Magazinrundschau - Archiv

The Quietus

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Magazinrundschau vom 20.07.2021 - Quietus

Heute kennt man den britischen Autor Stephen Thrower vor allem als Filmhistoriker und Spezialist für abseitige filmische Themen. Für eine Weile in den 80ern spielte er aber auch in der stilbildenden Post-Punk/Industrial-Band Coil mit, über die er anlässlich der Wiederveröffentlichung des Albums "Love's Secret Domain" zum 30-jährigen Jubiläum ausführlich spricht. Die kommerzielle Popwelt hatte damals wenig Interesse an ihnen, erinnert er sich: "Wir waren zu offensichtlich schwul. Unsere Sexualität war eine klarer und präsenter Faktor in unserer Ästhetik, in unserer Musik und in unserem Stil war - insofern war Coil eine seltene Band. Damals steckten nahezu alle schwulen Musiker entweder noch völlig im Schrank oder waren, nun ja, sehr zurückhaltend, was das Thema betrifft. ... Eine Sache, die insbesondere Geff - Sleazy wohl eher nicht so, denke ich - ziemlich nervte, war, dass die schwule Presse von uns kaum einmal Notiz nahm. Es entsprach wirklich dem Klischee: Wenn Du Discohasen- oder House-Musik spielst, dann wurde in der schwulen Presse über Dich vielleicht berichtet. Aber wenn Du nichts spieltest, was dieser ziemlich oberflächlichen Ästhetik entsprach, die damals in der schwulen Musik einfach üblich war, dann würdigten sie Dich keines Blickes. ... Man würde ja denken, dass der politische Akt, eine Single wie 'Tainted Love' zu veröffentlichen, deren Erlöse 1985 an den Terrence Higgins Trust ging, zu mehr Respekt und Anerkennung führen würde. Aber dem war nicht so. Für diese Welt waren wir nahezu unsichtbar, zumindest in der geschrieben Form. Sicher hatten wir schwule Fans, die die schwule Presse nicht brauchten, um sich sagen zu lassen, für was sie sich interessieren sollten. Aber es stimmt schon, die schwule Presse damals war einfach ziemlich konservativ, was ihren Blick auf Musik betrifft." Hier die ziemlich düstere Coverversion des Soulklassikers "Tainted Love", in der wirklich der Schmerz einer ganzen Generation steckt:

Magazinrundschau vom 16.03.2021 - Quietus

Die ersten Klänge, die mit einem Außenmikrofon von der Atmosphäre des Mars übertragen wurden, waren eher enttäuschend, schreibt Chloe Lula in The Quietus. Kein Wunder: Bei dieser dünnen Atmosphäre ist mit wenig zu rechnen. Was nicht heißt, dass es im Sonnensystem nicht toll klingende Orte gibt. Der Physiker Timothy Leighton etwa sieht in den Mars-Tönen lediglich NASA-PR in eigener Sache. "'Der musikalisch interessanteste Planet ist die Venus, da der Effekt einer flüssigkeitsgetränkten Atmosphäre dort großartig ist', sagte er mir. 'Wenn die Atmosphäre aus einem wässrigen Mix besteht, eröffnet sich die Möglichkeit, mit Blasen, berstenden Wellen, plätschernden Bächen und Wasserfällen ganz andere Sounds hervorzubringen.' Würde man Klangsensoren in den Eisfeldern von Jupiter und Saturn anbringen, würde sich 'eine unglaublich reiche Umgebung' offenbaren - voller knarzendem Eis und geothermischer Aktivität, fügt er hinzu. Auch auf weiteren Planeten und Monden unserer Galaxie entstehen andere, faszinierende Klänge - von den Methanseen auf Titan, erdähnlicher Donner und atmosphärische Blitze auf der Venus und Kryo-Vulkane auf Io und Europa, die strömeweise Kohlenwasserstoff, Mineralien und Ammoniak ausspucken."

Außerdem: Aug Stone erinnert an die legendäre Westberliner Kneipe Risiko, wo man - je nachdem - mit etwas Glück oder etwas Pech mitten in der Nacht auch mal von Blixa Bargeld vermöbelt werden konnte. Nicholas Burman spricht mit dem Filmemacher John Smith, dessen experimentelle Quarantäne-Filme - unter anderem kompiliert er Boris Johnsons Pressekonferenzen - jetzt auf Mubi gezeigt werden.

Magazinrundschau vom 14.07.2020 - Quietus

Luke Turner hat mit Werner Herzog geskypt, der gerade seinen neuen Film "Family Romance, LLC" promotet. Um diesen geht es allerdings gar nicht, dafür um allerlei Herzogiana, was dem Filmemacher offenbar so sehr schmeichelt, dass er mittendrin sogar ein Live-Interview mit der BBC skippt. Was man erfährt: Herzog nutzt Corona, um wie ein Wirbelwind zu schreiben ("Ich habe meinem Verleger bereits Auszüge geschickt - die sind schön völlig am Durchdrehen"), kennt keine der großen Krautrock-Bands, die Platten veröffentlichten, als er seine ersten Kinoerfolge feierte ("Ich habe diese Namen noch nie gehört"), außerdem outet er sich als verkapptes Mathe-Ass, das gerne mal über die Riemannsche Vermutung (viel Spaß beim Nachlesen...) brütet, aber auch darüber nicht vergisst, ganz Werner Herzog zu sein: "Die Verteilung der Primzahlen wird uns kein harmonisches Gleichgewicht in den Zahlen offenbaren, das wird einfach nicht passieren. Wir wissen das, weil wir bereits Milliarden von Primzahlen kennen, und sich darin keinerlei Muster zeigt oder etwas, das harmonisch wäre. Das Faszinierende an der Mathematik ist, dass fast alles, was in der Mathematik gemacht wurde, in der tiefsten aller Naturen der Zahlen wurzelt und auf ihnen beruht, und zwar in den Primzahlen. In den zweieinhalbtausend Jahren seit Euklid hat es Versuche gegeben, sie zu verstehen. Riemann und andere waren diejenigen, die begannen, ein Muster zu finden, das richtig zu sein scheint. Aber wenn Riemann mit seiner Hypothese nicht Recht hat, hätte dies katastrophale Folgen für die Gültigkeit vieler, vieler mathematischer Konstrukte. Vieles würde zusammenbrechen."

Außerdem: Die 70er waren keine gute Zeit für die Beach Boys, erzählt Thomas H. Sheriff. Jonathan Wright befasst sich ausführlich mit "Closer", dem vor 40 Jahren erschienenen letzten Album von Joy Division. Und Patrick Clarke spricht mit Jeff Parker über dessen aktuelles Album "Suite For Max Brown". Wir hören rein:

Magazinrundschau vom 17.03.2020 - Quietus

Matt Colquhoun befasst sich in einem langen Essay mit der Frage, inwiefern von den Hauntology-Theorien des 2017 durch Suizid gestorbenen Politik- und Popkultur-Theoretikers Mark Fisher noch Strahlkraft für die Gegenwart ausgeht. Ein jüngeres Lesepublikum legt dessen Thesen - in nuce: die Gegenwart erstickt am Pastiche-Druck der Vergangenheit, in dem sich das Scheitern früherer prognostizierter Zukünfte zeigt - jedenfalls zusehends zu den Akten. "Zumindest der politische Aspekt in der zentralen Kritik von Hauntology ist dabei in jüngster Zeit tiefer in den Mainstream vorgedrungen als man sich das je ausgemalt hätte. Greta Thunberg etwa hat mit ihren Deklarationen, dass ihrer Generation die Zukunft gestohlen worden sei, weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Dasselbe lässt sich von unseren Verhältnissen zu unseren kulturellen Artefakten behaupten - ein Diebstahl, der vor sehr viel längerer Zeit und unter deutlich weniger Protest stattgefunden hat. ... Die Kampfarena, auf der dieses Recht auf Zukunft heute ausgefochten wird, ist der Einfluss der Streaming-Monopole und wie diese die Alternativen ersticken. Ich für meinen Teil bin mir der Tatsachen akut bewusst, dass mein Zugang zu Kultur heute erheblich eingeengter ist als vor zehn Jahren. So viele Dinge sind online erhältlich, aber es braucht erheblich höheren Aufwand und Finanzkraft, um Zugang zu ihnen zu finden als früher. Die anderen Medien, die wir konsumieren - MP3, physische Platten, DVDs und Bücher -, werden von den neuen Streaming-Monopolen im Plattform-Kapitalismus zusehends als veraltet hingestellt. Spotify, Netflix und Konsorten wollen uns den Eindruck vermitteln, dass Newness stets zum Greifen nah sei, doch die Realität zeigt, dass das, was auf diesen Plattformen angeboten wird, weit weniger originell ist und deutlich begrenzter als das, was es früher in den offenen Straßen und dunklen Ecken der Peer-to-Peer-Torrent-Seiten gab, die im Laufe der letzten zehn Jahre zergeschlagen wurden. Dieser Zugang und diese Vielfalt wurden angeblich reduziert, um die Musikindustrie von der Piraterie zu retten, doch die Streaming-Monopole bleiben insofern umstritten, als es ihnen nicht gelingt, jene kulturelle Produktion finanziell zu unterhalten, von der sie abhängig sind."

Magazinrundschau vom 18.02.2020 - Quietus

Jack King erinnert in The Quietus an William Friedkins vor vierzig Jahren veröffentlichten Serienmörderthriller "Cruising", in dem Al Pacino undercover in der schwulen New Yorker Lederszene der Siebziger ermittelt. Seinerzeit führte der Film zu einem heftigen Aufschrei aus der schwulen Community, die sich dämonisiert sah. Heute ist der Film als Bilddokument einer verloren gegangenen Subkultur rehabilitiert und "stellt ein Echo der frühesten Erschütterungen der Gay Liberation dar und kam gerade einmal 17 Monate vor jener berüchtigten Schlagzeile der New York Times am 3. Juli 1981 auf den Markt: 'Seltene Krebssorte befällt 41 Homosexuelle.' ... Betrachtet man diese für eine hegemoniell heterosexuelle Herangehensweise konzipierten Bilder aus einer zeitgemäßen queeren Perspektive, stellen sie sich in einem völlig neuen Licht dar. Die Szenen massenhafter Dekadenz unter Männern erwecken in einer Post-AIDS-Welt eine Ahnung des Spirituellen: Ohne hier mit stumpfen Phrasen kommen zu wollen, kann man aber doch davon ausgehen, dass ein Großteil der Männer in den Bars, die 'Cruising' zeigt, im folgenden Jahrzehnt gestorben sind - Opfer eines sehr heterosexuellen Völkermords durch Vernachlässigung. Es handelt sich um verschwommene, melancholische Erinnerungen, die im Zelluloid dieses Films für immer festgehalten sind: eine Phantasmagorie von Männern, deren Befreiung keine Legislative bewerkstelligte, sondern die unter den zurückgezogenen Bedingungen von Lederbars und Cruising-Treffpunkten geleistet wurde. Die unverhohlene Weise des Films, Sexualität zu zeigen, macht es einem schwer, sich dem Gefühl eines katastrophalen Verlusts zu entziehen." Vor allem auf diese ekstatische Szene kommt King zu sprechen:

Magazinrundschau vom 19.11.2019 - Quietus

Sorgt sich: Harvey Keitel in "Reservoir Dogs"


Alle feiern Martin Scorseses Film "The Irishman" für seine traumhafte Besetzung: Robert de Niro, Al Pacino, Joe Pesci - und Harvey Keitel ist einer kleineren Rolle auch dabei. Insbesondere die brüchige Karriere des letzteren findet Brogan Morris überaus interessant - zumal Keitel das ursprüngliche Alter Ego in Scorseses frühen Filmen gewesen ist, anders als De Niro darauf aber nie eine konsistente Laufbahn aufbauen konnte (oder eher wollte). Es mag damit zu tun haben, dass Keitel auf gebrochene, uneindeutige Figuren setzt: "Für einen Schauspieler, der so sehr mit coolem Harte-Kerle-Kino assoziiert wird, stützt Keitel seine Karriere paradoxerweise darauf, den insgeheim sensiblen, emotional durchgewalkten Typen zu spielen. ...  Selbst noch in Quentin Tarantinos nihilistischem Noir-Debür 'Reservoir Dogs' verleiht Keitel seinem mörderischen Bankräuber, der sich nach einem gescheiterten Raub um einen sterbenden Kameraden kümmert, eine überraschend mütterliche Qualität. Wenn sein Mr. White in den letzten Momenten des Films zu schluchzen beginnt, weil er den Verrat seines Freundes erkennt, wirkt Keitel auf unbehagliche Weise verletzlich. So qualvoll heult er auf, dass es fast unhöflich scheint, ihn dabei zu beobachten. Die meisten Schauspieler gieren nach unseren Augäpfeln, doch in seinen denkwürdigsten Momenten - wie er als Sport in 'Taxi Driver' zärtlich und langsam mit einer minderjährigen Prostituierten tanzt, wie er in 'Bad Lieutenant' nach Drogenkonsum mehrfach einen Zusammenbruch erleidet - fordert uns Keitel dazu heraus, den Blick von ihm abzuwenden. Wenn es zum Äußersten kommt - wenn er in 'Lieutenant' einen verabscheuungswürdigen Polizisten spielt oder einen sexuell angsteinflößenden Gangster in 'Fingers' -, dann wirkt Keitel so ausgestellt und korrupt, dass er eine eitrige Wunde zu sein scheint, obwohl der Schauspieler selbst noch in solchen Filmen eine schreckenerregende Sympathie für seine Figuren wecken kann. Reine Schurken hat Keitel nur selten gespielt, aber auch als Helden können seine Protagonisten kaum beschrieben werden. Keitel hat seine Karriere dem Vorhaben gewidmet, in unerlösbar scheinenden Figuren die Menschlichkeit zu suchen, und er tut dies, indem er sich standhaft weigert, sie einem allgemeinen Publikum schmackhaft zu machen."

Magazinrundschau vom 12.11.2019 - Quietus

Vor 50 Jahren erschien Philip K. Dicks durchgeknallter Science-Fiction-Klassiker "Ubik", für Sean Kitching ein Anlass, den Meister in einem großen Essay zu würdigen. "Dick war ein Vielschreiber, der seine Bücher oft hektisch auf Amphetaminen runterschrieb. Zwar vertreten viele die Ansicht, dass es seiner Prosa an Qualität mangelt, dass seine mitunter nicht-linearen Plots einen Schritt zu weit gehen und dass Dicks oft diskutierte 'mystischen Visionen' lediglich ein Produkt seiner Drogensucht und seiner belasteten Psyche darstellen. Aber dann gibt es solche, zu denen auch ich mich zähle, die die Ansicht vertreten, dass Dick in seiner Zeit einem genuinen Seher oder Schamanen noch am nächsten kam und dass sein Leben sich von frühesten Tagen an Schritt für Schritt darauf zubewegte. Sicher, Dick mag sich weit weniger als seine Zeitgenossen um seinen Prosa-Stil gesorgt haben, doch die durchweg hohe Qualität seines Erfindungsgabe und seiner Vorstellungskraft lassen viele seiner Zeitgenossen alt aussehen. Die spontane Natur seines Schreibprozesses (...) ist der Antriebsmotor hinter seinem sprudelnden Ideenreichtum und dem fast schon zen-artigen Bedüfrnis, die Entweder/Oder-Falle der Sprache selbst zu transzendieren. Zitate, um diesen Punkt stützen, gibt es in Hülle und Fülle. Für den Anfang reicht es wohl, sich zu vergegenwärtigen, wie relevant diese Passage heute klingt: 'Es wird eine Zeit kommen, in der es nicht mehr heißt, 'sie spionieren mich über's Telefon aus'. Sondern man wird sagen: 'Mein Telefon spioniert mich aus.'"

Magazinrundschau vom 30.10.2018 - Quietus

Ambient Music nannte Brian Eno seine Musik einst - was heute aber unter dieser Rubrik in den immens populären Spotify-Playlists von namenlosen Künstlern an berufsgestresste Abnehmer verkauft wird, ist wahrlich auf den Hund gekommen, ärgert sich William Doyle anlässlich der anstehenden Wiederveröffentlichung von Enos stilbildendem Albenzyklus aus den 70ern und frühen 80ern: "Die heutige Welt unterscheidet sich gründlich von der Prä-Walkman-Zeit, als 'Music for Airports' erschien. Musik ist heute ein komplett mobiles, endloses Kontinuum. Die Streamingkultur hat uns zu jeder Zeit unbegrenzten Zugang zu Musik verschafft. Die Möglichkeit, sie überall zu spielen, wann immer wir wollen, stellt ohne weiteres in Aussicht, dass die in Enos Ambientidealen liegenden Versprechen endlich komplett eingelöst werden. So gut wie jeder Raum kann leichter Hand klanglich eingefärbt werden. Die Technologie, um interessante Musik zu machen, ist leichter zugänglich denn je." Produziert würden aber, von einigen herausstechenden Künstlern abgesehen, vor allem Stereotype und Gefälligkeiten aus dem Fundus der Gebrauchsmusik: "Alles komplett anästhesiert. Kein Spielraum für Nuancen und Fehler. Selbst das begleitende Artwork ist in jeder Hinsicht auf Homogenität runtergebrochen: wallende Wellen an Küsten, Sonnenuntergänge durch Fenster, unpassende geometrische Formen, die über die Schneespitzen von Bergketten gelegt werden. Dies ist das musikalische Äquivalent zu Tapeten mit Magnolia-Mustern und der in Harz gegossenen, im Schlafzimmer drapierten Aufforderung 'ENTSPANN DICH', damit man auch ja nicht vergisst, was man hier zu tun hat."

Gut, überzeugt. Wir greifen zum Original:



Außerdem bringt The Quietus einen Auszug aus den Memoiren der Grande Dame der englischen Folkmusik, Shirley Collins, in dem sie die Erfahrungen ihrer Familie im Ersten Weltkrieg schildert. Und Michael Brooks plaudert mit dem philosophischen Essayisten Eugene Thacker über eine konsequent pessimistische Weltanschauung.

Magazinrundschau vom 28.08.2018 - Quietus

Ein Leben wie Terence Stamp hat vermutlich kein zweiter geführt: Die Swinging Sixties in London hat er ebenso mitgenommen wie später den Ashram in Indien. Er kannte alle und jeden, arbeitete im Grunde mit fast allen namhaften Filmemachern und wurde später schließlich noch im Comeback ein gefeierter Charakterdarsteller. Nur James Bond durfte er nicht spielen, obwohl es da durchaus beidseitiges Interesse gab. Jetzt hat er auf Englisch seine Memoiren vorgelegt, was für Brian Raven Ehrenpreis ein guter Anlass war, mit Stamp ein langes Gespräch zu führen. Unter anderem erfahren wir, wie er in Pasolinis "Teorema" gelandet ist, nämlich buchstäblich von der Straße weg: "Die Wahrheit ist, dass ich schon als Junge oder Teenager Silvana Mangano in einem Film namens 'Bitterer Reis' gesehen habe und mich bis über beide Ohren in sie verliebt hatte. Ich kenne keine Frau, die so umwerfend schön war wie sie."

Wer sich davon überzeugen will: Ab 3:49 hat die umwerfende Silvana Mangano in Giuseppe de Santis' 1949 entstandenem Film ihren großen Auftritt:



Und Stamp weiter: "Als ich später dann in Rom war - ich glaube, ich arbeitete da gerade ein bisschen für Fellini - und ich die Villa Condoti runterging, sah ich sie auf einmal. Und auch wenn sie seitdem älter geworden war, gab es da absolut kein Vertun. Sie befand sich in Gesellschaft eines Typen namens Piero Tosi, der bei Fellini für die Kostüme zuständig und überhaupt einer der größten Modemenschen der Stadt war. Er rief 'Terence, Terence, Silvana, schau, das ist mein Freund Terence!' Und sie sah zu mir rüber und wandte sich auf Italienisch zu Tosi, dass ich wunderbar in Pier Paolos Film passen würde. Dann sprach sie mich auf Englisch an und fragte mich, ob ich denn mit Pasolinis Werk vertraut sei. Nein, antwortete ich. Sie sagte: 'Das ist ein wunderbarer Filmemacher, der gerade einen neuen Film dreht und du würdest bestens passen.' Ich fragte, ob sie auch mitspiele, da sagte sie 'si, si, certo.' Sie erzählte Pasolini von mir, der schließlich für ein Treffen nach London flog. Er sprach kein Wort Englisch, aber der Produzent, ein Neffe Viscontis, übersetzte für uns. Wir trafen uns im 'Claridge's', was mich sehr verwunderte, wo er doch so ein linker 'alle Menschen sind gleich'-Typ war. Er erklärte mir, dass 'Teorema' die Geschichte eines jungen Mannes von göttlicher Natur erzählt. Er kommt in ein bourgeoises Haus und verführt die Frau, den Mann und den Sohn. Da sagte ich bloß: 'Das kriege ich hin.'" Wer mehr über "Teorema" lesen will, hier noch ein Filmgespräch beim British Film Institute aus dem Jahr 2013 mit Stamp.

Magazinrundschau vom 04.10.2017 - Quietus

Die Wirkungsmacht des Horrorklassikers "Texas Chain Saw Massacre" liegt nicht nur in den grobkörnigen, verstörenden Bildern, sondern vor allem in der Tonspur, sagt im Interview Wayne Bell, der gemeinsam mit dem Regisseur, dem vor einem Monat verstorbenen Tobe Hooper, für den Soundtrack des Films verantwortlich war. Bell sieht seine Arbeit ästhetisch in der Nähe der Musique Concrète: "Erstens, weil die Musik abstrakt war, aber auch, weil sich der Soundtrack auf der Grenze zwischen Musik und Geräusch bewegt. Eine weitere, wichtige Gemeinsamkeit ist der instrumentelle Gebrauch der Montage für die Komposition. ... Wir legten mehrere Sessions hin und spielten Dinge, die für uns richtig klangen. Im wesentlichen erstellten wir eine Klangbibliothek. Wir spielte nicht Musik zu Bildern ein, sondern gingen eher so vor, dass wir sagten 'Jetzt wird es spannend', "jetzt befinden wir uns im Knochenraum' oder 'jetzt findet die Hatz statt'.' Die Textur der Musikspur fühlt sich unbehaglich an, was mit den verschiedenen Instrumenten zusammenhängt, die dafür genutzt wurden. ... 'Das manipulierte Piano ist so ein Beispiel dafür, wie man ein Musikinstrument einfach völlig gegen den Strich nutzen kann, um ihm andere Töne zu entlocken. Zumindest war das in etwa das, was wir da taten. Wir hatten ein Dulcimer, das wir einfach nur gefoltert haben. Wir haben es förmlich traktiert, so nach der Art, wie man es dehnen kann, damit es neue Klänge von sich gibt, die es üblicherweise überhaupt nicht von sich geben würde.'" Das Resultat klingt auch ohne Bilder beeindruckend: