Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
07.12.2004. Das New York Times Magazine beobachtet Gerard Mortier beim Drei-Wege-Schach. Im Espresso rühmt Oliver Sacks das Gehirn der Alten. In Le Point erzählt Simon Leys, wie ihn die Liebe zu China zum Anti-Maoisten machte. In Folio erklärt uns Peter Brugger, warum auch geduldiges Kratzen hinterm Ohr zu Regen führt. Die New York Review of Books stellt die Firma vor, die acht mal mehr Umsatz macht als Microsoft. In der Gazeta Wyborcza ärgert sich Marcin Bosacki über ignorante Westler, die den Freiheitsdrang der Ukrainer am liebsten ignorieren würden. Im New Yorker schildert Woody Allen den Auftritt von Mickey Mouse beim Prozess Eisner vs. Disney.
New York Times (USA), 05.12.2004
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Weitere Artikel: Cathryn Jakobson Ramin erzählt von ihrem Selbstversuch mit Adderall (mehr), ein Medikament, das alternden Amerikanern hilft, ein Gedächtnis wie ein Zwanzigjähriger zu haben. Matt Bai unterhält sich mit dem altgedienten demokratischen Abgeordneten Richard Gephardt, der sich einen iPod zulegen und die präsidentiellen Wahlmänner abschaffen will. Und Hiroshi Sugimoto hat seltsam schöne Objekte fotografiert, mit denen deutschen Studenten um die Jahrhundertwende Trigonometrie nahegebracht wurde.
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"Ich kenne den französischen Antiamerikanismus sehr gut, weil ich ihn tausend Mal bekämpft habe", schreibt Bernard-Henri Levy. Nun musste er erkennen, dass es auch amerikanische Frankophobie gibt. Offenbart hat ihm dies "Our Oldest Enemy: A History of America"s Disastrous Relationship With France" von John J. Miller und Mark Molesky. "Das ganze Buch ist eine verrückte Anklage (deren einziges Äquivalent die faschistische französische Literatur der Dreißiger ist) gegen eine diabolische Nation, die Verkörperung des Bösen, dem Körper und der Seele seiner Bewohner das Stigmata eines kranken Willens aufdrückend, der durch die Jahrhunderte nur das eine Ziel hatte: Die Erniedrigung von America the great." (Hier eine Leseprobe aus dem Buch.)
Dabei haben die Amerikaner Frankreich einmal geliebt - einige tun es sogar heute noch: Wenn Charles A. Riley II. nicht gerade die Fakten durcheinander bringt, schafft es seine Geschichte des "Jazz Age in France" durchaus, die Eleganz und den Esprit der 20er Jahre, der Fitzgeralds und Murphys, wieder aufleben zu lassen, lobt Nicholas Fox Weber.
Weiteres: Neil Gaiman ist hingerissen von einer Ausgabe mit Märchen der Brüder Grimm ("grimmer than you thought"), die Maria Tatar zum Teil neu übersetzt und mit Anmerkungen versehen herausgebracht hat. Vor allem die Ursprungsfassungen haben es ihm angetan: "In der ersten Ausgabe fragt Rapunzel die Zauberin nach den Besuchen des Prinzen, warum ihr Bauch dicker wird." Wie sehr sie den Paten Michael Corleone vermisst hat, merkt Sarah Vowell beim Genuss von Mike Winegardners "feiner, wirbelnder" Fortsetzung der Mafia-Familiensaga "The Godfather Returns". Und Computer-Guru David Gelernter (mehr hier und hier) feiert Charles Nicholls "gescheites wie brillantes" Porträt von Leonardi da Vinci.
Outlook India (Indien), 13.12.2004
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So auch in "Swades", dem neuen Film des "Lagaan"-Regisseurs Ashutosh Gawuriker, den Namrata Joshi vorstellt: Superstar Shahrukh Khan (mehr) spielt darin einen NASA-Wissenschaftler, der in Indien nach seinem Kindermädchen sucht und in einem Dorf im Norden sein persönliches "vergessenes Indien" wiederfindet. "Überwältigt von den dortigen Problemen, entscheidet er sich, zu bleiben und etwas zu verändern. In einem von Dogmen regierten Dorf überwindet er die Kastentrennung, trägt zur Lösung von Energie- und Wasserproblemen bei und rettet die örtliche Schule vor der drohenden Schließung. Er bringt die Dorfbewohner dazu, eine Bewegung zur dörflichen Selbstverwaltung auf die Beine zu stellen. Ein Willkommen für die New-Age- NRI-NGO: trendy, aber bescheiden, jet-setting, aber verwurzelt!"
Weitere Artikel: Mit der Verhaftung des hochstehenden Hindu-Mönchs Jayendra Saraswati haben die indischen Behörden offensichtlich einen Erdrutsch an weiteren Offenbarungen über Saraswati und einige seiner engen Mitarbeiter ausgelöst - zum Verdacht des Mordes am früheren Manager von Saraswatis Tempels kommen offensichtlich weitere Fälle von Mord, versuchter Mord und Kindesmissbrauch, berichtet S. Anand in der Titelgeschichte. Maria Cuoto kann die Neuauflage von Manohar Malgonkars Coffee-Table-Klassiker "Inside Goa" höchsten wegen der Illustrationen von Mario Miranda empfehlen. Und Shashi Deshpande gratuliert Anita Desai (mehr) dazu, in ihrem neuen Roman "The Zigzag Way" nicht länger am Schauplatz Indien festzuhalten, wie es so viele im Ausland lebende Autoren ewig und drei Tage tun.
New York Review of Books (USA), 16.12.2004
Simon Head geht dem Erfolg der Supermarktkette Wal-Mart nach, die, gemessen am Umsatz, inzwischen das größte Unternehmen der Welt ist: "Mit 1,4 Millionen Beschäftigten weltweit ist die Belegschaft von Wal-Mart inzwischen größer als die von GM, Ford, GE und IBM zusammen. Mit 258 Milliarden Dollar macht der Jahresumsatz von Wal-Mart zwei Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts aus und ist acht Mal so hoch wie der von Microsoft." Die Geheimnisse des Erfolgs: keine Scheu vor unattraktiven Kleinstädten, arme Frauen als Zielgruppe und natürlich die unübertroffene Strategie, Mitarbeiter auszupressen und zu kujonieren: "Zur Disziplinierung der Belegschaft können sich die Wal-Mart-Manager aus einem ganzen Strafkatalog bedienen: Es gibt schriftliche Maßregelungen in Form der Blauen Briefen, mündliche Maßregelungen in Form des Coachings und die Tage der Entscheidung, an denen die Mitarbeiter erklären müssen, warum sie nicht gefeuert werden sollten."
Weitere Artikel: Thomas Powers beschreibt, wie sich die CIA zu einem operativen Arm des Weißen Hauses entwickelt hat, meint aber, sie könne immer noch wichtige Hinweise geben: "Wir können sagen, dass die CIA ähnlich nützlich ist wie der Kanarienvogel in der Kohlemine: Wenn sie Zeichen von Stress zeigt, wissen wir, dass etwas nicht stimmt." Michael Massing gibt die Schuld an George Bushs Wahlsieg den schönfarberischen Irak-Berichten im amerikanischen Fernsehen. Chris Hedges bedauert, dass in den neuen Büchern über den Irak, etwa in Evan Wrights "Generation Kill" oder Jon Lee Andersons "The Fall of Baghdad", nichts darüber steht, wie pathologisch und wie letztendlich verloren dieser Krieg sei.
Einem Streitfall widmet sich die Schriftstellerin Alison Lurie in einem Essay: Jean de Brunhoffs Kinderbuchlegende Babar, dem Elefantenvater, den die einen als gutmütigen Monarchen mit hervorragenden Manieren preisen, und den die anderen als Rassisten und Kolonialisten bei lebendigem Leibe verbrennen möchten.
Weitere Artikel: Thomas Powers beschreibt, wie sich die CIA zu einem operativen Arm des Weißen Hauses entwickelt hat, meint aber, sie könne immer noch wichtige Hinweise geben: "Wir können sagen, dass die CIA ähnlich nützlich ist wie der Kanarienvogel in der Kohlemine: Wenn sie Zeichen von Stress zeigt, wissen wir, dass etwas nicht stimmt." Michael Massing gibt die Schuld an George Bushs Wahlsieg den schönfarberischen Irak-Berichten im amerikanischen Fernsehen. Chris Hedges bedauert, dass in den neuen Büchern über den Irak, etwa in Evan Wrights "Generation Kill" oder Jon Lee Andersons "The Fall of Baghdad", nichts darüber steht, wie pathologisch und wie letztendlich verloren dieser Krieg sei.
Einem Streitfall widmet sich die Schriftstellerin Alison Lurie in einem Essay: Jean de Brunhoffs Kinderbuchlegende Babar, dem Elefantenvater, den die einen als gutmütigen Monarchen mit hervorragenden Manieren preisen, und den die anderen als Rassisten und Kolonialisten bei lebendigem Leibe verbrennen möchten.
Espresso (Italien), 09.12.2004
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Moses Naim, Chefredakteur der Zeitschrift Foreign Policy, sieht in einem Kommentar schwarz für China, wenn nicht bald wirtschaftliche und finanzielle Kurskorrekturen eingeleitet werden. "Jede Nation, die in den Neunziger in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte, behauptete - wie die derzeitigen chinesischen Führer - dass die Befindlichkeiten und die Situation des eigenen Landes einzigartig seien. Trotz der Differenzen aber folgen alle Länder, die einen finanziellen Zusammenbruch beklagen, dem gleichen Schema: erst meinen sie, ihre Wirtschaft nicht mit schmerzhaften Regulierungen belasten zu müssen; dann, nachdem sie die Notwendigkeit dieser Korrekturen akzeptiert haben, schieben sie sie so lange hinaus, bis es zu spät ist."
Leider nur im Print: ein Gespräch mit dem Islamforscher Mohammed Arkoun (eine Laudatio hier, sein deutsches Buch hier) über einen Ausweg aus dem Grabenkrieg zwischen Orient und Okzident, ein Interview mit der "donna del belcanto" Daniela Barcellona, die in der Scala singt, ein Bericht über die parteipolitischen Bestrebungen der Muslimbrüderschaft in Ägypten und eine Reportage über den Drogenschmuggel in Neapel.
Point (Frankreich), 06.12.2004
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Im Literaturteil stellt Le Point die fünfzehn besten Bücher des Jahres vor (darunter Philip Roths "The Dying Animal", Amelie Nothombs "Biographie de la faim" und Art Spiegelmans "In the Shadow of No Towers"). Und Sarah Weisz meldet mit einiger Sympathie den überraschenden Erfolg von "Kiffe kiffe demain", dem Roman der 19-jährigen Schülerin Faiza Guene über das Leben in der Banlieue.
Folio (Schweiz), 06.12.2004
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Margrit Sprecher betrachtet den selbstverschuldeten Niedergang der Parapsychologie, die in Freiburg eine Art Hochburg hat. Dort sitzt das "Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene", das jüngst eine Untersuchung zum Phänomen Telepathie durchgeführt hat, deren Resultat - es ist "vielleicht" möglich - als Sieg gefeiert und in Sonderdrucken geehrt wird. Außerdem wirkt im Breisgau der parapsychologische Berater Walter von Lucadou, der gerade in Krisenzeiten viel zu tun hat: "Besonders gern plagen die Geister Arbeitslose und Einsame, Sorgen- und Problembeladene. Teenager sind ihnen lieber als Senioren, Frauen ziehen sie Männern vor und Katholiken den Protestanten."
Weitere Artikel: James Hamilton-Paterson, Mitglied der Royal Geographical Society, erklärt, was Wissen dem Glauben voraushat - und was nicht. Andreas Heller widmet sich dem biodynamischen Weinbau. George Szpiro schreibt über das Phänomen der Numerologie. In der Duftkolumne wagt Luca Turin die wahnwitzige Prophezeiung: "Würzige Duftnoten werden bald eine Renaissance erleben und die Welt zurückerobern". Und Andreas Heller singt ein Hohelied auf den Metzgermeister Fritz Schiesser und seine "Churer Beinwurst, dieses archaische Meisterwerk der rätischen Fleischerzunft. Drall wie ein Rugbyball ist die Beinwurst, prall gefüllt mit ausgesuchten Fleischstücken vom Borstenvieh, aber auch mit heute verpönten Köstlichkeiten wie Schwänzchen, Öhrchen und Schnörrli."
Plus - Minus (Polen), 04.12.2004
Obwohl es viele polnische Politiker gerne so sehen möchten, "kann man die Situation in der Ukraine nicht mit der in Polen im August 1980 (Gründung der "Solidarnosc") oder im Juni 1989 (erste freie Wahlen) vergleichen", meint im Magazin der Rzeczpospolita der Mittel- und Osteuropa-Experte Klaus Bachmann. Juschtschenko und Janukowitsch kommen beide aus dem Machtapparat, das Drama (Bachmann interpretiert es als klassisches "Gesellschaftliches Drama") spiele sich daher innerhalb der politischen Elite ab. "Wir haben es hier nicht mit einer Revolution oder einem Umbruch zu tun, sondern lediglich mit einem Machtpoker, der hinter den Kulissen geführt wird, wobei sich beide Antagonisten der sozialen Mobilisierung bedienen. Das kann ein weiterer Schritt in Richtung Demokratisierung der Ukaine sein - muss es aber nicht."
Andrzej Stasiuk sieht das anders: "Es geschehen große Dinge im Osten", schwärmt der Schriftsteller. Er appelliert auch an das Gewissen Europas, denn "es ist ein einsamer Kampf", den die Ukrainer da ausfechten. "Wir in Polen kennen das aus eigener Erfahrung: Wenn man Russland als Nachbarn hat, ist der Mensch doppelt so einsam. Vielleicht ist deshalb unser früherer Präsident Lech Walesa nach Kiew geflogen, und sie haben ihn empfangen wie einen Garibaldi. Meines Erachtens sollten alle dorthin fliegen: Schröder, Blair, Chirac. Leider werden sie das nicht tun. Sie fliegen nur nach Moskau, weil 'Russland in den demokratischen Veränderungen in der ersten Reihe schreitet', wie es Frankreichs Präsident vor kurzem bewusst formuliert hat." Der Text erschien vor einer Woche auf der Internetseite von Stasiuks Verlag und in der Süddeutschen (da kostet er, hier die Zusammenfassung aus unserer Feuilletonrundschau).
Andrzej Stasiuk sieht das anders: "Es geschehen große Dinge im Osten", schwärmt der Schriftsteller. Er appelliert auch an das Gewissen Europas, denn "es ist ein einsamer Kampf", den die Ukrainer da ausfechten. "Wir in Polen kennen das aus eigener Erfahrung: Wenn man Russland als Nachbarn hat, ist der Mensch doppelt so einsam. Vielleicht ist deshalb unser früherer Präsident Lech Walesa nach Kiew geflogen, und sie haben ihn empfangen wie einen Garibaldi. Meines Erachtens sollten alle dorthin fliegen: Schröder, Blair, Chirac. Leider werden sie das nicht tun. Sie fliegen nur nach Moskau, weil 'Russland in den demokratischen Veränderungen in der ersten Reihe schreitet', wie es Frankreichs Präsident vor kurzem bewusst formuliert hat." Der Text erschien vor einer Woche auf der Internetseite von Stasiuks Verlag und in der Süddeutschen (da kostet er, hier die Zusammenfassung aus unserer Feuilletonrundschau).
Gazeta Wyborcza (Polen), 04.12.2004
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Economist (UK), 03.12.2004
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Zwar liegt die Kernaufgabe der UNO in der Prävention, doch muss die UNO angesichts der veränderten Weltsicherheitslage eine neue, angemessene Rechtsgrundlage zur Bewältigung von Konflikten finden, erklärt UN-Generalsekretär Kofi Annan und kommentiert den Bericht, den das von ihm einberufene Forum der Weisen jetzt vorgelegt hat. Dieser verzichte zwar auf eine Änderung des Artikels 51 der UN-Charta, formuliere jedoch fünf grundlegende Richtlinien, die der Situationseinschätzung und somit einem Einschreiten der UNO zugrundeliegen sollen.
Im Aufmacher erörtert der Economist die Frage, wie lange der Dollar seinen Status als weltweit anerkannte Reservewährung noch halten kann. Weiter wird ausführlich darauf eingegangen, inwiefern die amerikanische Währungspolitik zur Gefährdung des Dollars beiträgt.
Weitere Artikel: Der Economist liest Gabriel Garcia Marquez' neuen Roman "Memoria de mis Putas Tristes" als Plädoyer für das Alter und der Chance einer Neugeburt, die es bietet. Der Trubel um den britischen Innenminister David Blunkett hat sich nunmehr zu einem Drama Shakespeareschen Ausmaßes ausgeweitet, bemerkt der Economist. Was durchaus als Zeichen der Anerkennung zu werten ist - schließlich hat nicht jeder das nötige Format zur Shakespeare-Figur. Und schließlich berichtet der Economist, dass die "Voice-over-IP"-Technologie (sprich: Telefonieren übers Internet) kräftig am Sockel der internationalen Telefon-Riesen rüttelt.
Elet es Irodalom (Ungarn), 26.11.2004
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Die ungarischen Minderheiten in den Nachbarländern sympathisieren mit den konservativen Parteien Ungarns. Ihr Wahlrecht würde also die jetzige Opposition für mindestens zwei Legislaturperioden in die Regierung katapultieren. Das ließ die eigentliche Debatte in innenpolitische Machtkämpfe ausarten. Den Wählern blieb unklar, was die Chancen und Risiken ihrer Entscheidung sein würde, also worüber sie eigentlich abstimmen sollten. Der Volksentscheid war gestern denn auch ungültig, weil nicht genug Bürger abstimmten. Aber die Probleme der ungarischen Minderheiten stehen weiterhin auf den ersten Seiten der Medien, und sie waren und sind auch Thema der ukrainischen Präsidentschaftswahlkampagne sowie im Europa-Parlament. Wie das ausgegangen ist, berichten wir in der nächsten Magazinrundschau.
Weitere Artikel: György Konrad fragt in vielen schönen Fragmenten nach der "Wahrheit der Autobiografie" und geht dabei von zwei Thesen aus, nämlich "im autobiografischen Roman stimmt alles" und "im autobiografischen Roman stimmt nichts". Istvan Szabos neuer Film "Being Julia", eine Somerset-Maugham-Adaption mit Anette Bening und Jeremy Irons in den Hauptrollen, wird freundlich, aber entschieden verrissen.
Times Literary Supplement (UK), 03.12.2004
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M. John Harrison hat mit den neuen Wyoming-Geschichten von Annie Proulx, "Bad Dirt", nutzloses, aber interessantes und amüsantes Wissen angehäuft: "Wir lernen den Preis von Heu und dessen Transportkosten kennen ... Wir lernen, dass das Real Western Stories Magazin 1946 eine Anzeige enthielt für ein 'Gerät, das mittels Kurbeln sanfte Stromstöße durch den Körper schickte, und eine, so versprach die Werbung, sichere Förderung des Haarwuchses bewirkte.'"
Weiteres: Annette Kobak begrüßt die Wiederveröffentlichung der Memoiren der Comtesse de Boigne, die Proust zu der Figur der Marquise de Villeparisis inspiriert hat, und die "Bücher des Jahres" werden vorgestellt: Darunter Titel von Antonia S. Byatt, Nadine Gordimer, Muriel Spark, Richard Sennett und George Steiner.
Nepszabadsag (Ungarn), 04.12.2004
"Modellieren, Kausalitäten erkennen, Wahrscheinlichkeiten und Risiken einschätzen, planen, experimentieren und die Konsequenzen ins Modell einbauen zu können. Sie glauben bestimmt, das wäre hier der Semesterplan eines Philosophiekurses an der Universität. Nein, das ist die Liste der künftig benötigten Fähigkeiten, um das kleine Lebensmittelgeschäft an der Ecke effektiv betreiben zu können" - schreibt die junge Kunsthistorikerin und Essayistin Eszter Babarczy in der größten Tageszeitung Ungarns. Sie erklärt das digitale Planspiel zum Bildungsmedium der Zukunft. Planspiele können nämlich komplexe Syteme allgemein verständlich simulieren und das Konzept "handelnd lernen" umzusetzen. Als Beispiele erwähnt die Autorin ein für Jugendliche entworfenes Planspiel der UNO über internationale Konfliktlösungsstrategien und die Planspiele zur Modellierung eines Gesundheitssystems (Sim Health) oder ökologischer Systeme (SimEarth). "Ernsthafte Computerspiele" - "Entertaining Games with Non-Entertainment Goals" - haben inzwischen schon einen internationalen Verein, wie auch die "Computerspiele mit einer gesellschaftlichen Wirkung". Die ungarische Regierung stellte - zeitgleich mit den Debatten über das neue Haushaltsgesetz im Parlament - ein Spiel online, in dem man eingeladen wird, Finanzminister zu spielen und den ungarischen Staatshaushalt für 2005 nach Lust und Laune umzuschreiben. Man kann auch die Konsequenzen sowie Haushaltskorrekturen anderer Internetnutzer mitverfolgen.
New Yorker (USA), 13.12.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q19/A9444/ny.jpg)
"Würde der Zeuge bitte seinen Namen nennen?"
"Mickey Mouse."
"Bitte nennen Sie dem Gericht ihre Beschäftigung."
"Animierter Nager."(?.)
"Verstehe ich richtig, dass Herr Eisner mit ihrer Beziehung zu Duffy Duck nicht einverstanden war?"
"Wir stritten uns mehrmals deswegen."
Weiteres: Malcolm Gladwell untersucht das latente Problem mit der überschätzten Glaubwürdigkeit von Bildern. Gestärkt mit den Einsichten aus zwei neuen Büchern des englischen Historikernachwuchses erzählt Joan Acocella noch einmal die Geschichte der Kreuzzüge und überlegt, warum es sie überhaupt gab. Zu lesen gibt es Louise Erdrichs bitterschwarze Erzählung "Disaster Stamps of Pluto".
Besprochen werden unter anderem Keren Anns neues Album "Nolita" (Sasha Frere-Jones hat sogar bis in Anns Pariser Wohnung recherchiert), Mike Nichols Film "Closer" und Zhang Yimous Streifen "House of Flying Daggers" ("Wenn man bedenkt, dass Mei blind ist und aus Rosenblüten und Porzellan zu bestehen scheint, wirkt ihre extensive Mordlust eher überraschend", staunt Anthony Lane.).
Leider nur im Print zu lesen ist David Granns Reportage über den mysteriösen Tod des Sherlock-Holmes-Forschers Richard Lancelyn Green. Hier gibt Grann Lauren Poncaro immerhin eine kleine Einführung in den Fall.