Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
13.09.2004. In dieser Woche: Wie das Caroline-Urteil die Buchbranche betrifft. Warum die Bücher schneller drehen. Was die Branche von der Bestselleraktion der Bild-Zeitung hält. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Das "Caroline-Urteil" (hier im Wortlaut, siehe auch Perlentaucher-Archiv) hat gravierende Folgen für Verlage. "Egal, ob für ein Buch, für eine Zeitschrift oder für das Cover eines Hörbuchs - soll ein Foto für eine Veröffentlichung Verwendung finden, muss der Abgebildete grundsätzlich seine Einwilligung dazu erteilen", erklärt das Börsenblatt. Dies gelte, was die wenigsten wüssten, selbst für den Fall, dass das Foto von einer Bildagentur stamme. "Buchverleger müssen sich künftig gut überlegen, ob sie Biografien oder Romanbiografien veröffentlichen, da sich die Straßburger Entscheidung auch auf Wortbeiträge erstreckt", erläutert Random House-Justiziar Rainer Dresen. In den seltensten Fällen würden, glaubt Dresen, Biografien über Prominente den strengen Anforderungen des europäischen Menschenrechtsgerichtshofs entsprechen. Ihnen fehle zumeist die Relevanz für eine politische oder gesellschaftliche Debatte über deren Status oder Funktion.
Zwei Wochen nach dem Großbrand, der im Dachstuhl der Weimarer Herzogin Anna Amalia Bibliothek ausbrach und zum Teil unwiederbringliche Kulturgüter - Bücher, den historisch einmaligen Rokokosaal des Gebäudes sowie Kunstgegenstände - zerstörte, ist die Ursache weiterhin nicht geklärt. "Ein Teil der 50.000 Bücher, die durch den Einsatz freiwilliger Helfer gerettet werden konnten, wurde in das Zentrum für Bucherhaltung nach Leipzig gebracht", berichtet das Börsenblatt. Dort würden die Bücher gefriergetrocknet, um einen Schimmelpilzbefall und Fäulnis zu verhindern.

Deutsche Verlagshäuser stecken wieder mehr Geld in Werbung. In 2002 hatten sie die Werbeausgaben für ihre Bücher noch um 64 Prozent reduziert. Vergangenes Jahr hätten sie dann aber wieder rund 20 Prozent mehr in Buchwerbung investiert, insgesamt 112 Millionen Euro, zitiert das Börsenblatt aus dem "G+J-Branchenbild Bücher". Die Neuen Medien und ihre Werbemöglichkeiten haben die Verlage anscheinend noch nicht für sich entdeckt: Circa 80 Prozent der Werbeaufwendungen für Bücher flossen in 2003 in die Printmedien.

Im nordrhein-westfälischen Minden lernen die Schulkinder vorerst ohne Bücher. Was der Buchreport im Juli als "worst case" vorausgesehen hat, trifft zumindest in diesem einen Fall zu und wird vom Börsenblatt als "Aufreger der Woche" verbucht. Dass die Stadt Minden ihren Schulbuchauftrag über 330.000 Euro bisher nicht vergeben konnte, ist eine Folge des neuen EU-Wettbewerbsrechts. Zwei Bieter, die gegen das Vergaberecht verstoßen hatten und deshalb ausgeschlossen wurden, haben ein Nachprüfungsverfahren angestrengt, dessen Ergebnis noch aussteht. Gegen einen Eilantrag der Stadt war Widerspruch eingelegt worden.

Der öffentlich ausgetragene Streit um die Ortografie macht inzwischen Schulbuchverlagen zu schaffen. Der Ernst Klett Verlag spricht gegenüber dem Börsenblatt im Fach Deutsch von einer "deutlichen Umsatzdelle in den vergangenen Wochen". Auch Cornelsen und Westermann schließen nicht aus, dass sich die Debatte um die neue Schreibung nachteilig auf die Umsatzentwicklung auswirkt.

Personalien: Der Schweizer Schriftsteller Peter Weber wurde zum 31. Stadtschreiber von Bergen-Enkheim gekürt. Neben dem Preisgeld von rund 15.000 Euro ist damit das auf ein Jahr beschränkte Wohnrecht im "idyllischen Stadtschreiberhaus" im Frankfurter Nordosten verbunden.

Meldungen: Ullstein vermutet hinter einem Einbruch, bei dem letzte Woche laut Polizeibericht drei Personen Verlagsräume an der Berliner Friedrichstraße durchsucht haben, einen Zusammenhang mit dem gerade erschienenen Insider-Report "Bedingt dienstbereit. Im Herzen des BND - Die Abrechnung eines Aussteigers". An einer 33-bändigen Werkausgabe - der ersten vollständigen - von Patricia Highsmith arbeitet Autor und Übersetzer Paul Ingendaay derzeit gemeinsam mit Anna von Planta, der letzten Lektorin der "Lady of Crime". Voraussichtlich im Frühjahr 2006 wird die Edition abgeschlossen sein.

Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Den Buchhandel erwartet die zweite große Niedrigpreisaktion dieses Jahres: Die Bild-Zeitung startet im Oktober eine eigene Bestseller-Bibliothek. "Geplant sind 25 Romane aus dem 20. Jahrhundert, für die Lothar Menne derzeit in Verbindung mit Weltbild bei den Verlagen nach Lizenzen fragt", berichtet der Buchreport in seiner Titel-Geschichte. Weltbild sei für die Logistik zuständig. Wie bei der SZ-Bibliothek werde jeder Band 4,90 Euro kosten. Für die Auswahl der Bücher steht eine Jury bereit, zu der dem Vernehmen nach Nina Ruge, Brigitte Blobel und Hellmuth Karasek gehören. Hier der vollständige Artikel.
Für die Branchenkultur wird die "Bild-Bestseller-Bibliothek" nicht ohne Folgen bleiben, prognostiziert Buchreport-Redakteur David Wengenroth. "Eine Beeinträchtigung des kommenden Weihnachtsgeschäfts durch ein machtvoll beworbenes Überangebot an Billig-Titeln wäre angesichts der herrschenden Branchenkrise schlimm genug", schreibt er in seinem Kommentar. "Darüber hinaus könnte ein Siegeszug der 4,90-Euro-Bücher das Preisgefüge des Buchmarktes vielleicht nicht aus den Angeln haben, aber beschädigen." Doch, so Wengenroth weiter, den Buchhändlern bleibe nichts anderes übrig, als mit Bild zu kollaborieren.

Gelingt es den beiden "Goliaths" ihrer Branche - Bild als Riese auf dem Zeitungs-, Weltbild auf dem Buchsektor -, mit ihrer Marketingaktion den Erfolg der SZ-Bibliothek zu kopieren, gar zu toppen? Die Süddeutschen haben gut vorgelegt: Die bisher erschienenen 25 Bände sind, laut Buchreport-Informationen, im Schnitt 150.000 Mal abgesetzt worden. Das entspricht, hochgerechnet mit den noch kommenden 25 Bänden, einer Gesamtauflage von 7,5 Millionen Exemplaren. Am besten hat sich in der Buchreihe der SZ übrigens der erste Band, Milan Kunderas "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" (mehr im Perlentaucher-Archiv), verkauft, vor Umberto Ecos "Der Name der Rose" und Paul Austers "Stadt aus Glas".

Der kränkelnde Bahnhofsbuchhandel, dessen Umsatz in 2003 um 3,5 Prozent zurückging, konzentriert sich immer stärker auf wenige Player. "75 Prozent des Gesamtumsatzes, den die Mitglieder des Verbands Deutscher Bahnhofsbuchhändler (VDBB) erwirtschaften, gehen auf das Konto der vier großen Bahnhofsbuchhändler", schreibt der Buchreport. Grund dafür seien Expansions- und Konzentrationsprozesse in den vergangenen Jahren. Die Deutsche Bahn scheint daran nicht ganz unbeteiligt. Die von der Bahn erhobenen umsatzabhängigen Mietkosten machten besonders den kleinen Bahnhofsbuchhändlern zu schaffen, erklärt Götz Grauert, Vorsitzender des VDBB. Bei der Wahl ihrer Mieter halte sie sich außerdem bevorzugt an die großen Namen - nach dem Motto "Je weniger Partner zu handhaben, desto besser".

Eine "konzentrierte Arbeitsmesse" erwartet Buchmesse-Direktor Volker Neumann dieses Jahr in Frankfurt. Die Zahl der Aussteller habe sich mit 6.638 (davon Aussteller aus Deutschland: 2.600) im Vergleich zum Vorjahr leicht verbessert, gab Neumann auf der Programm-Konferenz zur Frankfurter Buchmesse bekannt. Der Messe-Direktor geht von 290.000 Besuchern aus, das wäre Rekord. 3.000 Veranstaltungen sollen das Publikum bei Laune halten. Neu ist der gestrichene Messemontag und die Möglichkeit für die Aussteller, ihre Bücher am Sonntag zu verkaufen (zum gebundenen Ladenpreis, versteht sich). 250 Autoren werden auf 400 Veranstaltungen des Begleitfestivals "Leseland Hessen" an 21 Orten des Bundeslandes lesen. (Volker Neumanns ganze Rede).

Der nach der letzten Gala im Herbst 2003 in doppelter Hinsicht in die Krise geratene Internationale Buchpreis "Corine" - nicht geklärt war, wer die Auszeichnung künftig sponsert, die Zuschauerresonanz auf die Ausstrahlung im Fernsehen fiel enttäuschend aus - hat, wie's aussieht, einen Weg für sich gefunden. Geld kommt künftig von vielen Seiten: Neben Random House, Weltbild und Collection Rolf Heyne buhlen die branchenfremden Unternehmen O2, Volkswagen und Hypovereinsbank als Sponsoren ums buchaffine Publikum, außerdem die Ursula Lübbe Stiftung, die Porzellan-Manufaktur Nymphenburger und die Bayerische Staatskanzlei. Neue Impulse soll der Kultursender 3sat geben, der den Bayerischen Rundfunk als Produktionspartner ablöst. Und auch die Internetseiten des Buchpreises sind überarbeitet worden.

Personalien: Literaturnobelpreisträger Günter Grass half mit, das Günter Grass-Haus in Lübeck auf ein tragfähiges finanzielles Fundament zu stellen. Der Stadt hatten 430.000 Euro für den Ankauf von Grafiken, Zeichnungen und Skulpturen des Schriftstellers gefehlt. Grass stellte ein Drittel der Geldsumme zur Verfügung.

Meldungen: Beim Buchreport-Umsatztrend kam der Buchhandel im traditionell schwachen August mit einem Plus von 2,06 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gut weg, ohne Schulbücher wären es + 0,34 Prozent. Am 14. September startet Schriftsteller Bodo Kirchhoff mit vier weiteren Ausgaben seiner Literatur-Sendung "Parlando", früher "cult.date", im Hessischen Rundfunk; kommenden Dienstag strahlt das ZDF ein "Lesen!"-Magazin mit Elke Heidenreich und Gast Roger Willemsen aus (die Bücherliste). Der "Kölner Bücherherbst" wird in seinem 16. Jahr eingestellt. Die Stadt Köln hat ihre Finanzspritze gestrichen, allein über die Ausstellergebühren können die Veranstalter die nötigen 50.000 bis 80.000 Euro nicht aufbringen. Nicht viel getan hat sich diese Woche auf den Bestsellerlisten.

BuchMarkt

Als "eine der faszinierendsten Neugründungen der letzten Jahre" bezeichnet der BuchMarkt den Marebuch Verlag. Verleger Nikolaus Hansen konnte sich bisher mit einem Nischenprogramm - ausschließlich Bücher zum Thema "Meer" - am Markt behaupten. Auch wenn daraus an einigen Stellen bedauerliche Einschränkungen bei Programm und Publikum resultierten, sagte der Verlags-Chef im Interview, sei er froh, diese Identität zu haben und sie sowohl bei der Programmarbeit wie auch beim Marketing nutzen zu können. Reich werde man mit einem solchen Verlag nicht, gab Hansen freimütig zu, aber dank eines guten Konzepts - zum Beispiel die Etablierung der Marke "Mare" auch im Taschenbuch, in Kooperation mit Piper - stehe man heute gut da.

Wenn auf der Frankfurter Buchmesse der Startschuss für das neue Download-Portal für Hörbücher, Audible.de (siehe Archiv) fällt, dann muss das keine Gefahr für den Handel bedeuten. Zwar, so die eine Möglichkeit, könnte es die normalen Hörbuch-Umsätze im Buchhandel "kannibalisieren", der Markt könnte durch die Downloads aber auch wachsen. Audible-Mitarbeiterin Kathrin Rüstig ist sich in einem Punkt sicher: Dass das Portal, welches mit seinem breiten Angebot die bisher bestehenden Portale weit übertreffen wird, nicht lange allein auf dem Markt sein wird. "Aus den Fehlern der Musikindustrie kann der Hörbuchbereich nur lernen. Die Download-Portale und Verlage sind nun gefordert, proaktiv die wichtigen Themen anzugehen und ein wirklich kundenfreundliches Angebot zu schaffen."

Seit einem knappen halben Jahr ist Dr. Joachim Kaps, früher Carlsen, mit seinem Manga-Verlag Tokyopop auf dem deutschen Buchmarkt vertreten. Im Gespräch mit dem BuchMarkt erklärte er, dass Verlage heutzutage erstmals mehr tun müssten, als einfach nur Programme verlegen, nämlich langfristige und zukunftsfähige Strategien entwickeln. Um am Markt bestehen zu können, bräuchten sie eine stärkere Einbindung ihrer Bücher in den Medienkontext und moderne Marketingstrategien. Kaps selbst hat sich vorgenommen, in den nächsten zwei bis drei Jahren das "aggressivste Marketing" zu machen, etwa durch Gratis-Hefte, die in einer Auflage von 130.000 Exemplaren alle drei Monate erscheinen sollen.

Rowohlt setzt auf Frauen. Diese Zielgruppe treffe 80 Prozent der Kaufentscheidungen und kaufe nahezu doppelt so viele Taschenbücher wie Männer, behaupten die Reinbeker. Nach den Kindern erhalten jetzt also auch die weiblichen Leser von Rowohlt ein eigenes Special Interest-Angebot im Netz. "Monatlich aktualisiert, enthält die Seite zahlreiche Buchneuvorstellungen, außergewöhnliche Autorinnenporträts, ausführliche Leseproben und saisonale Schwerpunkte", fasst der BuchMarkt zusammen. Ziel sei es, die weibliche Leserschaft mit gehobenen Ansprüchen stärker an sich zu binden.
Archiv: BuchMarkt

buchreport.magazin

Bei den Filialisten geht der Trend zu den so genannten Schnelldrehern: In die Regale kommen nur "Bücher der Saison", nach dem Grundsatz: Je geringer die Lagerzeit eines Buches, desto wirtschaftlich rentabler ist es. Ältere Bücher werden auf Wunsch eines Kunden nur noch beim Barsortiment bestellt. Buchreport-Redakteurin Brit München sieht diese Entwicklung kritisch. "Gerade in der Tiefe des Sortiments liegt die Chance, dem Umsatzanteile gewinnenden Online-Handel die Stirn zu bieten", gibt sie auf der Meinungsseite zu bedenken. Nicht der Umsatz pro Quadratmeter könnte auf lange Sicht entscheidend sein, sondern die Kundenbindung.

Buchhandelsketten-Chef Heinrich Hugendubel hat das Für und Wider der Preisbindung in wenigen Worten zusammengefasst: "Als Kulturmensch empfinde ich sie als sehr, sehr wichtig, als Kaufmann eher als schädlich." Der Preisbindung verdanke Deutschland bis heute das dichteste Buchvertriebsnetz der Welt, heißt es in der Buchreport-Analyse. In Ostdeutschland, wo nahezu alle Einzelhandels-Branchen unter anhaltendem Konzentrationsdruck stünden, ließe sie, im Gegensatz zu Lebensmittelgeschäften oder Drogerien, die Buchhandlungen überleben. Für die großen Buchhändler wird der Angebotsbereich - Sonderausgaben, Mängelexemplare, gebrauchte Bücher oder Bücher, bei denen nach (meist) anderthalb Jahren die Preisbindung aufgehoben wurde - immer wichtiger, um sich von der Konkurrenz abzusetzen.

Chronisches Nörglertum und der Überdruss an gängiger Literaturware sind, nach eigenen Angaben, der Motor für ihre Arbeit: Hans Magnus Enzensberger (zuständig für die Auswahl) und Franz Greno (Gestaltung) geben seit 20 Jahren jeden Monat ein besonderes, vergessenes oder zu entdeckendes Buch in der "Anderen Bibliothek" heraus, im November den 240. "Jubiläums"-Band. Nicht nur die Langatmigkeit der beiden Macher, auch das Konzept der Reihe wirke aus heutiger Sicht, auf einem von Preisbrechern beherrschten Markt, erfrischend anachronistisch, bemerkt der Buchreport. Der mit 200.000 Exemplaren meist verkaufte Band der Reihe ist übrigens von Enzensberger selbst (unter dem Pseudonym Thalmayr) verfasst worden: "Das Wasserzeichen der Poesie".

Über Ursachen von und Strategien gegen Schreibblockaden spricht Jerrold Mundis im Buchreport-Interview. "'Writer's Block' bezeichnet nicht die Unfähigkeit, sondern eher die Wahl, nicht zu schreiben", klärt Mundis auf. "Diese Entscheidung findet im Unterbewusstsein statt." Unbewusste Gründe seien Perfektionismus, die Angst, Wörter aufs Papier zu bringen und mit dem Schreiben verbundene Ziele, wie reich und berühmt zu werden. Zur Korrektur der Blockade empfiehlt Mundis den Autoren, das Schreiben als "simplen Akt des Aneinanderreihens von Wörtern" zu begreifen. Die gehemmten Schreiber sollten sich die unwahren Mythen über den Beruf klarmachen und einen Text-Entwurf vom ersten bis zum letzten Wort, ohne zwischendurch "zu polieren", schreiben.

Neuigkeiten aus der Druckbranche: Inspiriert von der Pizza im Pappkarton, packt Mohn Media Bücher und Kataloge jetzt schneller ein als die Mitbewerber. Wieviele pro Minute und wer langfristig zum Kundenkreis der Gütersloher gehören wird, hier.