Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
10.03.2003. Diese Woche lesen Sie: Was die Reisetrends des Jahres sind. Warum Kleinverlage mit Lokalzeitungen kooperieren sollten. Von welcher Gesetzesnovelle sich die Verlage jetzt bedroht sehen. Warum die FAZ die DVA nun vielleicht doch nicht verkaufen will. Und warum die Frankfurter Buchmesse gar nicht umziehen kann. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

Der mögliche Umzug des Gustav Kiepenheuer Verlags von Leipzig nach Berlin ist nach Darstellung des Börsenblatts bereits Gewissheit: "Nach der Ankündigung der Verlagsgruppe Dornier, die Verlage E.A. Seemann, Edition Leipzig und Henschel Berlin zum 31. März zu schließen und angesichts einer zum Jahreswechsel geräuschlos vonstatten gegangenen Personal-Ausdünnung bei der Insel-Niederlassung Leipzig ein neuerlicher Schlag ins Kontor der 'Buchstadt' Leipzig." Zugleich zitiert das Blatt Aufbau-Verleger Bernd F. Lunkewitz mit einem Dementi: "Es gibt Überlegungen, die Verlagstätigkeit in Berlin zu konzentrieren - entschieden ist noch nichts."

Die Moderatorin und Autorin Susanne Fröhlich ("Frisch gemacht") erzählt von Lesereisen durch Deutschland. "Lesungen geben Einblicke. Auch in die Welt des Humors. Die Stellen, an denen ganz Wiesbaden lacht, sind in Recklinghausen noch lange kein Knaller. Über eher müde Passagen liest man so drüber und oh Wunder, in Fulda entpuppt sich eben eine solche müde Stelle als Reißer. Humor ist eben auch eine regionale Angelegenheit."

Anlässlich der ITB berichtet Volkhard Bode über den schwächelnden Reisebuchmarkt. Der orientiert sich natürlich auch an den bevorzugten Reisezielen. "Die Trends des Jahres sind längst ausgemacht: Man fährt ins Allgäu, an die Ostsee oder hinüber zu den europäischen Nachbarn. Kroatien, die bulgarische Schwarzmeerküste, die spanischen Inseln - das sind die Ziele dieses Sommers, abgesehen vom Klassiker Italien. Glaubt man den Reiseprognosen, stehen die 'erdgebundenen' Ziele, die man mit Bahn und Auto erreichen kann, hoch im Kurs. In den Nahen und Mittleren Osten möchte derzeit kaum jemand reisen, bei den Fernzielen liegen China oder Südafrika vorn." Stark zugelegt hat im vergangenen Jahr Mairs Geographischer Verlag. Allein mit den billigen Marco-Polo-Titeln hat die Mair-Gruppe 19 Prozent Marktanteil. DuMont kommt auf 18 Prozent, der Michael Müller Verlag auf drei Prozent.

Die Leipziger Buchmesse hat sich durchgesetzt, schreibt Nils Kahlefendt. "Das Konzept, Leipzig zur Publikums-, Autoren- und Medienmesse für die Vermarktung der Frühjahrstitel auszubauen, ist offensichtlich angenommen worden. Eine Solidaritätsaktion (...) könnte sich bei der heutigen Marktlage wohl auch kein Verlag mehr leisten. Die Sinnfrage - warum Leipzig? - wird nicht mehr ernsthaft gestellt. Die Messe besteht am Markt - und will in diesem Jahr bei den laufenden Kosten erstmals schwarze Zahlen schreiben." Neben den traditionellen Messeschwerpunkten Comic und Hörbuch gibt es in diesem Jahr den Schwerpunkt Reisen.

An drei Beispielen schildert Claudia Kramatschek, wie Verlage Debütromane bewerben. Alle drei Titel wurden für den Deutschen Bücherpreis nominiert: "Der Schwimmer" von Zsuzsa Bank, "Buntschatten und Fledermäuse" von Axel Brauns und "Dich schlafen sehen" von Anne-Sophie Brasme. Fischer kürte Banks Buch zum Spitzentitel und bewarb es entsprechend. Und das Glück ist mit den Tüchtigen: "Die Brigitte versteht sich als 'Patin' der Autorin, weil Bank in einer Schreibwerkstatt der Zeitschrift entdeckt worden ist. Sie brachte deshalb in ihrem Spezial zur Buchmesse ein großes Porträt über die Autorin - 'und wir wissen alle, wie ungeheuer hilfreich es ist, wenn jemand in diesem Umfeld ein bisschen größer platziert wird', so Petra Baumann-Zink", Pressesprecherin des Verlags. Hoffmann und Campe verzichtete bei Axel Brauns "auf reißerische Vermarktung" - erstaunlich ist dies, weil Brauns als Kind Autist war und in seinem Buch davon erzählt. Hier hat vor allem ein Auftritt in einer Talkshow die Absatzzahlen nach oben schnellen lassen.

Kleinverlage sollten häufiger mit Lokalzeitungen kooperieren, meint Thomas Frahm, Chef des auf bulgarische Literatur spezialisierten Avios Verlags. "Sie rufen die Zeitung an. 'Könnten Sie mich bitte mit Ihrer Marketing-Abteilung verbinden?' Geben Sie sich einen Ruck. Die Quantität Ihrer Lügen ist gering. Die Quantität Ihrer Not ist hoch. Das ergibt eine neue Qualität: die Notlüge. Sie hören sich sagen: 'Ich hab mir heute Ihre schon gemachten Bücher in der Geschäftsstelle angeschaut. Kompliment. Ich würde mich gern einmal mit Ihnen treffen und über Möglichkeiten der Zusammenarbeit sprechen.'" Zum Artikel gibt es eine Checkliste, mit der ein Verleger das Gespräch mit seiner potenziellen Partnerzeitung vorbereiten sollte.

Die Reihe Le Livre de Poche von Hachette wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Rechte Feststimmung wolle allerdings nicht aufkommen, schreibt Ralf Klingsieck. "Der Grund: Hachette, die zweitgrößte Verlagsgruppe des Landes, schickt sich gerade an, den bisherigen Marktführer Vivendi Universal Publishing in ihr Imperium einzugliedern. Damit holt sie sich beim Taschenbuch die Konkurrenz ins Haus - mit den beiden Reihen Pocket und Univers Poche. Was diese Verschiebung der Kräfte für Livre de Poche und den gesamten Markt in Frankreich bedeutet, ist derzeit noch nicht abzusehen."

Außerdem porträtiert Ralf Klingsieck den belgischen Schriftsteller Hugo Claus, der am 23. März mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet wird. "Claus war unerhört produktiv und vielseitig. (...) Heute zählt das Verzeichnis seiner Werke mehr als 150 Titel. Sein Repertoire reicht 'von der Shakespeare-Adaption bis zum Kneipenwitz', wie ein Kritiker einmal einschätzte." Über die Zukunft seines Landes mache Claus sich keine Illusionen. Er sagt: "Einmal habe ich ein Stück geschrieben, das Belgien in 20 Jahren zeigt. Da hat der rechtsextreme Vlaams Blok schon gesiegt und die Macht übernommen. Das Stück hat nur eine einzige Aufführung erlebt. Es war wohl so schockierend, dass man dem Theaterdirektor gedroht hat, alle öffentlichen Gelder zu streichen." Die deutschen Übersetzungen seiner Werke sind bei Klett-Cotta erschienen.

Weitere Meldungen: Der Eso-Verlag Königsfurt hat beim Umsatz im vergangenen Jahr zweistellig zugelegt. Die Schweizer Thalia-Tochter Jäggi eröffnet im September eine 600-Quadratmeter-Filiale in Schaffhausen und strebt nach eigenen Angaben "eine starke Präsenz im gesamt deutschschweizer Buchmarkt" an. Dem britischen Verlag Pearson geht es gut - noch besser geht es der Bildungssparte Pearson Education; sie steigerte ihren Gewinn "bei einem Umsatz von 2,7 Milliarden Pfund um 22 Prozent auf 326 Millionen Pfund". Und der Süddeutsche Verlag hat seine Führung neu organisiert und einen "Lenkungsausschuss" als Bindeglied zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführung installiert.

Außerdem weist Gabriele Hardt von der Unternehmensberatung Hardt & Wörner darauf hin, dass Buchhandlungen mit Kalendern ihre Umsätze steigern können; Kalender legten in den vergangenen zehn Jahren "recht kontinuierlich um jährlich zwei bis vier Prozent" zu. Helmut Benze, Berater der Einkaufs- und Marketingcompany Branion, erklärt, dass Buchhändler, die "gute Gastgeber" sind, bessere Geschäfte machen. Uwe Ebbinghaus freut sich über die Architektur-Novitäten der Frühjahrsprogramme und stellt eine Auswahl vor. Christina Busse porträtiert die Literaturagentin und Packagerin Susanne Koppe. Anita Djafari spricht mit Ingeborg Mues, der Herausgeberin der Fischer-Reihe "Die Frau in der Gesellschaft". Mues geht in diesem Monat in den Ruhestand und wird sich künftig verstärkt der "Nachwuchsförderung" widmen. Und wer gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Urheberrecht protestieren möchte, sollte diese Website besuchen.

Platz eins der Hörbuchbestenliste belegt die CD "Best of Maigret & Co." Hier die komplette Liste.
Archiv: Börsenblatt