Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

April 2013

Wo es ernst wird, reicht das Netz nicht aus

30.04.2013. Die FAZ schreitet über die Stege des Mucem ins mediterrane Glitzerlicht der Kulturhauptstadt Marseille. Jürgen Habermas hat in Belgien über Europa gesprochen - und die Deutschen zu Opfern aufgefordert. Die NZZ erkundet die Möglichkeiten des Netzes als Medium des Protestes. Brigitte eröffnet die Berichterstattung über den NSU-Prozess. Und in der Welt hält Matthias Küntzel fest: Richard Wagner war ein Klassiker - und zwar des deutschen Antisemitismus.

Zurück ins Kommunardisch-Mädchenhafte

29.04.2013. Im Standard plädiert Franzobel ganz klar gegen Arbeit. In der NZZ beteuert der syrische Schriftsteller Fawwaz Haddad: Wenn sich die Syrer die Köpfe einschlagen, dann darum weil der Westen daran schuld ist. In der Welt fragt Hans-Joachim Müller, ob Künstlerinnen benachteiligt werden - und will aber erstmal den Mythos von männlicher Künstler-Grandiosität abschaffen. Die FAZ wirft Daniel Cohn-Bendit vor, seine Archive gesperrt zu haben. Für die SZ fühlte sich Gustav Seibt fremd unter 68ern.Und die HuffPo kommt nun doch noch, meldet kress.de.

Entwürfe für gutes Wetter

27.04.2013. Mehr Mut zu einem klaren Programm wünscht sich der Architekt Vittorio Magnago Lampugnani in der NZZ von Stadtplanern - am Ende kommt es sowieso anders als gedacht. Die moderne Stadt ist auf Temperaturen über 20 Grad ausgelegt, weiß die FAZ und freut sich, dass es endlich wieder soweit ist. Antje Ravic Strubel denkt in der Welt über Tabus nach. Susie Linfield zeigt sich in der taz beeindruckt von der Chuzpe der deutschen Studentenbewegung im Umgang mit dem Holocaust. Und die FR vollzieht in der Frankfurter Ausstellung "Juden. Geld. Eine Vorstellung" das Stationendrama des Antisemitismus nach. Auf Freude stößt der Fiilmpreis für Jan-Ole Gersters "Oh Boy".

Atmosphärisches Make-up

26.04.2013. Die Welt fragt sich, warum ausgerechnet das autoritär regierte Vietnam als erstes asiatisches Land die Schwulenehe einführen will. Die NZZ besucht Gabriel García Márquez' Geburtsort Aracataca. Die taz rümpft die Nase über die in Kunst, Fernsehen und Literatur grassierende New Sincerity, wenn sie dabei Lena Dunhams Titten sehen muss. In der FAZ betätigt Frank Schirrmacher nach Lektüre eines Buchs von Eric Schmidt die Alarmsirene. Aber auch die wird künftig hinter die Paywall gesteckt, verkündet FAZ-Geschäftsführer Tobias Trevisan im Interview mit der SZ.

Zwischen sauberer Recherche und Unsinn

25.04.2013. Der Freitag greift die Debatte um Daniel Cohn-Bendits pädophile Texte auf. Literaturcafé meldet, dass die CDU die Mehrwertsteuer für Ebooks auf 7 Prozent senken will. In der Zeit erklärt Julian Assange, was das Internet ist: nichts anderes als die Öffentlichkeit selbst. Die taz bringt ein Gespräch mit der Filmemeacherin Miriam Faßbender, die zwei Afrikaner beim Versuch begleitete, nach Europa zu gelangen. Die FAZ guckt die Lieblingsfilme von Frieda Grafe. Ganz aktuell: tanzen mit Tilda Swinton. Und nachhaltig pinkeln mit Dezeen.

Sei wie der Kuckuck im Juni

24.04.2013. Bei Spiegel Online wirft Sascha Lobo der Telekom vor, am 2. Mai die Netzneutralität abschaffen zu wollen. Dann ist es auch mit dem anonymen Surfen vorbei, warnt Malte Spitz von den Grünen auf zeit.de. In der Welt kann Ioan Holender genau erklären, warum bekannte Opernsänger heute mehr Allüren haben denn je. Der Tagesspiegel macht sich ernste Sorgen um das deutsche Kino. In der FAZ erzählt der Biograf Charles Moore, was er an Margaret Thatcher mochte. Die Washington Post erinnert an den Aufstieg des amerikanischen Romans. Die SZ resümiert italienische Diskussionen über Primo Levi, der als Partisan an der Exekution von Kameraden teilnahm.

Im Getümmel vor dem Strafraum

23.04.2013. Der Economist hat herausgefunden: Es gibt im heutigen China keinen Autor unter 35 Jahren, der nicht im Internet entdeckt wurde. Atemlos verfolgte die NZZ einen Berliner Streit russischer Autoren auf der Suche nach der Erklärung für die Probleme des Landes. In der Berliner Zeitung schimpft Götz Aly auf die Grünen, die Moses Mendelssohn in Berlin keinen Platz geben wollen. Für die FAZ schimmern unter Ferdinand Hodlers Alpen die Farbflächen Rothkos und Newmans.Netzpolitik warnt: die neuen Tarife der Telekom zerstören die Netzneutralität.

Im gleißenden Weiß

22.04.2013. Auch die NZZ findet das Deutschlandbild der Louvre-Ausstellung "De l'Allemagne" recht gestrig. Wer Immigration will, sollte gegen Multikulti sein, meint Kenan Malik in seinem Blog. Die FR ist ziemlich sicher, dass Wolfgang Büchner Chefredakteur des Spiegels wird. Die FAZ fürchtet nach den Bostoner Morden eine noch stärkere Videoüberwachung der Städte. Die Washington Post beschreibt neue Fahndungsmethoden, die in Boston eingesetzt wurden. Die SZ fürchtet Kapitalismuskritik in Osteuropa. Der Welt gefällt Norman Fosters Anbau an das Lenbachhaus.

Der gute alte Antagonismus

20.04.2013. Tieftraurig schreibt Jonathan Wilson in der NZZ über den Bostoner Marathon. Die SZ liest im papierlosen Buch der Zukunft. Das dann laut Frank Schirrmacher in der taz wohl von automatisierten Medien rezensiert wird. In der Welt schildert Bernard Lewis die drei Phasen des Kampfs der Kulturen. Die Zeit schwärzt schon mal den Mohammed (und der Perlentaucher regt sich drüber auf). Und deutsche Journalisten sind nicht übermäßig zu Selbstkritik geneigt - kress.de resümiert eine Studie zum Thema.

Ziemlich nackt

19.04.2013. In der taz feiert György Dalos das revolutionäre Umdenken. In der Welt gratuliert David Wagner Aldi zum Jubiläum. In der NZZ singt Miriam Meckel ein Liebeslied an das Buch. In der SZ versucht der Schriftsteller Dogan Akhanli zu verstehen, warum er in der Türkei schon wieder angeklagt wird. Die FAZ stellt den russischen Autor Sergej Lebedew vor, der die Gulag-Toten nicht der Natur überlassen will. Und Gawker meldet, dass drei Emiratis aus Saudiarabien abgeschoben wurden, weil sie zu hübsch sind.

Die alte Bombe der Gedankenlosigkeit

18.04.2013. Die Zeit veröffentlicht in Auszügen einen offenen Brief des Louvre-Chefs Henri Loyrette, der sich gegen Kritik am düsteren Deutschlandbild seiner Ausstellung "De l'Allemagne" wehrt. Die Welt wendet sich gegen die deutsche Parole "Gemeinnutz geht vor Eigennutz". Im Freitag erzählt das  Kairoer Medienkollektiv Mosireen, wie es das Internet auf die Straße brachte. Indiewire leakt (oder fälscht) die Liste der Wettbewerbsfilme von Cannes. In Paidcontent erklärt Alan Rusbridger, warum der Guardian keine Paywall einführt: Wegen der BBC. In der SZ schlägt Adam Krzeminski eine deutsch-polnische Großproduktion vor.

Der Knüppel hängt ständig über deinem Kopf

17.04.2013. In der Welt beschreibt der Putin-Kritiker Alexej Nawalny, wie er mit dem heute beginnenden Prozess gegen ihn mundtot gemacht werden soll. In der NZZ fragt sich Hannelore Schlaffer, warum man heute lieber Biografien über Schriftsteller statt deren Werke liest. Die taz berichtet vom Filmfestival in Istanbul, wo man sich gegen die Gentrifizierung wehrt. In der FAZ spricht Christoph Waltz über den "Rosenkavalier", den er in Antwerpen inszenieren wird. In der SZ schildert Arundhati Roy den brutalisierten Alltag in Indien.

Sie steht scheu bei ihm am Mikrofon

16.04.2013. In der FAZ spricht William T. Vollmann über Schostakowitsch und auch über "deutsche Ideen". Warum wollen Institutionen, die sich vom Journalismus wegbewegen, auch noch Leistungsschutzrechte?, fragt Marcel Weiß in neunetz. In der NZZ spricht Peter Sloterdijk über den Medienwandel und vergleicht die heutigen Journalisten mit dem katholischen Klerus des 15. Jahrhunderts. Der Schauspieler und Musiker Lars Rudolph stellt in der taz fest, dass Kleist Rock ist, nicht Pop. Die Welt schildert das Damaskus-Erlebnis des Snoop Dog. Die SZ gerät in Rage über den Slogan "Kultur macht stark".

Raumschiffe hin oder her

15.04.2013. Die Welt ist stinksauer über die Entscheidung des Berliner Senats, am Alexanderplatz keine Wohnungen zu bauen. In der taz fragen Micha Brumlik und Hajo Funke, was die evangelische Akademie Loccum reitet, mit iranischen Schergen zu paktieren. In der NZZ protestiert die Pharmakologin und Bloggerin Ghada Abdelaal gegen die Sexualmoral der Muslimbrüder, die die Lage der Frauen in Ägypten noch verschlimmert haben.

Welchen Staub muss man erhalten?

13.04.2013. In der Zeit stellt Werner Herzog klar, dass er sich in Deutschland nicht missverstanden fühlte, höchstens von ignoranten Kretins. In der FAZ spricht der Islamforscher Gilles Kepel über Verbitterung und Antisemitismus in der Banlieue. Der Tagesspiegel sieht der partiellen Eröffnung der Digital Public Library of America entgegen. In der taz fragt Volker Gerhardt, ob die Öffentlichkeit des Netzes auch sichtbar ist. Die SZ steht vor der Schwierigkeit, einen Traum zu restaurieren. Die Welt erfährt, wie gefährlich es ist, für Alfred A. Knopf zu arbeiten. Und die NZZ begibt sich in Jean Pauls vielfach gefaltete Landschaften.

Süße Katermusik

12.04.2013. In der taz erklärt stellt die DJane Jennifer Cardini klar, dass ihre Berufsbezeichung nicht "Girl" ist. Auch die Verlagsbranche ist so sexistisch wie eh und je, erklärt die Autorin Deborah Copaken Kogan in The Nation. Im Tagesspiegel weiß man jetzt, wie man Gemälde und Skulpturen kombiniert - das Rijksmuseum macht es vor. Carta wischt ein paar Qualitätstränchen der deutschen Presse beiseite. Auf Achgut wird erzählt, wie Hardy Krüger mal als Nazi identifiziert wurde. Die NZZ sucht nach dem Einfluss Margaret Thatchers auf die Kunst. Im NYRBlog stellt Ian Buruma zwei japanische Fotografen vor. Und schließlich: Katzen in Jalousien.

Propaganda des Glücks

11.04.2013. Heute schauen wir der Welt beim Leiden unter Deutschland zu. Die Welt erinnert an den größten Horror im Leben Margaret Thatchers: Saumagen essen mit Helmut Kohl. Die Deutschland-Ausstellung im Louvre sorgt nach wie vor für Streit. Im Louvre muss man sich als Gast nun mal unterordnen, findet die SZ. Die Zeit ist entsetzt über Giorgio Agamben, der eine Abkehr der "lateinischen" Länder von Deutschland fordert. Die FAZ bringt ein Gespräch mit der New Yorker Avantgardefilm-Legende Jonas Mekas. Im Guardian wendet sich der Moskauer Patriarch Kirill I. gegen die Pseudo-Freiheit der Frauen. Die taz staunt über die Unbedenklichkeit der Niederländer im Umgang mit dem Erbe des Kolonialismus.

Das Palimpsest als Werkbegriff

10.04.2013. Die NZZ hat herausgefunden: Das Internet macht die Literatur doch neu. Das Internet der Konzerne ist zugleich Straße, Karte und selbstfahrendes Auto und entmündigt seine Nutzer, meint Felix Stalder in der Berliner Gazette. Ian McEwan erinnert im Guardian an Großbritannien vor Thatcher - und will auf keinen Fall dahin zurück. FAZ Independent und Presse staunen über den Hass, der Thatcher bis heute entgegenschlägt. Die Welt schwankt zwischen Wolfgang Büchner und Jakob Augstein als Chefredakteur des Spiegel. In der SZ schämt sich Heribert Prantl im nachhinein über den Journalismus in der Causa Wulff.

Unter den giftigen Farben von Erde und Schimmel

09.04.2013. Der FAZ graut es vor dem Deutschlandbild der Louvre-Kuratoren. In der SZ zweifelt Architekt Hans Kollhoff am Verstand seiner Kollegen. Die Paywall bei Zeitungen ist auch eine Einschränkung der gesellschaftlichen Debatte, findet Thomas Wiegold auf Carta. Die NZZ gratuliert der Lettre International zum 25. Geburtstag.

Die berühmte Betroffenheit

08.04.2013. Die SZ erlebte bei der Ausstellung  "Erschütterung der Sinne" eine ebensolche. Die Welt findet den Streit um die Berliner "East Side Gallery" ziemlich verlogen. Die NZZ erzählt,. wie die Kultur des Irak aus der Hand Saddam Husseins auf den Boden fiel. In der FR erklärt Johannes Fried, was Globalgeschichte ist. Und außerdem wird munter spekuliert, wer Chefredakteur beim Spiegel wird.

Ganz großes Senioren-Tennis

06.04.2013. Der Spiegel setzt seine beiden Chefredakteure ab, meldet die Welt. Außerdem begrüßt Necla Kelek Shereen el Fekis Buch über Sexualität in der arabischen Welt. Die NZZ betrachtet Tod und Auferstehung der Ana Mendieta im Castello di Rivoli. Die SZ zieht die Richter im Münchner NSU-Prozess an den Ohren und sitzt selbst einem Hoax auf. Die FAZ betrachtet japanische Künstler der Gruppe Gutai bei der Entfesselung der Materie. In FR/Berliner Zeitung fürchtet Filmemacher Edgar Reitz die Tücken der Digitalisierung. Die taz berichtet, dass jeder dritte ungarische Student rechtsextrem wählt.

Blitzender Reflektor

05.04.2013. Die Welt gibt den polnischen Kritikern der ZDF-Serie "Unsere Mütter Unsere Väter" recht. Im Freitag denkt Herfried Münkler über den Krieg mit Drohnen nach. Wir bringen viele Links amerikanischer Medien und Blogs zum Tod des großen Filmkritikers Roger Ebert und ein Video, in dem er erzählt, wie er seine Stimme wiederfand. Die SZ staunt über das pompejanische Sexleben. Die taz feiert James Blake. FAZ und Welt kritisieren das bürokratische OLG München, das sich außerstande sieht, türkischen Journalisten Zutritt zum NSU-Prozess zu gewähren. 

Unsere journalistischen Standards

04.04.2013. Im Tagesspiegel schimpft der Intendant der Komischen Oper Berlin, Barrie Kosky, auf Spaßverderber Martin Luther. Die Berliner Zeitung unterdrückt in ihrem Online-Auftritt eine Passage, in der sich Kolumnist Arno Widmann kritisch mit dem Verleger Alfred Neven-DuMont auseinandersetzt. Wir lesen sie. Außerdem im Perlentaucher: Adam Krzeminski kritisiert die ZDF-Serie "Unsere Mütter Unsere Väter" aus polnischer Perspektive. In der Zeit entschlüsselt Harald Welzer die genau dreißig Jahre alte Affäre um Hitlers gefälschte Tagebücher. Die FAZ erinnert an den großen italienischen Filmemacher Elio Petri. Zur Illustration der SZ bringen wir acht Minuten Kuscheltechno. Zur Kompensation der jahreszeitlich bedingten Frustration: den Gesang einer Nachtigall.

Jede Menge elektronisches Gefiepe

03.04.2013. In der SZ Online bekennt Adam Krzeminski sein Entsetzen über die ignoranten polnischen Passagen in der Serie "Unsere Mütter Unsere Väter". Das Blog Meedia fürchtet: paid content wird auch nicht funktionieren. In der Berliner Zeitung fordert Götz Aly die Benennung einer Kreuzbeger Straße nach Moses Mendelssohn. Aber die Grünen sind dagegen. Die FAZ ärgert sich über die weiter versagende Elite der Politiker in Italien und erhofft sich auch nichts von Italiens Populisten.Und in der New York Review of Books verkündet Robert Darnton: Die National Digital Public Library of America steht vor der Eröffnung..

Temporäre Realitätsflucht in beide Richtungen

02.04.2013. In der Welt spricht der große Songwriter Stephen Stills über seine Schwerhörigkeit und über seine Ideen für Hörhilfen, die nicht barbarisch sind. In der FAZ empfiehlt Dominik Graf Fritz Umgelters Fernsehfünfteiler "Am grünen Strand der Spree" von 1960. Die taz begeistert sich für die Punk-Künstlerin Linder. Die FAZ berichtet außerdem über den Kauf der Social-Reading-Plattform Goodreads durch Amazon. Auf der Seite wasjournalistenverdienen erzählen sich Journalisten, wie sie von Medien bezahlt werden. Spiegel Online erinnert an die Sympathien westlicher Intellektueller für Pol Pot.