Vom Nachttisch geräumt
Es geht de Mensche wie de Leut
Von Arno Widmann
20.11.2018. Kommt ohne Sex und Tod aus: Rosamund Young erzählt vom geheimen Leben ihrer Kühe.
Rosamund Young zeigt, wie wichtig Familienbeziehungen in der Kuhherde sind. Großmütter springen ein. Nicht nur, wenn die Mutter mal anderweitig unterwegs ist, sondern sogar, wenn die Mutter noch keine Mutter sein möchte. Rosamund Young erzählt Familiengeschichten. Sie erzählt, wie sie spricht mit den Kühen, sie erzählt, wie die Kühe ihr etwas mitteilen und wie sie nebeneinander stehen und muhen, bevor sie Abschied nehmen. Rosamund Young untersucht nicht die Sprache der Kühe. Sie erzählt nur davon. Meine Mutter pflegte zu sagen "es geht de Mensche wie de Leut". Rosamund Young lehrt uns, dass auch Kühe zu den Leuten gehören. Manche Menschen fühlen sich nicht wohl in dieser Gesellschaft. Sie suchen nach dem, das sie unterscheidet, das sie zu etwas Besonderem macht. Wir anderen lieben es, wenn wir uns eingebettet sehen in eine große Gemeinschaft, in der jeder anders ist, aber alle einander doch sehr ähnlich. Kühe können sich bei einem Wiedersehen Küsschen geben, wie meine Tanten es taten oder sie können so tun, als hätten sie noch kein Futter bekommen, um zweimal Futter zu bekommen.
Ein großartiges Buch. Das freilich einen Großteil seines Charmes daher bezieht, dass Sex keine Rolle spielt in ihm und auch der Tod, also die Schlachtung, ausgespart wird. Eine Rosamunde-Pilcher-Geschichte unter Kühen.
Rosamund Young: Das geheime Leben der Kühe, aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence, btb, München 2018, 176 Seiten, Illustrationen von Anna Koska, 15 Euro.
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