Dor Shabashewitz
lenkt den Blick auf das am Kaspischen Meer gelegene Gebiet
Astrakhan. Die Oblast, einst ein unabhängiges türkisches Khanat, wie wir lesen, ist heute ein föderales Subjekt Russlands. Aber, so Shabshewitz, ein "ziemlich untypisches". Seit Jahrhunderten ist die Region ein "
Hotspot der ethnischen Vielfalt: hier leben Kasachen, Tataren, Nogaier, Tschetschenen, Aseris und Kalmücken. Etwas über die Hälfte der Bevölkerung bezeichnet sich selbst als ethnisch russisch, so Shabashewitz. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine begannen hitzige Debatten über die Zukunft der Region im Falle einer Auflösung Russlands. Wie in vielen Regionen mit ethnischen Minderheiten wurde auch hier "ein unverhältnismäßig hoher Anteil der nicht-slawischen Einwohner
für den Krieg rekrutiert. Von den 218 bekannten Namen von Einwohnern des Gebiets Astrachan, die im Kampf in der Ukraine gefallen sind, sind
54 Prozent eindeutig nicht-slawisch". In der Folge bekamen separatische Bewegungen einzelner ethnischer Gruppen mehr Zulauf. Bisher hat sich keine zusammenhängende Unabhängigkeitsbewegung gebildet, beobachtet Shabashewitz: "Das vielleicht ungewöhnlichste Merkmal der öffentlichen Diskussionen über die Zukunft Astrachans ist, dass sie von Bewegungen und Einzelpersonen initiiert und geführt werden, die
die am wenigsten zahlreichen Minderheiten der Region repräsentieren. Bei den hitzigen Debatten zwischen den Kalmücken (7.000 Menschen im Gebiet Astrachan) und den Nogaiern (8.000 Menschen im Gebiet Astrachan) wird leicht vergessen, dass es in der Region 150.000 ethnisch kasachische Einwohner und über 50.000 Tataren gibt. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, wie
nationalistisch und ethnisch geprägt der Sezessionismus im heutigen Russland ist. Die Kasachen haben als ethnische Gruppe einen eigenen souveränen Staat, und die Tataren haben Tatarstan - ein größeres und weiter entwickeltes föderales Subjekt Russlands, das nicht an Astrachan grenzt und eine lange Tradition von Unabhängigkeitsbewegungen hat, die in den 1990er Jahren teilweise erfolgreich waren. Die Existenz dieser Entitäten könnte der Hauptgrund für die
relative Inaktivität der größten Minderheiten Astrachans sein." Sie "ziehen einfach in ihren bestehenden Nationalstaat".