Vom Nachttisch geräumt

Eine aufwändige Angelegenheit

Von Arno Widmann
08.12.2017. Ein schnell wieder bewältigter Anfall von Hysterie und ein dickes Dankeschön an den Dörlemann Verlag für seine wunderbare Bunin-Ausgabe.
Oft hat man etwas Schönes und weiß es erst, wenn man es nicht mehr hat. Eine Freundin sagte mir einmal ganz ernst und völlig uneitel: Du schätzt mich nicht richtig. Du hast keine Ahnung, wer ich bin. Inzwischen weiß ich, dass sie Recht hatte. Als ich vor ein paar Tagen "Verfluchte Tage - Ein Revolutionstagebuch" von Iwan Bunin, den ich sehr liebe, geschickt bekam, erschrak ich. Alles war wie bei den anderen Bänden. Auch dieses Buch hatte Dorothea Trottenberg übersetzt und es erschien ebenfalls im Dörlemann-Verlag.

Aber wie hässlich war es, wie schrecklich fasste es sich an. Im September war erst ein Band mit Erzählungen Bunins aus dem ersten Weltkrieg erschienen: "Ein Herr aus San Francisco". Da stimmte noch alles: der Einband eine feste Leinenstruktur und auf der Vorderseite oben eingeklebt das Foto eines Gemäldes. In diesem Falle "Terrasse auf Capri" von Michail Nesterow. Eine aufwändige Angelegenheit. Ich habe nie die Schönheit dieser Einbände gepriesen, nie wie ich mich darüber freute, sie in die Hand zu nehmen und wie ernst ich mich als Leser genommen fühlte, weil ein Verlag seine Bücher so ernst nahm. Jetzt erst, angesichts dieser verfluchten "Verfluchten Tage", weiß ich die Schönheit und die Achtung zu schätzen, mit der der Dörlemann-Verlag Autoren und Leser beschenkte. "Die verfluchten Tage" haben einen glatten, abwaschbaren Einband, auch mit einem Foto. Das ist aber gedruckt und nicht extra geklebt.

Ich bin entsetzt und bereit eine Philippika gegen den Niedergang der abendländischen Kultur zu schreiben, bis mir aufgeht, dass der Verlag ja keinen Grund hat, sich die Mühe zu machen, wenn wir Leser alles so nehmen, als müsste es so sein. Wenn wir keine Kärtchen schicken oder eine Mail und uns bedanken dafür, dass Dörlemann sich noch Mühe macht an Stellen, an denen andere längst aufgegeben haben. Der Niedergang also zu einem Gutteil meine Schuld, Produkt meiner eigenen Nachlässig- und Bequemlichkeit. Aber dann drehe ich den Band um: "Sonderausgabe" steht da dick weiß auf rot. Die schöne Ausgabe erschien 2005. 2008 erschien eine Ausgabe im Fischertaschenbuch und jetzt also zum einhundertsten Jahrestag der Oktoberrevolution eine Sonderausgabe. Ich bin Hysteriker genug, um sofort wieder beruhigt zu sein. Jetzt freue ich mich auf "Verfluchte Tage", auf Bunin sowieso.

Iwan Bunin: Verfluchte Tage - Ein Revolutionstagebuch, Deutsch von Dorothea Trottenberg, Dörlemann Verlag, Zürich 2017, 259 Seiten, 20 Euro