Magazinrundschau - Archiv

Observer

6 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 04.07.2017 - Observer

Eine wunderbare Liebeserklärung an die deutsche Sprache hat John le Carré verfasst. Und er empfiehlt seinen Landsleuten dringend, eine Fremdsprache zu lernen. Die Genauigkeit, die man dabei aufbringen muss, hilft auch anderswo, verspricht er mit Blick auf Donald Trump: "Eine klare Sprache - eine deutliche, verständige Sprache - ist eine grundlegende Bedrohung für einen Mann, der im Krieg mit der Wahrheit und der Vernunft liegt. Für diesen Mann  ist eine klare Sprache ein unmittelbarer Anschlag auf seine Vernebelungen, Widersprüche und Lügen. Für ihn ist sie die Stimme des Feindes. Für ihn ist sie fake news. Denn er weiß, wenn auch nur intuitiv, was wir auf eigene Kosten gelernt haben: Ohne klare Sprache gibt es keinen Standard für Wahrheit."

Magazinrundschau vom 29.01.2013 - Observer

Das heißeste Ticket in London ist derzeit eins für das kommende Konzert von Kraftwerk in der Londoner Tate Modern. Jude Rogers würdigt aus diesem Anlass den enormen Einfluss, den die deutsche Gruppe hatte und hat. Auf wenn der Weg zum Erfolg in England Mitte der Siebziger steinig war: "Man kann sich kaum noch vorstellen, wie fremdartig Kraftwerk damals erschienen. Die erste Anzeige für 'Autobahn' im schwarz-weißen MME sah besonders schockierend aus: ein leuchtend blaues Zeichen aus der Zukunft, unter einem Feature über Geschiedene in der Country Musik. In dieser Zeit wurde der Song von der Presse als Gimmick abgetan - aber nicht von den Fans, die ihn zu einem Nr.-11-Hit machten. Dann kam die Ausländerfeindlichkeit. Der Krieg war immer noch brennend frisch im Gedächtnis, darum war es vielleicht keine Überraschung, dass eine Besprechung von Barry Miles die Überschrift trug: 'Dein Vater hat dafür gekämpft, dich davor zu bewahren.' Der NME druckte ein Feature des amerikanischen Kritikers Lester Bangs, in dem [Ralf] Hütter gefragt wurde, ob Kraftwerk 'die Endlösung' für Musik sei. Das Bild zum Artikel war noch geschmackloser: ein Pressefoto, dass in den Nürnberger Parteitag einkopiert war."

Magazinrundschau vom 06.07.2010 - Observer

Andrew Hussey spricht mit Claire Denis über ihre Filme - auch über "White Material", in dem Isabelle Huppert eine Kaffeepflanzerin irgendwo in Afrika spielt, in einem Land, das kurz vor der Revolution steht. Drei Menschen werden genannt, die für Denis wichtig sind: Marguerite Duras, George Bataille und Frantz Fanon: "Denis las Fanon als sie um die 14 war und fand seine Ideen verheerend. Am beschämendsten in seinem Werk fand sie seine Analyse der entwürdigenden Folge von Scham und Erniedrigung, der Kolonisten wie Kolonisierte gleichermaßen befällt. 'Ich begriff, dass Scham das entscheidende Gefühl in dieser Beziehung war', sagt sie, 'auf beiden Seiten, der schwarzen und der weißen.'"

Magazinrundschau vom 01.09.2009 - Observer

Die Russen wollen nichts von einer Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wissen, berichtet Luke Harding. Ganz anders als die Polen beurteilen sie daher auch den Hitler-Stalin-Pakt, "mit dem Hitler und Stalin Europa aufteilten, wobei Moskau Estland, Litauen und Lettland, zwei Drittel Polens und einen großen Teil Rumäniens annektierte. Der Kreml argumentiert jetzt, dass Stalin keine Wahl hatte als im August 1939 einen Pakt mit Hitler zu schmieden. Britannien und Frankreich hätten den Krieg durch die Unterzeichnung des Münchner Abkommens unvermeidlich gemacht. Und dann verpasst der Kreml den Polen einen Tritt mit dem Stiefel: er behauptet, das Land sei ein williger Allierter der Nazis gewesen und ein Komplize bei Hitlers Aufteilung der Tschechoslowakei im Jahr davor. (...) Russland hat angekündigt, am Dienstag mehr Dokumente über Polen aus den geheimen Archiven des russischen Auslandsgeheimdienstes zu veröffentlichen. Sie folgen der Freigabe anderer Geheimdokumente, die letzte Woche von Moskau benutzt wurden, um die Besetzung Osteuropas durch Stalin zu rechtfertigen."

Das wird dann ja heute ein heiteres Gedenken auf der Westerplatte! Laut Tagesspiegel hat die polnische Tageszeitung Dziennik inzwischen publik gemacht, "dass pünktlich zum 1. September ein Buch russischer Historiker mit dem Titel 'Die Geheimnisse der polnischen Außenpolitik 1935 bis 1945' erscheinen wird. Darin soll auf der Grundlage bisher geheim gehaltener Dokumente bewiesen werden, dass sich Polen damals mit dem Dritten Reich in einem geheimen Zusatzprotokoll zum deutsch-polnischen Nichtangriffspakt von 1934 zusätzlich auch über die Aufteilung Litauens und der Tschechoslowakei geeinigt habe. 'Lüge, Lüge und nochmals Lüge', donnerte empört der Kommentator von Dziennik angesichts dieser Aussagen und rückte die Verfasser des Werkes in die Nähe von Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels."

Magazinrundschau vom 02.06.2009 - Observer

Rachel Cooke trifft in London den ägyptischen Zahnarzt und Schriftsteller Alaa Al Aswani, der mit seinen Romanen "Der Jakubijan-Bau" und "Chicago" so viel Erfolg hatte, dass sein Verleger jetzt sogar seine frühen, von der Zensur verbotenen Werke veröffentlichen möchte. Al Aswany ist aktiv in der Oppositionsbewegung. "Schützt ihn der Ruhm? 'Ich kann das, was mir passiert ist - ich durfte bei der Filmpremiere von 'Der Jakubijan-Bau' nicht dabei sein - nicht mit dem vergleichen, was einigen meiner Freunden und Kameraden passiert ist, die gefoltert und verprügelt wurden. In jedem Fall aber sind Schreiben und Angst absolut kontradiktorisch. Schreiben ist ein Ausdruck gegen Angst.' Er ist überzeugt davon, dass die Demokratie nach Ägypten kommt und dass der Rest der arabischen Welt es dann als Modell benutzen wird. 'Ich sage Ihnen, es dauert nicht mehr lange. Ich kann kein bestimmtes Datum sagen, aber wir sind bereit."
Stichwörter: Chicago, Aswani, Alaa al

Magazinrundschau vom 23.09.2008 - Observer

Robert McCrum ist nach Upstate New York gefahren und hat Philip Roth besucht. Anlass ist dessen jüngster Roman - eher eine Novelle, wie er selber zugibt - mit dem Titel "Indignation". Im Gespräch, das McCrum in seinem Artikel schildert, geht es um Roths Leben und Werk, den sich nähernden Tod, und auch darum, wie schwierig es ist, ein neues Projekt zu beginnen: "Roth ist gerade auf der Suche nach einem neuen Gegenstand und befindet sich also wieder einmal in diesem schrecklichen Limbo zwischen den Büchern. 'Ein neues Buch zu beginnen ist die Hölle. Du ruderst herum, bis irgendetwas passiert. Das ist schon ein Wunder. Aus dem Nichts, aus dem Nirgendwo kommt dann etwas. Darum sind kurze Bücher so problematisch. Man ist zu schnell wieder fertig damit. Und darum sind lange Bücher so wunderbar. Ich habe also beschlossen, dass ich ein großes Projekt finden muss, das mich bis zu meinem Ende begleitet. Am Tag davor fertigwerden, und dann - Exit Ghost.'"'
Stichwörter: Roth, Philip