Vom Nachttisch geräumt

Sexsymbol ist nicht genug

Von Arno Widmann
04.12.2016. Die schönste Frau der Welt ist eine Kunstfigur, und eine Le-Pen-Anhängerin. Darüber sagt Henry-Jean Servat in seinem Band über Brigitte Bardot nichts. Über ihre Druckknöpfe weiß er dafür mehr.
1972 erklärte Woody Allen: "Brigitte Bardot wird auf ewig die schönste Frau der Welt bleiben. Ich bin zutiefst überzeugt, dass es nichts Schöneres auf der Welt gibt als sie." Eine völlig dumme Bemerkung. Es sei denn, es sagt sie einer aus Überzeugung, aus jenem Wahn heraus, der einen jeden, eine jede bei dieser oder jener Gelegenheit einmal befällt. Ich hatte zweimal im Leben das Glück, allen Ernstes zu glauben, die Frau, mit der ich gerade zusammen war, sei die Schönste. Bei Woody Allen weiß ich noch nicht einmal, ob er oder ob eine seiner Filmfiguren es gesagt hat. Womöglich Allan Felix in "Mach's noch einmal Sam?" Woody-Allen-Kenner könnten mir weiterhelfen.

Aber es geht um Brigitte Bardot. Jetzt merke ich auch, dass womöglich das Woody Allen Zitat gar nicht aus dem Jahre 1972 stammt. Ich habe es aus einem Bildband über Brigitte Bardot, und es könnte sein, dass sich die Jahreszahl nicht auf das Zitat, sondern auf das daneben stehende Foto bezieht, das die Bardot zeigt in einem durchsichtigen gelben Kleid, unter dem die rechte Brust sehr gut zu erkennen ist. Das war damals und es ist heute sehr reizvoll. Auffällig an diesem Foto ist freilich auch die rechte Hand. So käme sie heute an keinem Bildredakteur mehr vorbei. Der würde fleißig retuschieren. Womöglich würde heute auch ein Fotograf schon darauf achten, dass die Hand nicht so viele Falten würfe. Wir sind in den letzten vierzig Jahren, nein, nicht strenger, sondern noch künstlicher geworden. Es ist die jederzeit und mit minimalem Kosten- und Arbeitsaufwand zur Verfügung stehende Technik, die uns alles schnell so einrichten lässt, wie wir glauben, dass es sein soll. Die Utopie ist machbar, Herr Nachbar.

Brigitte Bardot habe sich selbst erfunden, heißt es in Henry-Jean Servats bei Schirmer/Mosel erschienenem Bildband. Man glaubt das sofort, wenn man die ersten Fotos sieht, in denen sie in Kleidern von Balmain posierte. Der Modeschöpfer - so hieß das damals in Deutschland - berichtet in seinen Memoiren: 1956 soll die 22-jährige Bardot der Königin von England vorgestellt werden, gleichzeitig mit Marilyn Monroe und Anita Ekberg. "Wenn die Monroe mehr zeigt als ich", rief Brigitte Bardot, "bring ich mich um…". Balmain entwirft ein Kleid mit einem Druckknopfsystem, "daher konnte Brigitte, solange sie nicht der Königin gegenüberstand, so viel zeigen, wie sie wollte." So wahnsinnig anders als heute kommt einem das nicht vor.

Die Vorstellung, dass die Großmütter nicht erst als solche, sondern  immer schon keuscher waren als die Enkelinnen, ist wohl definitiv falsch. Und es hätte dieses Buches nicht bedurft, sie zu korrigieren. Aber andererseits wird so getan, als habe es vor die sexuellen Revolution keine Sexualität gegeben, als wäre Doris Day keine Kunstfigur, sondern eine reale Person. Wer den Band aufmerksam liest und betrachtet, dem wird auch deutlich, dass Brigitte Bardot ein Männertraum war, lag auch daran, dass nicht sie allein sich zur Bardot gemacht hatte, sondern dass Roger Vadim eine zentrale Rolle bei der Metamorphose des Balmain-Modells in Brigitte Bardot spielte. Seit 1973 hat sie keinen Film mehr gedreht. Der Band hört mit der Jahreszahl 1975 auf. Ein Foto aus dem Jahr 1980 zeigt sie in einem Auto mit vielen Hunden. Vielleicht ist es ein Buch für alte Männer, die sich wundern darüber, was sie einmal vorbehaltlos bewunderten. Im Buch kein Wort über die Le Pen-Anhängerin Bardot. Es geht allein um Filmidol - Modell-Ikone - Sexsymbol. Schade. Mehr Ambivalenz wäre schöner gewesen.

Henry-Jean Servat: Brigitte Bardot, Schirmer/Mosel, München 2016, aus dem Französischen von Michaele Angermair, mit einem unveröffentlichten Interview zwischen Brigitte Bardot und Henry-Jean Servat. 256 Seiten, 189 Abb. in Farbe und Schwarzweiß, 39,80 Euro.
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