Essay

Iblis, der Teufel

Von Necla Kelek
13.05.2019. Kaum war die Kopftuchkonferenz an der Frankfurter Uni vorbei, inszenierten die Gegner*innen der Feministin Alice Schwarzer in den sozialen Medien einen neuen Skandal.  Von ihrer intellektuellen Niederlage können sie nicht ablenken.
Social-Media-Aktivisten bestimmen die Nachrichten. Der US-Präsident twittert rund um die Uhr in Sachen Weltpolitik. Mit Facebook und Co. lässt sich nicht nur das Frühstückbrötchen ungefragt versenden,und per Youtube die früher sogenannte "Schleichwerbung" zum Geschäftsmodell machen, sondern auch anonym veritable Schmutz- und Verleumdungskampagnen inszenieren. Ein Beispiel wie das funktioniert, war eine Konferenz an der Uni Frankfurt zum Thema muslimisches Kopftuch (mehr hier). 

Anonyme User, die sich als Studentengruppe ausgaben, hielten das Anliegen über das Kopftuch zu diskutieren für "antimuslimischen Rassismus" und forderten, die einladende Professorin zu entlassen. Sie argumentierten wie die Islamisten, die jede Kritik an islamischen Praktiken generell als rechts und populistisch abtun, um sich nicht mit der Sache auseinandersetzen zu müssen. Früher hätten es solche Spinner mit ihren Flugblättern vielleicht bis vor die Uni-Mensa geschafft, aber kein Zeitungsredakteur hätte eine Zeile dafür erübrigt. Heute ist das anders. Nichts verbreitet sich im Netz besser als Hetze, Häme und krude Ideen.

Die Kopftuchkonferenz fand trotzdem statt, die Solidarität mit der veranstaltenden Professorin Schröter war eindrucksvoll. Dass das Kopftuch keine Sache des Glaubens, sondern Politik ist, ging in der Berichterstattung tags darauf fast unter, denn ein neuer Shitstorm rollte an. Die Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer sprach auf der Konferenz und wollte in alter 68er-Tradition mit dem Häuflein Demonstrantinnen auf der dem Konferenzort gegenüberliegenden Straßenseite reden. Wie sie es aus analogen Zeiten kennt, als noch direkt miteinander gesprochen wurde. Das gelang ihr nicht, denn die Frauen kreischten, als sei Iblis, der Teufel, persönlich erschienen. Als Alice Schwarzer einer Frau mit Kopftuch zur Beruhigung an den Arm tippte, schrie die auf, und drohte mit einer Anzeige.


Der Rest war Hysterie. Schwarzers Gesprächsangebot ging im Geschrei unter. Stunden später stand der "Übergriff" im Netz, wurde als Beleg für den Rassismus der Feministin ausführlich kommentiert.


Die Kopftuchapologetinnen wollten offenbar von ihrer intellektuellen Niederlage auf der Konferenz ablenken. Eine Tagung, auf der Alice Schwarzer daran erinnerte, dass die iranische Anwältin Nasrin Sotoudeh, kürzlich zu 33 Jahren Haft und 148 öffentlichen Peitschenhieben verurteilt worden ist, weil sie Frauen gegen den Verhüllungszwang verteidigt hatte. Sie hatte auch ein Buch über die 500 sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015/16 herausgegeben, Titel "Der Schock". Wenn jetzt der Versuch von Alice Schwarzer,  mit den Demonstrantinnen ins Gespräch  zu kommen, als "Übergriff" dargestellt wird, dann ist das die unterste Schublade. Es geht den Verleumdern nicht um die Sache, sondern nur um die Diffamierung von Personen, weil ihnen die Argumente fehlen und sie kein Interesse daran haben.

Necla Kelek