Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
11.11.2002. Der New Yorker hat u.a. mit Orhan Pamuk und Cengiz Candar über eine islamische Demokratie in der Türkei gesprochen. Das TLS ärgert sich über eine neue Byron-Biografie: immer diese unbewiesenen Sodomievorwürfe! Der Economist erklärt, warum die Saudis keinen Krieg den Irak wünschen: er könnte am Ende demokratisch werden. Der Nouvel Obs stellt die Korrespondenz Henri Bergsons vor. Outlook India berichtet, dass die niedrigen Kasten Indiens scharenweise zum Buddhismus konvertieren - das soll jetzt verboten werden. L'Espresso erzählt die Geschichte eines amerikanischen Soldaten, der nach einem Kidnapping vierzig Jahre in Nordkorea leben musste.
New Yorker (USA), 18.11.2002
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Besprochen werden eine neue Studie über das zwischen 1660 und 1690 in einer Geheimschrift verfasste Tagebuch des englischen Verwaltungsbeamten Samuel Pepys (mehr hier); die Anthologie "Katharine Graham's Washington" mit Texten der ehemaligen Herausgeberin der Washington Post (der "enthusiastische Untertitel": "A huge, rich gathering of articles, memoirs, humor, and history, chosen by Mrs. Graham, that brings to life her beloved city"); außerdem gibt es Kurzbesprechungen, unter anderem der Dokumentation der ehemaligen Pekinger Radiojournalistin Xinran über ihr für chinesische Verhältnisse "radikales" Nachtprogramm, in dem es nur um persönliche Geschichten und Probleme ging ("one woman wondered 'why her heart beat faster when she accidentally bumped into a man on the bus'").
Vorgestellt werden die Ausstellung über Manet und Velazquez im Pariser Musee d'Orsay, die Theaterstücke "Hollywood Arms" und "Book of Days" und zwei Schauen im Museum of the Fashion Institute of Technology: "Femme Fatale: Fashion and Visual Culture in Fin-de-Siecle Paris" sowie eine Retrospektive des amerikanischen Modeschöpfers Arnold Scaasi (mehr hier). Außerdem Filme: "Far from Heaven" von Todd Haynes mit Julianne Moore und Dennis Quaid sowie "Ararat" von Atom Egoyan.
Nur in der Printausgabe: Überlegungen zur "Schlachtordnung" im zukünftigen Krieg im Irak, die Geschichte einer Rettung aus einer überfluteten Mine, nicht näher bestimmbare Betrachtungen zum Chrysler Building und Lyrik von Richard Wilbur und Michael Ryan.
Times Literary Supplement (UK), 09.11.2002
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Weiteres: Auch wenn Austin Woolrychs Geschichtswerk "Britain In Revolution 1625-1660" unweigerlich zum Standardwerk über diese umstrittene Epoche werden wird, findet Mark Kishlansky, dass Woolrych ein "moralischer Kompass" fehlt. Nur in Auszügen: Für Stefan Collini zeigen die ausgewählten Werke des Literaturkritikers und Schriftstellers Cyril Connolly, was ihn bemerkenswert macht, nämlich "über das Schreiben zu schreiben". Schließlich berichtet John Barrell, wie sehr sich die Londoner Tate Gallery und die Kunstkritiker abmühen, die Gainsborough-Ausstellung als "modern" zu verkaufen, und erklärt, warum es ihnen gelingen müsste.
Economist (UK), 08.11.2002
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In einem Artikel zum Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Saudi Arabien wird die Haltung der Saudis analysiert, die mal Hüh und mal Hott sagen zu einer Unterstüzung für einen amerikanischen Krieg gegen den Irak. "Lässt man alle innenpolitischen Gründe beiseite, ist für die Saudis ziemlich klar, dass ein Sturz von Hussein nicht wirklich in ihrem Interesse sein kann. Das Königreich leidet unter einer enorm angewachsenen Arbeitslosigkeit und sinkenden Lebensstandards. Die Ölflut, die sich aus einem 'befreiten' Irak - dem einzigen Land, dessen Reserven denen der Saudis nahe kommen - ergießen würde, könnte sich verheerend auswirken. Außerdem wäre ein pluralistischer, pro-westlicher Irak, sollte es je zu einem solchen kommen, eine Herausforderung nicht nur der saudischen Autokratie, sondern auch eine Gefährdung der bisher dominanten strategischen Position des Königreichs."
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Besprechung zweier Buchtitel zu Saddam Hussein. Es geht um Kenneth Pollacks "The threatening storm, the case for invading Iraq" und Con Coughlins Biografie des irakischen Diktators, "King of Terror". Pollack argumentiert für einen Krieg gegen den Irak unter der Voraussetzung, dass sich die Vereinigten Staaten anschließend um einen Aufbau des Landes kümmern, und das heißt, sehr viel Geld zu investieren; ungefähr 300 000 Besatzungssoldaten, so rechnet Pollack vor, plus Gelder für den Wiederaufbaus eines zerstörten Landes. Ziemlich ausführlich wird das alles vorgerechnet, meint der Economist, "aber wer eine kühle, detaillierte und kenntnisreiche Analyse der Optionen für den Irak sucht - hier ist sie". Und wem dieses Buch zu blutleer daher kommt, greife zum "King of Terror", in dem unter anderem erzählt wird, welche Torturen Saddam Hussein seinem Volk zugemutet hat, - und sich selbst. Letztere Zumutung besteht darin, im Verlauf von drei Jahren vierundzwanzig Liter Blut gespendet zu haben, - um eine Korankopie daraus schreiben zu lassen, die in einem Seitentrakt der Gedenkmoschee namens "Mutter aller Schlachten" ausliegt...
Ein weiterer, weniger blutiger Artikel beschäftigt sich mit der Frage, ob Microsoft seine dominante Position halten kann oder ähnlich auf kleineres Format zurechtgestutzt werden wird wie IBM in den achtziger Jahren. Und in einem Bericht über den Prozess gegen den früheren Butler Lady Dianas finden wir ein kühles Bekenntnis zu einem republikanischen Britannien: "... das Gefühl wächst, dass die Monarchie zu einer schlampig geschriebenen Soap opera herunterkommt. Wenn die Zuschauer müde oder genervt sind, werden sie abschalten. Und das sollten sie auch." Und lesen dürfen wir schließlich noch einen höflichen aber harten Verriss des neuen Buchs von Naomi Klein.
Nur im Druck: ein Artikel über die deutsch-französische Freundschaft und über die Lufthansa ("flies high").
Nouvel Observateur (Frankreich), 07.11.2002
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Der muss ja keineswegs so teuer sein wie der von Sean Penn. 56. 000 Dollar hat es sich der amerikanische Schauspieler kosten lassen, dem amerikanischen Präsidenten seine Meinung zu sagen. Das war der Preis für eine Seite in der Washington Post, in der Penn am 18. Oktober einen offenen Brief an George W. Bush zu dessen Irak-Politik veröffentlichte. Der Nouvel Obs dokumentiert den Brief, in dem Penn - in ausgesucht höflichem Ton und durchaus Verständnis für Bushs" schwierige Aufgabe" äußernd - auch deutlich wird: "Viele Ihrer derzeitigen Handlungen oder Vorschläge scheinen sämtliche grundlegenden Prinzipien des Landes zu verletzten, dessen Präsident Sie sind: die Intoleranz der Debatte (?), die Förderung der Angst durch eine bodenlos Rhetorik, die Manipulation der Medien (...). All das widerspricht dem Geist jenes Patriotismus, den Sie für sich in Anspruch nehmen."
Mit Briefen geht es auch weiter. Vorgestellt wird die Erstveröffentlichung (bei PUF) von über 1800 Briefen aus der Korrespondenz des Philosophen Henri Bergson (mehr hier). Unter den Briefpartnern befinden sich zahlreiche Kollegen, aber auch Marie Curie oder Marcel Proust. Lesen können wir Auszüge eines Briefes von Bergson an den amerikanischen Präsidenten Roosevelt, in dem es um die Notwendigkeit einer amerikanisch-europäischen Allianz gegen Hitler geht.
Besprochen werden außerdem die Lebenserinnerungen "C'est en hiver que les jours rallongent" (Seuil) des Auschwitz-Überlebenden Joseph Bialot. Ein "Zeitzeugnis", so urteilt der Rezensent, das "an der Seite von Primo Levi und Jorge Semprun" rangiere.
Outlook India (Indien), 18.11.2002
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Außerdem: Die Titelgeschichte berichtet von der radikalen Lösung, die viele Mitglieder der im hinduistischen Kastensystem verachteten Gruppe der Dalits suchen. Sie konvertieren nämlich vom Hinduismus in eine andere Religion, insbesondere zum toleranteren Buddhismus. Die Hindu-Nationalisten - die bekanntlich die indische Regierung stellen - erwägen inzwischen ein gesetzliches Verbot solcher Konversionen. Übrigens stellt sich auch heraus, dass es für eine Konversion zum Hinduismus keinerlei vorgesehene Prozeduren gibt. Im südwestindischen Staat Kerala (mehr hier)- der sich selbst nicht nur "God's Own Country" nennt , sondern auch bekannt ist für die vergleichsweise starke Stellung der Frauen - hat ein Gericht einem lesbischen Paar die Genehmigung zum Zusammenleben erteilt. Im Interview äußert sich der soeben 90 Jahre alt gewordene Wirtschaftswissenschaftler John Kenneth Galbraith zu seinen Jahren als US-Botschafter in Indien unter Kennedy und zu seiner Freundschaft mit Nehru.
Espresso (Italien), 14.11.2002
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Weiteres: Ralph Fiennes spricht über seine beiden jüngsten Filme "Spider" und "Red Dragon" und seine Vorliebe für die dunklen Seiten der Menschheit. Lorenzo Soria freut sich diebisch über den größten Flop in Madonnas Karriere, den sehr teuren und sehr erfolglosen Streifen "Swept Away". Andrea Visconti stellt die Vereinigung der schwulen und lesbischen Polizisten von New York vor: Goal.
New York Times (USA), 10.11.2002
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Der gefeierte Jonathan Franzen präsentiert sich mit seiner Essaysammlung "How to be Alone" ("Anleitung zum Einsamsein") mit Magazinartikeln aus den vergangenen Jahren als nachdenklicher, sensibler und origineller Beobachter der Welt um uns herum, schwärmt A. O. Scott. "Er beginnt mit der jedem guten Schriftsteller vertrauten Hypothese, dass noch die einfachsten, trivialsten Aktivitäten - das Ausdrücken einer Zigarette, das Aufgeben eines Briefes, das Wählen einer Telefonnummer, das Lesen eines Buches - vor Komplexität nur so strotzen, und dann zerlegt er, mit beispielhafter ethischer Ernsthaftigkeit, grimmiger Konsequenz und feinem Witz, diese Komplexitäten in ihre moralischen, psychologischen und historischen Komponenten."
Außerdem: Brooke Allen ist begeistert von Margaret Drabbles elegantem, unaufdringlichem und effektivem Stil in "The Seven Sisters" (erstes Kapitel hier), wo Mauerblümchen Candida mit ihren Freundinnen auf den Spuren von Aeneas von Karthago nach Neapel reist. John Leonard ist noch mitten im Geschwindigkeitsrausch von Dave Eggers' (mehr hier) zweitem Roman "You shall know our Velocity" (erstes Kapitel hier), einem Roman über die atemlose Flucht zweier Freunde von Chicago nach Marrakesch und wieder zurück. Neil Gordon empfiehlt "The Secret", Eva Hoffmans packenden Erstling über eine Frau auf der Suche nach ihrer Identität im Jahr 2025. Und Murray Sayle stellt "A Secret History of the IRA" von Ed Moloney vor.
In der Science-Fiction-Ecke tummeln sich intergalaktische Geheimagenten und 12-jährige Assassinen.
Spiegel (Deutschland), 11.11.2002
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Zu lesen aber sind: Der als Hausmitteilung deklarierte Nachruf von Chefredakteur Stefan Aust, der ein bisschen aus dem Nähkästchen der Redaktion plaudert und mit einem firmenpolitischen Zukunftssignal schließt: "Nach ihm kann und wird es keinen Herausgeber geben, der diesen Titel verdient. Die Schuhe sind zu groß. Sie sich anzuziehen wäre eine Anmaßung." Wolfram Bickerich gibt einen höchst lesenswerten Einblick in die Managementmethoden Augsteins, unter der Überschrift "Führung durch Nichtführung".
Der Rest sind Erinnerungen und Einschätzungen hochrangiger Prominenz aus Politik und Kultur: von Johannes Rau, Gerhard Schröder, Michail Gorbatschow, Henry Kissinger, Joschka Fischer und Marcel Reich-Ranicki, der neben höchstem Lob für Augsteins Verstand, ein wenig maliziös feststellt: "Das Schreiben gehörte nicht zu den starken Seiten seines außerordentlichen Talents."
Es kommen auch, erstaunlich genug für das männerbündische Spiegel-Milieu, ein paar Frauen zu Wort: Monika Hohlmeier erinnert an die Stigmatisierung der Familie, an die "tiefen Wunden", die die eine oder andere Spiegel-Breitseite hinterließ. Angela Merkel lobt - auf höchst ausgewogene Weise - die von Augstein geförderte Streitkultur in Deutschland. Und Alice Schwarzer schreibt eine Liebeserklärung. Augsteins Grübchen haben es ihr angetan - und zugleich blieb er doch der Vertreter einer verlogenen Männergeneration: "Männer, die ihren Schmerz kaschiert haben hinter einer eisernen Faust oder einem ironischen Lächeln."
Daneben ist der Rest des Heftes im Grunde ohne Belang.