Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Januar 2013

Mainstream von gestern

31.01.2013. Die Welt weiß, was Paul Celans "Kumi-Ori" wirklich bedeutet. Die taz erkennt in David Sievekings Film über seine demente Mutter, wann Objektivität in Aggression umschlägt. In der FR/Berliner Zeitung erklärt Götz Aly, warum auch Hitler für Mindestlöhne war. Die SZ findet das Leistungsschutzrecht plötzlich gar nicht mehr so gut. In der FAZ fragt sich Sujata Madhok, ob Indien die Herausforderung des Patriarchats akzeptieren wird. In der Zeit erklärt Christian Petzold, warum sich die DDR so gut als Filmstoff eignet. 

Stiere und Kühe

30.01.2013. Im Perlentaucher eröffnet Jan Assmann eine Debatte über Gewalt in der Religion. Die Welt findet, dass Jakob Augstein und Rainer Brüderle sich entschuldigen sollten. In der NZZ beschreibt Wei Zhang die prekäre Lage der chinesischen Bauern. In der FAZ findet Alice Schwarzer die Frauen krass sexistisch, die Brüderle mit dem Hinweis verteidigen: Männer sind halt so. Außerdem fordert in der FAZ der Historiker Thomas Weber mehr Mut in der Hitler-Forschung. Und in der SZ möchte Norbert Frei über das "Entstehen einer spezifischen NS-Moral" ab 1933 nachdenken.

Chinese übernimmt Vorsitz

29.01.2013. In der Welt erklärt John Woo, warum er sein Remake von Melvilles "Eiskaltem Engel" in Berlin spielen lässt, und nicht in Paris: Es liegt nicht nur an der Filmförderung. Die taz konstatiert, dass gerade Bollywood am vorsintflutlichen Frauenbild der Inder mitstrickt. Die New York Times macht sich Sorgen um die deutschen Zeitungen. In t3n benennt SZ-Online-Chef Stefan Plöchinger die vier As des neuen Journalismus. In der FAZ ergründet Viktor Jerofejew die französische Seele.

Wenn die Idole fallen

28.01.2013. In der SZ hofft Gustav Seibt, dass Großbritannien der EU erhalten bleibt. Laut Hamburger Abendblatt steht die Übernahme der FR durch die FAZ unmittelbar bevor: 30 Redakteure sollen übernommen werden, der überregionale Teil verschwindet. Die FR erzählt die Geschichte des Reisebüros MER, das unter den Nazis mit Judendeportationen und Zwangsarbeitertransporten Millionen verdiente und nach den Krieg als DER unbehelligt Urlaubsreisen organisierte. In der taz porträtiert Gabriele Goettle einen Augenarzt, der sich auch um Arme kümmert.

Skulptur aus flüssigem Material

26.01.2013. In der Welt stellt Ruth Klüger eine alte Frage zum Holocaust in der Literatur ganz neu. In der NZZ denkt Terezia Mora über Literatur an Grenzen nach. Außerdem beleuchtet die NZZ Lutoslawskis Liebe zu Cage. Die FR huldigt dem Kollateralnutzen von Frankreichs Uranpoltik. Und ach, seufzt die SZ: Was waren das für Zeiten, als ARD und ZDF Mut zur Zumutung zeigten.

Moderedakteurinnen in der zweiten Reihe

25.01.2013. In der FAZ denkt der tschechische Autor Jaroslav Rudis über die irgendwie surreale Präsidentenwahl in seinem Land nach. Die Welt verteidigt David Cameron gegen die beleidigten Leberwürste vom Kontinent. Die NZZ erklärt, unter welchen Umständen die direkte Demokratie funktioniert. Robert Basic wendet sich in seinem Blog gegen Prophezeiungen, dass es mit dem Bloggen ein Ende habe. Hier und dort wird weiter zu Suhrkamp diskutiert und präzisiert.

In einer Ära großen Durcheinanders

24.01.2013. In der FAZ erinnert sich Dustin Hoffman an seine WG-Kumpels  Robert Duvall und Gene Hackman. Die NZZ macht sich Sorgen ums preußische Kulturerbe. Techcrunch kann es nicht fassen: Apple macht in einem Quartal fast soviel Umsatz wie Microsoft im ganzen Jahr. Das Schweizer Fernsehen erklärt das Leistungsschutzrecht. Die taz beleuchtet die komplizierte Lage der deutschen Kinematheken. Die Welt findet: Die Deutschen sollten es nicht den Franzosen überlassen, ihre Freiheit zu verteidigen. In der Zeit nennt  Ulla Unseld-Berkéwicz realistische Renditeerwartungen für den Suhrkamp Verlag.

Lächeln im Kolkrabengesicht

23.01.2013. In der FR entwirft Robert Menasse Umrisse eines schlanken Europas, auch als Gegensatz zu national ausgefetteten Demokratien. Die NZZ beleuchtet die prekäre Situation der syrischen Christen. In der Welt lernt Dustin Hoffmann die Höflichkeit der Regisseure zu schätzen. Kontrovers wird Steven Spielbergs "Lincoln"-Film aufgenommen: Groß findet ihn die FAZ, besonders aber Daniel Day-Lewis, die taz moniert sein Geschichtsmodell, in dem allein der große weiße Mann agiert.

Nicht für das brennende Herz der Theresa von Avila

22.01.2013. Die FAZ protestiert gegen Verspargelung der Landschaft und Wattierung von Denkmälern im Zeichen der Energiewende. Die Welt feiert Dan Flavin. In der SZ erklärt Stephane Braunschweig seinem Kollegen Thomas Ostermeier die Vorzüge des französischen Theaters: Kein festes Ensemble bedeutet auch Freiheit. Das Blog  journalism.co.uk erklärt Journalisten, wie man Fehler korrigiert. Die taz zeigt am Beispiel Dänemark, wie subventionierte  Medienmodelle auch funktionieren können. Auch die NZZ berichtet über neue Medienmodelle in der Schweiz.

Luxus und Erleuchtung gehen immer

21.01.2013. Wer die FAZ liest, kommt zu dem Schluss: Der gefährlichste Job der Welt muss der Direktorenposten des Bolschoi-Balletts sein. Während amerikanische Zeitungen Paywalls errichten, expandiert das kostenlose Angebot des Guardian mit eigenen Redaktionen in andere englischsprachige Länder, berichtet Mashable. In der SZ erkunden Nir Baram und Abraham B. Yehoshua die Zukunft Israels. Außerdem: ein Schicksalstänzchen am Montag.

Dialektik aus Wärme und Distanz

19.01.2013. In der Welt schildert Adam Krzeminski den Kulturkampf, den Polens Rechte gegen das unbehauste und europagläubige Volk der Lemminge führt. In der NZZ erkennt Milton Hatoum im pluralen Brasilien das Land der Zukunft. Die SZ bereitet uns vorsorglich auf das Allerschlimmste vor. Die taz feiert das neue Album von Tocotronic. Und in der FAZ rät Steven Spielberg den nicht-englischsprachigen Zuschauern seines Lincoln-Films: Lest nicht die Untertitel, lest in den Gesichtern!

Um sich gerade noch in die nächste Zählzeit zu retten

18.01.2013. Die taz fragt sich, was die SZ zu ihrer "perfiden" Berichterstattung über Pola Kinski und ihre Missbrauchsvorwürfe gegen ihren Vater treibt. Der Freitag wundert sich, warum die "Holocaust"-Rhetorik Quentin Tarantinos und Spike Lees in Bezug auf die Sklaverei nicht zu mehr Debatten führt. Wir verlinken auch auf ein langes Gespräch zwischen Henry Louis Gates und Tarantino. Die FAZ befasst sich mit der Lage der Frauen im Kunst- und Kulturbetrieb. Die Welt feiert das neue Album des Jazzsängers José James.

Küssende Hasen totschießen

17.01.2013. Es gab noch Zeiten, in denen Kinderbücher drastisch werden durften, aber die sind nun vorbei, meint die Presse in Wien, auch die Zeit befasst sich mit dem Thema. Für die Frankfurter Rundschau wird's langsam knapp, berichten verschiedene Medien. Die taz schildert Oper, Pornografie und Prostitution im Kontext. In der FR hält Quentin Tarantino am Begriff des Holocausts für die Sklaverei und die Geschichte der Indianer in den USA fest. In der Zeit versteht ZDF-Intendant Thomas Bellut das ganze Gerede um Schleichwerbung bei Gottschalk nicht: Die sei doch "durch die Clearingstelle ausgeschlossen".

Die Zukunft hat immer recht

16.01.2013. Die NZZ hält fest: Es ist nicht die Schuld der Habsburger, dass das Ungarische zur finnisch-ugrischen Sprachfamilie gehört. Alle feiern Quentin Tarantino, aber nicht die Amerikaner, die taz und die SZ.  Alle trauern um Nagisa Oshima. In der FAZ begrüßt Bernard-Henri Lévy den französischen Einsatz in Mali und warnt vor der Wüste.

Sie aßen nur, schliefen, putzten sich

15.01.2013. Die SZ beklagt reaktionären Infantilismus in dem Streit über politisch korrekte Sprache in Kinderbüchern. Das Cabinet Magazine erinnert an ein kulturkritisches Mäuseexperiment. Die Welt meditiert über die Dialektik des Arguments, Antisemitismusvorwürfe schadeten nur der Bekämpfung des Antisemitismus. Die taz wittert Korporatismus in der einhelligen Verteidigung Jakob Augsteins durch Kollegen.In der Berliner Zeitung rät Götz Aly Peer Steinbrück, nach unten zu blicken. Der Tod Aaron Swartz' löst nach wie vor Diskussionen aus.

Eine Zukunft, die niemals eingetreten ist

14.01.2013. Lawrence Lessig und Cory Doctorow schreiben zum Freitod des Internetaktivisten Aaron Swartz. Ihm drohten 35 Jahre Gefängnis, weil er wissenschaftliche Artikel einer MIT-Datenbank freigestellt hatte. Der Spiegel enthüllt: Jahrelang wurde in Thomas Gottschalks Show "Wetten dass" Werbung platziert. Die Österreicher sind happy: Golden Globes für Michael Haneke und Christoph Waltz. The Daily Beast bringt Jodie Fosters rätselhafte Golden Globes-Rede in sämtlichen denkbaren Versionen. Die NZZ feiert die Kulturhauptstadt Kosice. Die Welt am Sonntag analysiert den subtilen Rassismus der Israelkritiker.

Selbst denken macht einsam

12.01.2013. In der Welt entschuldigt sich Henryk Broder bei Jakob Augstein dafür, dass er ihn einen "kleinen Streicher" genannt hat, hält seine Vorwürfe aber aufrecht. In der FR betrachtet Dirk Baecker das BER-Debakel aus systemtheoretischer Sicht. In der NZZ feiert der Romanist Karlheinz Stierle Roberto Calassos großes Baudelaire-Buch. Die taz hat nichts gegen die antirassistische Bereinigung von Kinderbüchern. Die SZ geht das Böse an Barlach suchen. In der FAZ erinnert sich Edna Brocke an ihre Großtante Hannah Arendt.

Aus dem Dauerfrost sexueller Verklemmtheit

11.01.2013. Die SZ erkundet die Tücken der türkischen Zensurgesetzgebung. Die Welt betreibt Animal Studies. Die NZZ schildert die Lage der Frauen in Indien. Die FAZ schildert den Medienkrieg um Gaza. Die taz versucht herauszufinden, was die Suhrkamp-Kultur eigentlich war. In der FR schildert  Uli Lommel die Unendlichkeit, die ihm Angst macht. Und Gema und Youtube haben sich mal wieder nicht geeinigt.

Wenn das kein Kulturschock ist

10.01.2013. Die Welt zitiert die Äußerungen des Viertel-Cherokees Quentin Tarantino über amerikanische Menschheitsverbrechen. Und stellt das Ubuweb vor, das Kunstwerke zum Download feilhält und sich nicht ums Copyright schert - zur Freude der Künstler. Im Freitag stellt sich heraus, dass Musiker im Internet durchaus Geld verdienen können. Die NZZ feiert die Vergangenheit des Futurismus. Richard Herzinger hofft in seinem Blog auf einen Liberalismus jenseits der FDP. Die Debatte um Jakob Augstein ebbt nicht ab. Und die FAZ will politisch inkorrektes Vokabular in alten Kinderbüchern nicht streichen.

Einzelkatastrophen

09.01.2013. Die NZZ sieht Italien den Bach hinuntergehen. Außerdem bringt sie Hintergründe zum Fall eines saudischen Intellektuellen Turki al-Hamad , der wegen ein paar Tweets im Gefängnis landete. Die FAZ besucht das einzige Café in Berlin, wo man Kuchen operieren kann. In der Welt erklärt Henryk Broder den modernen Antisemitismus. Und David Bowie fragt: "Where are We Now?"

Weißt du, Berlin ist so ruhig, eine Rentnerstadt

08.01.2013. Die neue Antisemitismus-Debatte geht immer noch weiter. In der SZ erinnert Abraham Cooper  vom Wiesenthal-Zentrum an die Durban-Konferenz 2001, wo sich der neue Antisemitismus für ihn erstmals massiv manifestierte. Im Interview mit dem Schwarzwälder Boten erklärt Henryk Broder, warum er glaubt, dass Jakob Augstein "propagandistisch die nächste Endlösung der Judenfrage" vorbereitet. In der zehntausendsten taz-Ausgabe erinnern sich Ehemalige an vergangene Zeiten. Und in der Welt erklärt der montenegrinische Gitarrist Miloš Karadaglić, warum er mit dem Fuß auf dem Gitarrenkoffer spielt.

Wie kleine exotische Gewürznelken

07.01.2013. Die FAZ stellt nach einer Europa-Reise fest: Die "Zauberflöte" funktioniert überall.  In der FR will der Wissenschaftshistoriker Werner Plumpe die weit verbreitete Kritik am Kapitalismus nicht teilen. Die SZ hört 68 CDs von und mit Murray Perahia und bleibt staunend zurück. Die Welt konstatiert, dass in Frankreich der Streit zwischen Sartre- und Camus-Anhängern nach wie vor schwelt. Es wird weiter über Jakob Augstein diskutiert. Unter anderem mahnt Michael Wolffsohn im Deutschlandfunk zur Mäßigung. Und die NZZ empfiehlt nach einer Jordanien-Reise ein liebliches Lammragout mit zauberhaft stinkiger Note.

Stumm wird das Spanferkel zerteilt

05.01.2013. Jakob Augstein ein Weltklasseantisemit? Zu viel der Ehre, findet der Kölner Stadt-Anzeiger. Augstein hat so wenig Ahnung von Israel wie das Simon-Wiesenthal-Center von deutschen Publizisten, meint Salomon Korn in der FAZ. Im Tagesspiegel sorgt sich Johnny Haeusler um die Freiheit des Netzes. Kein Wunder, dass man die Banker nicht versteht: sie verstehen sich ja nicht einmal untereinander, berichtet Andres Veiel der taz. Die Welt bedauert, dass Brieffreundschaften heutzutage nur noch mit dem Finanzamt gepflegt werden. SZ bedauert, dass HipHop-Lifestyle nur noch als Handy-Spiel existiert.

Das Nordkorea Afrikas

04.01.2013. Im Tagesspiegel erklärt Michal Hvorecký, warum es gut war, dass die Slowakei abstürzte. Die FR erzählt, wie Programmkinos in Frankreich und Belgien das Internet nutzen. Die NZZ wirft einen deprimierenden Blick auf Eritrea. In der Welt kritisiert Wolfgang Petersen die Risikoscheu Hollywoods. Die Debatte um Jakob Augstein und den Unterschied zwischen Israelkritik und Antisemitismus geht weiter.

Gerade nicht der Triumph der affirmativen Dialektik

03.01.2013. Gar nicht so leicht, eine Bresche durch die Streitigkeiten des Tages zu schlagen. Drei Themen dominieren. Blogs fragen: Ist die Haushaltsgebühr für die Öffentlich-Rechtlichen eine Demokratie-Abgabe? Und listen die Dutzenden von Schmonzetten auf, die damit finanziert wurden. Während ein Dienst wie filmz schließen muss. Zeitungen fragen: Ist Jakob Augstein Antisemit? Und: Ist Suhrkamp-Kultur versunkene Kultur? Außerdem bringt die NZZ neue Erkenntnisse über Eginald Schlattners Kooperation mit der Securitate. Die Zeit erklärt, was Big Data ist. Und wer Wagner wirklich waga.Mit Ergänzung.

Es ist kein Streit zwischen Geist und Kapital

02.01.2013. Frohes Neues Jahr allen Perlentaucher-Lesern! Der Feuilletonisten-Streit um Suhrkamp geht weiter. In der Welt verteidigt sich Richard Kämmerlings gegen die letzten Attacken von Frank Schirrmacher. In der SZ kritisiert Gustav Seibt die Empörungsrhetorik der Suhrkamp-Autoren. In der taz stöhnen zwei Fernsehmacher über die Angsthasen in den Redaktionen. Stefan Niggemeier fragt, was aus der "Informationsoffensive" der ARD geworden ist. Petra von Cronenburg protokolliert ihre durch den Ebook-Reader veränderten Lesegewohnheiten. Die FAZ verteidigt Jakob Augstein gegen den Vorwurf des Antisemitismus.