Essay

Ein Gebot der Stunde

Von Farid Hafez
17.12.2010. Islamophobe Diskurse sollen in der Öffentlichkeit Angst auslösen. Sie müssen benannt und bekämpft werden. Eine Antwort auf Pascal Bruckner
Dieser Artikel antwortet auf Pascal Bruckners Artikel "Die Erfindung der Islamophobie" (D.Red.)

 "Kritik an Religion ist nicht Rassismus". Dieser Aussage von Bruckner konnte ich noch zustimmen. Dem religiösen wie säkularen Kreuzzug gegen den Begriff der Islamophobie kann ich dagegen wenig abgewinnen.

Bruckner will durch die historische Verknüpfung mit dem iranischen Regime den Islamophobie-Begriff zum Kampfbegriff degradieren. Dass kein Begriff davor gefeit ist, als Kampfbegriff missbraucht zu werden, zeigen ähnliche Termini wie jener des Antisemitismus oder der Demokratie. Letzterer musste schon für so manche Feldzüge herhalten. Dass in der wissenschaftlichen Community nicht die Definitionsmacht eines Ayatollah Gültigkeit beansprucht, sondern meist auf Basis der (auch kritikwürdigen) Definition der 1997 veröffentlichten Studie des Runnymede Trust (hier mehr als pdf-Dokument) gearbeitet wird, findet keine Erwähnung.

Es ist wenig hilfreich, wenn nicht gar kontraproduktiv, wenn Akteure aus muslimischen Ländern über die Islamophobie in Europa sprechen. Diese sollten sich eher mit hauseigenen Problemen auseinandersetzen. Es ist aber eine Notwendigkeit, dass Menschen in Europa sich gegen die Diskriminierung von Muslimen oder das Feindbild Islam aussprechen. Sei das nun am Arbeitsmarkt, wenn Frauen trotz der Antidiskriminierungsrichtlinie aufgrund ihres sichtbaren Bekenntnisses die Berufsausübung untersagt wird oder trotz der Religionsfreiheit der Bau von Moscheen mit Minaretten verboten wird.

Aufdeckung von Islamophobie und Widerspruch gegen Islamophobie sind ein Gebot der Stunde. Nicht nur gegen all jene offensichtlich islamfeindlichen rechten Kreise wie etwa die Pro-Bewegungen, die mit dem Rezept der Islamophobie auf Stimmenfang gehen, sondern auch gegen jene Akteure, die sich a la Thilo Sarrazin als gutbürgerliche Stimme des Volkes ruhigen Gewissens gegen Antisemitismus positionieren, um den Islam als neues Feindbild zu deklarieren.

Die Islamophobie weist je nach Definition Überschneidungen mit dem Phänomen des Rassismus auf. Wichtiger als die Debatte über den Begriff, der in akademischen Kreisen zur Genüge diskutiert wird, erscheint mir für die öffentliche Debatte die Notwendigkeit der Benennung. Solange das Phänomen der Islamophobie nicht als solches benannt wird, solange wird es auch kein Bewusstsein für die derzeit existierende Feindschaft gegenüber MuslimInnen und ihrer Religion geben.

Anders als Bruckner glaubt, attackiert Rassismus die Menschen nicht für das, was sie sind, sondern für die Imagination des Rassisten: Der Rassismus stsllt sich seine Opfer vor. Genauso ist es mit der Islamophobie. Bei der Islamophobie geht es nicht um die Kritik an der Religion. Kritik an der Religion muss immer erlaubt sein. Die zu stellende Frage ist, von wem an welchem Ort welche Art der Kritik vorgebracht wird. Besonders das Machtgefälle zwischen jenen Akteuren, die die Macht zum Sprechen haben, und jenen, über die geredet wird und jenen ist hierbei von zentraler Bedeutung. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn in einem akademischen Kreis islamische Glaubensgrundsätze debattiert und hinterfragt werden. Völlig anderer Natur ist es aber, wenn eine Politikerin - wie es etwa in Österreich geschah - den letzten Propheten des Islams als Kinderschänder und Epileptiker beschimpft. Oder aber wenn - wie zuletzt in Deutschland - von einer Überschwemmung von Arbeitsmärkten und Sozialsystemen durch parasitäre Muslime gesprochen wird.

Die Warnung vor einer "islamistischen Offensive in Europa", wie Bruckner sie nennt, erinnert dabei wie der im deutschen Sprachgebrauch verwendete Begriff der "Islamisierung"an den antisemitischen Diskurs der "Verjudung" und Zersetzung der Gesellschaft. Das ach so andere, so fremde, das nicht in unsere Kultur passt und unseren Werten (die keiner kennt!) diametral entgegensteht. Von höchster Relevanz sind bei islamophoben Diskursen die dahinterstehenden Interessen. Diese Diskurse werden von manchen in bewusst feindseliger Absicht eingesetzt, um eine Furcht in der Öffentlichkeit auszulösen. Sie müssen benannt und bekämpft werden.

Farid Hafez