
Jan Nováks Biografie über
Milan Kundera hat noch vor ihrem Erscheinen in Tschechien die Gemüter erhitzt. Petr Fischer
fällt ein vernichtendes Urteil über das Buch, dessen einseitige Perspektive und seinen Anklageton. Obwohl der vor einigen Jahren aufgekommene Verdacht, Kundera habe 1950, als 21-Jähriger
einen jungen Antikommunisten denunziert, nie endgültig bewiesen werden konnte, sieht Novák nämlich Kunderas marxistische Haltung offenbar in dessen ganzen Leben und Werk bestätigt: "Kundera hat seine Vergangenheit auf zynische Weise bewältigt", schreibt der Buchautor. "Nicht nur vertuscht er seine Teilnahme als junger Mann an den Verbrechen der Revolution, er bestreitet auch den
Begriff der Gerechtigkeit selbst - und wenn es keine Gerechtigkeit gibt, dann kann es auch keine Verbrechen geben, keine Verbrecher, keine Schuld, keine Strafe." Dem hält Petr Fischer entgegen: "Dass Kundera seine Vergangenheit verbergen, sie vergessen will, darin hat Novák sicher recht, die These der nicht existenten Gerechtigkeit jedoch ist eine reine Projektion, die weder in Kunderas Leben noch in seinen Essays noch in seinem Romanwerk eine Entsprechung findet, sondern nur in Nováks besessener Vorstellung von der ewigen Wahrheitsrelativisierung seitens der weltweiten Linken... Dabei sagt Kundera nirgendwo, dass es keine Gerechtigkeit gibt. Sein Thema ist der
ironische Lauf der Geschichte, die Vergeblichkeit der menschlichen Bemühungen, sie im Griff zu behalten und am Leben zu reifen, Bemühungen, die sich am Ende immer rächen." Fischer schließt: "So wendet sich der ironische Lauf der Geschichte schließlich auch gegen Novák. Er hat geduldig so viel Material aufgehäuft, um den wahren Milan Kundera zu offenbaren, bis er doch vor allem
nur sich selbst entlarvt hat."
Weitere Stimmen: Ondřej Slačálek
urteilt in
a2larm.cz übrigens noch gnadenloser: Er wirft dem Autor Boulevardjournalimus und gar alte Methoden der Staatssicherheit vor, nämlich die
Missachtung der Intimsphäre. Jana Machalická
schreibt in den
Lidové noviny über den Rummel vor der Veröffentlichung: "Was bisher über das Buch, und damit über Kundera geschrieben wurde, sagt vor allem etwas über uns selbst aus, über
unsere gespaltene Gesellschaft und unsere Schwarz-Weiß-Sicht." Den Inhalt des Buchs kann sie nicht ernstnehmen. Geradezu komisch sei Nováks Aussage, Kundera schreibe so authentisch übers Denunziantentum, dass er das selbst durchlebt haben müsse - als gäbe es nicht so eine Kategorie wie
schriftstellerisches Können. Ihr Fazit: "So viel Arbeit, so viele Seiten, und doch so wenig über den wirklichen Kundera. Über seine lebenslange Zurückgezogenheit, den Fluch, sich von anderen abzusondern, über seine Überempfindlicheit. Auch nichts über das Thema des Mitleids, das in seinem Werk so besonders durchscheint. Kundera ist nicht unkritisierbar, aber so einen gnadenlosen Beschuss mit Mist, wie Pavel Kosatík treffend auf Facebook schreibt, hat er nicht verdient."