Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

September 2013

Die Glätte des kostbaren Holzes

30.09.2013. Wer sich mit Buzzfeed befasst, stellt sich plötzlich ganz neue Fragen über die Zukunft des Journalismus, meint Karsten Lohmeyer auf lousypennies. Der Blogger thorstena analysiert die Wahlniederlage der "Netzgemeinde". Die amerikanischen Blogger reiben sich nach dem endgültigen Ende von "Breaking Bad" die Augen. Die NYTimes bringt neue NSA-Enthüllungen. In der NZZ erzählt Lizzie Doron, wo man außer neurotisch auch noch paranoid werden kann. In der taz ehrt Tahar Ben Jelloun den ghanaischen Autor Kofi Awoonor, der bei dem Terroranschlag in Nairobi ums Leben kam. Die FAZ feiert eine Berliner Ausstellung über Warlam Schalamow.

Das Glück der Entdeckung

28.09.2013. Im Guardian erklärt die Reporterlegende Seymour Hersh, was wir Edward Snowden  zu verdanken haben. In der Welt verrät Lech Walesa, was er von Politikern hält: "Das sind alles Langweiler." Außerdem schreibt der brasilianische Schriftsteller Paulo Scott über die Missstände in seinem Land. Die NZZ Diderot und Verdi. Die FAZ taumelt trunken vor Glück durch das Metropolitan Museum in New York. Und Die SZ sucht im deutschen Fernsehen die Gegenwart, findet aber nur eine regionale Wasserleiche.

Tendenz zur Grenzüberschreitung

27.09.2013. "Handwerk. Doubletake. Pause": Im Tagesspiegel erinnert sich Bruno Ganz an seinen Freund, den Schauspieler, Komiker und neugierigen Melancholiker Otto Sander. Die SZ berichtet vom hartnäckigen Kampf des Regisseurs Mohammad Rasoulof, dem iranischen Regime ein Minimum an Zivilität abzuringen. In einer Spezial-taz berichtet Exil-Autoren vom Leben im Krokodilpark. Die NZZ erkundet die Spiritualität der abstrakten Malerei.  Die FAZ erlebt bei der Istanbuler Biennale die Alchemie einer Stadt.

Ich lese und werde gelesen

26.09.2013. In der FAZ  will Frank Schirrmacher die SPD wachrütteln, die die kommende industrielle Revolution zu verschlafen droht. In der NZZ beobachtet Otto Kallscheuer, wie sich Papst Franziskus von der Dogmatik zur Pragmatik wendet. Die Welt erschauert vor den einstigen Planungsfantasien deutscher Architekten. In der SZ fragt der vom Verfassungsschutz unerlaubt observierte Journalist Ronny Blaschke, warum er sich jetzt eigentlich rechtfertigen muss. Die Zeit zeigt am Beispiel Brasiliens, was eine Regierung gegen die flächendeckende NSA-Überwachung tun kann.

Alles, was falsch sein soll, ist wahr

25.09.2013. Die Welt veröffentlicht den offenen Brief von Pussy-Riot-Mitglied Nadeschda Tolokonnikowa über die Zustände in ihrem mordwinischen Straflager. Die Pianistin Kimiko Ishizaka möchte Johann Sebastian Bach aus den Fängen des Urheberrechts befreien, meldet MuseScore. Der Jurist Christoph Möllers verspricht sich in der SZ von einer Minderheitenregierung eine neue Debattenkultur. Die taz attestiert der linken Politik intellektuelle Hasenfüßigkeit. Und Gerhart Baum geißelt in der FAZ den Gleichmut, mit dem Bürger und Politik auf den Überwachungsskandal reagieren. Auch Sascha Lobo kann's kaum fassen.

Die Motzkis der Republik

24.09.2013. Die NZZ berichtet über die aufkommende syrische Untergrundpresse. In der Welt macht der israelische Schriftsteller Eli Amir keine großen Hoffnungen auf einen baldigen Frieden mit den Palästinensern. Auch wenn die FDP daran gescheitert ist, findet die taz die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr zeitgemäß. Gudrun Krämer erläutert in der FR die Vorbehalte der islamischen Welt gegen den Säkularismus. In der FAZ spricht Christopher Clark über den Alptraum, der ins 20. Jahrhundert führt.

Mit heruntergelassener Hose durchs Dorf

23.09.2013. In der NZZ fürchtet sich Javier Marías vor der Rache der spanischen Regierung an den Kulturschaffenden. Die FAZ vergewissert sich beim Filmfestival in Toronto der Wirkmächtigkeit des Films. Dem Chaos Computer Club genügt das Foto eines Fingerabdrucks zum Knacken des neuen iPhones. Die Welt gedenkt Theodor Wolffs und seiner opportunistischen Kollegen. Und die taz fühlt sich mit dem gestrigen Wahlergebnis endgültig in der Demokratie light angekommen.

Die Statistiken sagen natürlich etwas anderes

21.09.2013. Im Wahlkampf offenbart sich unser Versagen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, diagnostiziert die FAZ. Den Chilenen haben für solche Fälle die Literatur, berichtet der Schriftsteller Antonio Skármeta der NZZ. Die SZ bejubelt die Rückkehr von James Salter unter die Romanautoren. In den falschen Händen könnte die Überwachungstechnologie der NSA großen Schaden anrichten, befürchtet Friedrich Schorlemmer ebenda. Agnes Szabó bittet in der taz, Europa möge seinen verlorenen Sohn Ungarn umgarnen.

Wer das Lied der Transparenz singt

20.09.2013. In der wahlkampftaktisch geführten Debatte über Pädophile bei den frühen Grünen wird Kindesmissbrauch missbraucht, ärgert sich die SZ. Die FAZ holt prominente Stimmen zum Tod Marcel Reich-Ranickis ein. In der NZZ appelliert der Medientheoretiker Roberto Simanowski an die moralische Pflicht zum Verbergen persönlicher Daten. Die taz widmet sich Karikaturen. Und die Welt würdigt den vor 150 Jahren gestorbenen Jacob Grimm als EU-tauglichen Nationalisten.

Abwehr - Angriff - zack!

19.09.2013. Große Trauer allenthalben über den Tod Marcel Reich-Ranickis. Die SZ hebt sein komödiantisches Talent hervor und beleuchtet das schwierige Verhältnis Polens zu Reich-Ranicki. Selbst seinen Opfern wird er fehlen, glaubt die FAZ, denn von MRR verrissen zu werden, war ein Beweis für Relevanz. In der Zeit plädiert Nora Bossong dafür, Parlamente weiterhin durch Wahlen und nicht durch Würfeln zu bestimmen. In der Pädophiliedebatte stellt die taz fest: die frühen Grünen rekrutierten sich nun mal an den Rändern der Gesellschaft.

Zart bleibt alles, fein, behutsam

18.09.2013. In der FR erklärt Juli Zeh, warum sie heute der Kanzlerin 65.000 Unterschriften gegen die NSA-Bespitzelung überreicht. Die Welt amüsiert sich über den CSU-Mann Alexander Dobrindt, der die Schwulen offenbar nur aus Show angreift. Und die Welt begreift sich als Teil dieser Show, analysiert das Nollendorfblog. In der taz erzählt Silke Burmester, wie Matthias Matussek ihr den Gerichtsvollzieher auf den Hals hetzte. In der NZZ unternimmt Cejana Di Guimarães einen Streifzug durch das literarische Brasilien. In der FAZ freuen sich griechische Unternehmer über die neue "Kultur des Gebens" im Land. The New Republic feiert den neuen Coetzee.

Konzeptgestützte Kulturarbeit

17.09.2013. In der Welt rechnet Zafer Senocak hart mit der Regierung Erdogan ab. Der Guardian informiert über die neue Niqab-Debatte im Vereinigten Königreich. Die taz erklärt, wie die Biennale Istanbul zum Indoor-Kammerspiel wurde. Der Tagesspiegel erzählt das Drama des begabten Kindes von Alice Miller. In der FAZ feiert Evgeny Morozov Thomas Pynchons neuen Roman "Bleeding Edge". Die FAZ erzählt auch, wie die Nazis Berlins Mitte radierten. Und die SZ freut sich auf den Neu-Münchner Matthias Lilienthal.

Picard spielen

16.09.2013. Die Welt stellt neue Zeichensysteme aus Japan vor. In der taz kommt die Sprachlosigkeit der Grünen in der Pädophilie-Debatte nun doch zur Sprache. Laut FAZ enthüllt die Pinakothek der Moderne, woher die Abstraktion in der Kunst wirklich kommt: von den Teppichen aus dem Orient. Foreign Policy erzählt, wie NSA-General Keith Alexander die Politiker von ihrer Relevanz überzeugt. Und im Guardian sucht sich Jonathan Franzen ausgerechnet Karl Kraus als Mentor für seine Modernekritik.

Kopfüber auf schwarze Limousinen montiert

14.09.2013. Auch bei der SPD gab's Ende der Sechziger hässliche pädophile Verstrickungen, enthüllt die taz.  Wer ist hier eigentlich der Souverän, die Geheimdienste? So die Frage der SZ nach neuen Enthüllungen über die internationale Kooperation von NSA und Verfassungsschutz. Der Blobfish ist nicht so hässlich, wie er aussieht, berichtet das Blog des Smithsonian. Für die NZZ schreibt Michael Krüger über den neuen "Heimat"-Film von Edgar Reitz. Die Welt mag sich mit dem Burkini nicht abfinden.

So verstörend tief

13.09.2013. Alle Zeitungen trauern um Otto Sander. Ihm gelang es, noch das Berlinische zu sublimieren, meint die Welt, und zwar mit "Sternschnuppenleichtigkeit", findet die FAZ. Geht mit dem Roaming auch gleich die Netzneutralität drauf, fragt zeit.de. Die Parteien lockern im Wahlkampf ihre Auffassung vom Urheberrecht, beobachtet Netzpolitik. Design wird ausgerechnet in Designmuseen falsch präsentiert, meint der V&A-Kurator Kieran Long in Dezeen. Die NZZ kritisiert die Luxuswahlverweigerer Peter Sloterdijk und Harald Welzer.

Floskelproduktion

12.09.2013. In der Zeit äußert sich Imre Kertész bitter über das "Erinnerungsbusiness": "Ich habe den Literaturnobelpreis nur bekommen, weil man die Literatur des Zeugentums preisen wollte." Und Eugen Ruge bekundet sein Missfallen an der repräsentativen Demokratie. In der taz erzählt Filmemacher Arnaud des Pallières ("Michael Kohlhaas"), wie ein Pferde-Casting funktioniert. Die Welt porträtiert den Psychiater und Bestsellerautor Boris Cyrulnik. Die FAZ lässt sich von einem Spezialisten erzählen, wie Überwachung am besten funktioniert: als vorauseilende Selbstüberwachung. Zwiespältig wird die Shortlist für den Buchpreis kommentiert.

Das vorläufige Wahnkrönchen

11.09.2013. Die taz ist stolz wie Bolle auf ein Interview mit Philipp Rösler, bei dem sie am Ende nur ihre Fragen zu seinem asiatischen Aussehen publizierte, andere (inklusive vieler taz-Leser) finden es rassistisch. Thomas Knüwer und Cordt Schnibben streiten über die Frage, ob eine Zeitung als App kommen kann. Die taz staunt außerdem über den heiligen Ernst des J.M. Coetzee. Die FAZ porträtiert den chinesischen Milliardär Huang Nubo. Alle Zeitungen berichten über den neuen Stand bei Suhrkamp.

Ein geordnetes Zeitungspaket

10.09.2013. Die NZZ steht baff vor Redakteursschreibtischen und moralischen Dilemmata in literarisch relevanten Computerspielen. Google und Facebook versuchen zaghaft, die amerikanische Regierung zu mehr Datenschutz (wenn auch nur für Amerikaner) zu überreden, aber die Regierung macht nicht mit, meldet Spiegel Online. Die Welt hat keine Angst vor Jazzsänger Gregory Porter, wohl aber die FAZ vor neumodischem deutschen Autodesign. Die SZ erklärt, warum gerade die westlich gesinnten Syrer gegen einen Militärschlag der Amerikaner sind.

Kulturell tief verankert

09.09.2013. Die Zeitungen sind nur mäßig zufrieden mit dem diesjährigen Festival von Venedig. In der NZZ fragt der Philosoph Konrad Paul Liessmann, warum die Idee der Revolution verblasst. In der Welt fürchtet sich der Militärhistoriker Martin van Creveld vor den Folgen eines Eingreifens in Syrien. In der FAZ fragt Frank Rieger, ob die Bevölkerung nicht insgeheim von einem digitalen Gott träumt, "der ein wachsames und allsehendes Auge auf die Welt hat".

Man wusch sich den Hals und die Ohren

07.09.2013. In der FAZ verzweifelt Juli Zeh über die grassierende Selbstentmachtung von Politik und Gesellschaft beim Thema Überwachung. Für die taz ist klar: In einem Überwachungsstaat ist keine Demokratie mehr möglich. Die SZ findet nicht den Wahlkampf langweilig, sondern die lustlose Berichterstattung. Die FR besucht den C.H. Beck Verlag in München. Und in der NZZ fordert die Autorin Samar Yazbek Hilfe für die syrische Bevölkerung in ihrem Kampf gegen zehnköpfige Hydra.

Personen, die als gefährlich gelten

06.09.2013. Verschlüsseln hilft nix. Die NSA knackt noch den letzten Code. Edward Snowden veröffentlicht neue Papiere, mehrere Medien berichten. Der Guardian will die Hoffnung nicht aufgeben: Da sind ja noch GPG, Silent Circle, Tails, OTR, TrueCrypt, BleachBit. Der Goethe-Präsident Klaus-Dieter Lehmann rät im Tagesspiegel lieber gleich zur realen Begegnung. Zum Beispiel auf der Demo, morgen? In der Zukunft der Welt spielt Überwachung keine Rolle: sie ist durchweg rosig. Die taz stellt den Dokumentarfilmer Wang Bing vor, der in Venedig einen Film über eine psychiatrische Anstalt in China präsentierte. Und der Ärger beim Spiegel ist nicht ausgestanden.

Die Lage ist nicht nur schlecht

05.09.2013. Kenan Malik plädiert in seinem Blog gegen eine militärische Sanktionierung der syrischen Giftgasmassaker an der Zivilbevölkerung. Die NZZ schildert die aussichtslose Lage der Frauen in Syrien. In der SZ wehrt sich Taiye Selasi gegen die Idee einer afrikanischen Literatur. In der FAZ erklärt Ulrich Beck, was wir fortan unter Kosmopolitisierung zu verstehen haben. In der Welt fürchtet der Historiker Dominik Geppert, dass der Euro Europa platzen lässt. Die Berliner Zeitung fragt: Was wird aus den Dahlemer Museen?

Voraussichtlich in der Tat präventiv

04.09.2013. In der taz erzählt Haifaa al-Mansour, die erste Regisseurin Saudi-Arabiens, wie schwierig es für sie war, "Das Mädchen Wadjda" zu drehen. Die NZZ zählt Amos Gitais neuen Film "Ana Arabia" zu den Favoriten von Venedig. Die SZ klärt die Voraussetzungen, um in Syrien nicht einzugreifen. Torrentfreak schildert Stadien der Illegalität: Erst ist die Kopie illegal, dann der Link zum Dienst, der die Kopie erlaubt, dann der Link zum Link... Im Guardian klärt Slavoj Zizek mit Kant über den NSA-Skandal auf. Und Joey Ramone singt John Cage.

Kvatch!

03.09.2013. Die NZZ will sich von akademischen Weltverbesserungsmaschinen nichts einreden lassen. Die taz feiert das kleine, räudige und überdies in Venedig präsentierte Kino des Bret Easton Ellis  und Paul Schrader. Im Börsenblatt bekennt Suhrkamp-Miteigner Hans Barlach seine Sympathie für das Kaufinteresse von dtv. 3quarksdaily plädiert für die Aufnahme des Wortes "Quatsch" ins Englische. In der SZ verdreht Jazz-Avantgardist Peter Brötzmann die Augen über die heutige Jugend.

Eklatantes Gespür für Farbwirkung

02.09.2013. Wie kommt es nur, dass immer mehr und immer schönere Bibliotheken entstehen, und warum sind sie immer voller, fragt der Guardian am Beispiel Birminghams. In der NZZ spricht der Ägyptologe Cornelius von Pilgrim  über Grabraub und Entdeckungen von Gräbern durch Plünderer. Der taz geht's ganz schön schlecht, meldet das Hamburger Abendblatt. Gegen die Kontamination der deutschen Geschichte hilft kein Shampoo, möglicherweise aber der Suhrkamp Verlag, meint die Welt. In der FAZ hadert der Salzburger Festivalleiter Alexander Pereira mit seinem Schicksal.