versäumt hat, einen Liebhaber über seinen Serostatus zu informieren, was in einigen Bundesstaaten eine Straftat darstellt. Im biopolitischen Staat gibt es keine klare Linie zwischen gutartiger und bösartiger Überwachung. ... Die Überwachungstechnologien des Krieges gegen die Ansteckung sind ein Erbe des Krieges gegen den Terror, und die Software ist mit derselben Ewig-Kriegs-Mentalität kodiert: Beide bekämpfen eher das Risiko als die tatsächliche Bedrohung. Wenn der Feind so vielgestaltig ist wie Selbstmordattentäter und Viren, ist die Risikoberechnung leicht zu manipulieren und oft subjektiv. ... Das in Statistiken gehüllte Risiko ist ein Gespenst im Anzug. Es beginnt, einer Person zu ähneln. Wer ist der Terrorist? Wer ist der Covid-Träger? Zu den Widersprüchen der Pandemie gehört, dass die kollektive Sicherheit Ehrlichkeit und gegenseitiges Vertrauen erfordert, doch der Ausdruck dieses Vertrauens ist wachsames gegenseitiges Misstrauen. Am besten ist es, alle zu fürchten. Der Impfpass scheint dieses Problem zu lösen, indem er das Misstrauen durch Gewissheit ersetzt. Aber indem er die Geimpften zulässt und die Ungeimpften ausweist, trennt er auch die guten Biobürger von den Geächteten. Die Rhetorik der Ansteckung hat lange Zeit Fremdenfeindlichkeit mobilisiert und rassistische und eugenische Staatsbürgerschafts- und Einwanderungspolitiken legitimiert (man denke an Donald Trumps 'chinesischen Virus'). Der Historiker Alan M. Kraut von der American University bezeichnet dies als 'medizinisierten Nativismus'."

Magazinrundschau vom 23.11.2021 - Intercept

Schon mehrmals hat sich Interpol dafür hergegeben, Oppositionelle oder Systemkritiker verhaften zu lassen: Der Vereinigten Arabischen Emirate ließen zum Beispiel international nach der finnischen Partnerin von Herrschertochter Sheikha Latifa fahnden, die Türkei ließ einen Haftbefehl gegen den mittlerweile verstorbenen Schriftsteller Dogan Akhanli ausstellen. Ausgerechnet Ahmed Naser al-Raisi, ein leitender Beamte aus dem Innenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate, will sich in dieser Woche an die Spitze von Interpol wählen lassen, berichten Alice Speri und Mara Hvistendahl, die alarmiert beobachten, wie autokratische Regimes die Struktur übernehmen, die von den USA so schön effizient gemacht wurde: "Als die USA nach dem 11. September den Krieg gegen den Terror lancierten, steigerte sich die Arbeit von Interpol exponentiell. Die technologische Aufrüstung beseitigte bürokratische Hürden und machte es leichter und schneller, Haftbefehle auszustellen. In den vergangenen zwanzig Jahren verzehnfachte sich ihre Zahl, im vorigen Jahr gingen 11.000 Haftbefehle raus. Nach Angaben von Interpol sind gerade 66.000 Haftbefehle wirksam, wenn auch nur 8.000 von ihnen öffentlich. Wie die Haftbefehle vermehrten sich aber auch die Berichte, dass diese oft gegen Grundrechte verstießen, zu denen sich die Organisation verpflichtet hat. Kritiker haben Interpol immer wieder aufgefordert, sein System besser vor Missbrauch zu schützen. Einige haben auch die Mitgliedstaaten aufgerufen, zu verhindern, dass die Behörde ein Werkzeug von Autokraten wird, indem sie Wahlgemeinschaften bildeten, um Kandidaten von autoritäten Regimes zu verhindern. Im Fokus der Kritik steht allerdings al-Raisi, der Beamte aus den Emiraten, der seine Kampagne für die Präsidentschaft mit den Versprechen verbindet, den Einsatz von Technologie auszuweiten, wobei er auf die Emirate als Vorbild für eine ausgedehnte Überwachung verweist."

Magazinrundschau vom 16.11.2021 - Intercept

Im Bajo Aguán-Tal in Honduras tobt seit Jahrzehnten ein Landkonflikt. "Er geht zurück auf die frühen 1990er Jahre", berichtet Jared Olson, "als Dinant, ein transnationaler hondurischer Konsumgüterkonzern, der sich auf die Produktion von afrikanischem Palmöl spezialisiert hat, damit begann, kollektive Anbauflächen aufzukaufen und schließlich einen Großteil der landwirtschaftlichen Flächen in der Region zu erwerben. Die Aufkäufe erfolgten in einem Umfeld von Morden, Verschwindenlassen und Morddrohungen gegen Bauernführer und wurden von Menschenrechtlern, Journalisten und den Bauern selbst angefochten. Nach einem von den USA unterstützten Militärputsch im Jahr 2009 besetzten viele Campesinos die Farmen wieder - und lösten damit eine Kampagne gezielter Ermordungen durch private Sicherheitsdienste und honduranische Sicherheitskräfte aus, bei der über 150 Bauern starben." Und das geht bis heute weiter, so Olson. "Die Bewohner des Aguán-Tals behaupten, das Militär sei an der paramilitärischen Gewalt beteiligt. Einige Bewohner behaupten, dass das Militär die Paramilitärs bewaffnet hat, während andere argumentieren, dass das Militär aufgrund seiner Allgegenwart in der Region zumindest von den paramilitärischen Einheiten weiß und wenig getan hat, um deren Gewalt zu stoppen."
Stichwörter: Honduras

Magazinrundschau vom 06.07.2021 - Intercept

Ein Beitrag von Betwa Sharma und Ahmer Khan untersucht, wie nationalistische Gruppen im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh interreligiöse Paarbeziehungen attackieren - per Gesetz: "Seit langem gehen Hindu-Nationalisten in Indien gegen interreligiöse Partnerschaften vor und bedienen sich dabei einer als 'Love Jihad' bezeichneten Verschwörungstheorie: Danach suchen sich muslimische Männer Hindu-Frauen, um sie zur Konversion zu bewegen und Indiens Hindus zu dezimieren. Seit November gilt in Uttar Pradesh ein Gesetz, das Ehen zwischen Hindu-Frauen und Muslim-Männern zu verhindern hilft. Zwar verbietet es die Ehe nicht explizit, aber Hindu-Interessenvertreter nutzen es, um gemeinsam mit der Polizei teils gewaltsam gegen 'Love Jihad' vorzugehen, Ziel: den Hindu-Suprematismus im Land zu festigen. ... Die Bürgerwehr erfährt in der Regel durch lokale Informanten von einer interreligiösen Beziehung und ruft dann die Polizei an, um eine Handyüberwachung von Paaren zu beantragen, die zusammen weggelaufen sind. Nachdem die Frau gefunden wurde, erteilen Hindu-Hardliner oft eine 'Beratung', um sie davon zu überzeugen, ihren muslimischen Partner zu verlassen. Wenn sie sich weigert, greifen sie zu emotionaler Erpressung, oft von ihren Eltern, oder drohen ihr und ihrem Partner mit Gewalt. In einigen Fällen arrangieren die Hardliner, dass die Frau einen Hindu-Mann heiratet, der möglicherweise auch rechtsgerichteten Gruppen angehört."

In einem anderen Beitrag deckt Jordan Smith auf, dass die Staatsanwaltschaft in Orange County, Kalifornien einen fragwürdigen Deal praktiziert - Straferlass gegen DNA-Proben: "Hat der Angeklagte seine Zusage zu dem Programm abgegeben, wird ihm eine DNA-Probe entnommen und er zahlt 110 Dollar, ein Beitrag zur Finanzierung der Datenbank. Allein in 2019 haben die Staatsanwälte in Orange County so 11 Millionen Dollar eingenommen, rechnet die Berkeley-Juraprofessorin Andrea Roth vor. Der Angeklagte unterschreibt eine Verzichtserklärung, die bescheinigt, dass er die Verfassungskonformität der Praxis nicht infragestellt, und verzichtet auf das Recht, seine DNA-Daten zu löschen. Dagegen hat Roth starke Bedenken. Sie hat versucht, an Informationen über das Programm zu gelangen, u.a. über die dort gespeicherten demografischen Daten der Menschen, wurde aber von der Staatsanwaltschaft abgewiesen. Das ganze scheint absurd. Menschen, die wegen Kavaliersdelikten verurteilt wurden, geben ihre genetische Daten ab - auf Lebenszeit, während andere, schwere Straftäter ihre Daten unter bestimmten Voraussetzungen löschen können … Der Unterschied ist der: Ein Mörder, der seine DNA abgibt, macht das vor dem Gesetz. Ein Gewohnheitsverbrecher in Orange County aber hat die Verzichtserklärung unterschrieben."

Magazinrundschau vom 22.06.2021 - Intercept

Auch Mara Hvistendahl bleibt skeptisch angesichts vorschneller Verurteilungen in der Diskussion um den Ursprung des SARS-CoV-2-Erregers. In einem Artikel des Magazins empfiehlt sie, sich an wissenschaftliche Beweise zu halten: "Bis vor kurzem hatte die Vorstellung, ein Virus könnte aus einem Labor entfleuchen, nichts mit politischen Überzeugungen zu tun. Das erste SARS-Virus ist gleich mehrmals aus Laboren entwichen - mindestens zweimal aus dem National Institute of Virology in Peking. Es wird angenommen, dass ein Ausbruch von H1N1 1977 in der Sowjetunion und in China von sowjetischen Wissenschaftlern verursacht wurde, die in einem Labor mit lebenden Viruserregern experimentierten. Bei einer Reihe führender amerikanischer Labors wurden ebenfalls erhebliche Sicherheitsverletzungen festgestellt, unter anderem beim CDC. Vor der Pandemie wurde in wissenschaftlichen Magazinen regelmäßig über solche Risiken berichtet. In einem Artikel aus dem Jahr 2017 über die Eröffnung des Wuhan Institute of Virology äußerte Nature Bedenken hinsichtlich der Sicherheit. Der Begriff eines Laborlecks wurde auch von Science zu Beginn der Covid-19-Pandemie in einem Artikel verbreitet, in dem auch ein natürlicher Spillover diskutiert wurde … Es gibt immer noch keine direkten Beweise für ein Laborleck, und viele Wissenschaftler sagen immer noch, dass ein natürlicher Ursprung wahrscheinlicher ist. Der wissenschaftliche Konsens hat sich nicht in Richtung eines Laborursprungs verschoben. Aber einige Experten mit Fachwissen und Agenda argumentieren, dass ein Laborleck die Pandemie verursacht hat, basta. Wir sollten Wissenschaft und Evidenz den Vortritt lassen und begreifen, dass Wissenschaft wie jede andere Disziplin von miteinander konkurrierenden Interessen geprägt ist."
Stichwörter: Coronavirus, Wuhan, Covid-19

Magazinrundschau vom 01.06.2021 - Intercept

In einem Beitrag für das Magazin untersucht Mara Hvistendahl, wie Oracle mit seiner Datenanalyse-Software Endeca Polizeiarbeit im eigenen Land unterstützte, nach dem Export der Software nach China aber zunehmend mit der CIA in Konflikt gerät und ungeschützte Online-Protester in China gefährdet: "In chinesischsprachigen Unterlagen bewarben Oracle-Mitarbeiter den Einsatz von Endeca bei den NATO-Protesten und durch die US-Regierung, um für die Übernahme der Software durch die chinesischen Behörden zu argumentieren. Die Dokumente erwähnen spezifische Polizeiprojekte und Datenquellen der chinesischen Regierung, aber verschiedene Unterlagen scheinen für ein amerikanisches Publikum gemacht zu sein, mit chinesischen Übersetzungen über englischem Text … Die Dokumente, die Endeca speziell für die Verwendung durch chinesische Polizei vermarkten, stammen aus den Jahren 2012 bis 2014. Aber spätere chinesischsprachige Dokumente promoten 'Big Data Discovery', ein Oracle-Produkt, das die vollständige Funktionalität von Endecas 'Information Discovery' enthält. Ein von einem Oracle-Ingenieur auf einer Entwicklerkonferenz in Kalifornien präsentiertes Dokument von 2018 beschreibt die Verwendung von 'Big Data Discovery' unter anderem durch das öffentliche Sicherheitsbüro der Provinz Liaoning. Ein Oracle-Reseller mit engen Beziehungen zur chinesischen Regierung verkauft Endeca weiterhin, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Auflistung auf der Oracle-Website hervorgeht … Oracle hatte bestritten, Software direkt an die chinesische Polizei zu verkaufen, um Bürger-Daten zu analysieren."

Magazinrundschau vom 08.12.2020 - Intercept

Ein Beitrag von Aakash Hassan vermittelt, wie Regierung und Cyberpolizei derzeit in Kaschmir gegen tweetende Bürger vorgehen: "Die 'Jammu Kashmir Coalition of Civil Society', eine Gruppe von Menschenrechtsorganisationen, berichtete im August, dass die Polizei Beschwerden gegen mehr als 200 User von Social-Media-Plattformen und virtuellen privaten Netzwerken eingereicht und Überwachungstechnologien eingesetzt habe, um die Menschen aufgrund von Antiterror-Gesetzen aufzuspüren und vorzuladen …  Einige von ihnen waren von der Cyberpolizei kontaktiert und aufgefordert worden, auf einer örtlichen Polizeistation eine unverbindliche Vereinbarung zu unterzeichnen, dass sie die Zivilbehörden und die Streitkräfte nicht in den sozialen Medien kritisieren würden. Andere berichteten, in den berüchtigten polizeilichen Aufstandsbekämpfungskomplex Cargo geschickt worden zu sein, wo sie verprügelt, beschimpft und mit Haft oder Tod bedroht wurden. Der jüngste Schlag gegen soziale Medien ist Teil der Verschärfung der Zensur unter dem hindu-nationalistischen Premierminister Modi seit August 2019. Damals beschloss die Regierung, den in der indischen Verfassung garantierten halbautonomen Status von Jammu und Kashmir auzuheben und den Staat in Gebiete unter seiner direkten Kontrolle aufzuteilen. Die Facebook- und Twitter-Posts, um die es geht, waren explizit politischer Art. Sie hinterfragten Indiens Vorgehen gegen Kaschmir nach Aufhebung des Sonderstatus' sowie die Missachtung von Menschenrechten durch indische Sicherheitskräfte und das Schweigen der Medien darüber … Während ein Großteil der Arbeit der Cyberpolizei im Verborgenen bleibt, hat ihr Vorgehen Auswirkungen auf die Aktivität in den sozialen Medien. Viele Accounts wurden gelöscht, sind verstummt oder enthalten keine politischen Inhalte mehr."

Magazinrundschau vom 27.10.2020 - Intercept

Die Stimmung in den USA zwischen Trump-Anhängern und -gegnern ist derart verhärtet, dass sich niemand dem entziehen kann. Elizabeth Rubin erinnert sie an Sarajewo kurz vor dem Ausbruch des Bosnienkriege. "Wie verwandelt sich ein Bürgerzwist in einen Bürgerkrieg? Mit einer gut geplanten Agenda, charismatischem Führer und mit Angst. Und vielleicht eine letzte Zutat, die alle drei zusammenbringt: das Reduzieren der Geschichte und alle ihrer Komplexität zu einer Erzählung des kollektiven Schicksals - unseres gegen ihres, wir gegen sie. ... Eine Freundin von mir, die im Alter von 9 Jahren aus dem Iran geflohen ist, schreckte vor meinen Vergleichen mit Sarajewo zurück. 'In dem Moment, in dem jemand völlig unterschiedliche Länder vergleicht, die keine gemeinsame Geschichte haben, schalte ich ab. Das wird hier nie passieren.' Ich stimme ihr zum Teil zu. Die USA teilen weder einen politischen Kontext noch eine Geschichte mit Bosnien. Aber dann gibt es die menschliche Natur, wie wir mit Verleugnung umgehen, um zu überleben, und mit Stammesdenken, wenn wir bedroht sind, und wie schwer es ist, das Schlimmste in uns abzuschalten. Die beiden politischen Seiten stehen inzwischen für so viel mehr, als sie möglicherweise einhalten können, und jetzt stehen sie sich gegenüber wie die Kräfte des Lichts und der Dunkelheit über Gondor. Jede Seite denkt, die andere sei die Dunkelheit. ... Wenn wir einem Fremden begegnen, wissen wir fast instinktiv, ob er Trump-Anhänger oder Biden-Anhänger ist. Wer ein 'Anderer' ist. Wer hassenswert, beklagenswert, entbehrlich ist. Die Sprache des Othering rutscht uns in diesem heiklen Moment so leicht von der Zunge."
Stichwörter: Bosnienkrieg, Sarajewo, Bosnien