Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
31.01.2006. Elet es Irodalom dokumentiert die Spitzelberichte, die Istvan Szabo als Student für die Staatssicherheit schrieb. In Nepszabadsag erklärt Szabo, er sei dankbar und nachträglich stolz auf seine Mitarbeit, weil er damit ein Leben gerettet habe. Der Spectator möchte Hitlers rotes Telefon lieber nicht anfassen. Das DU-Heft ist eine Hommage an Ang Lee und sein Kino. In Prospect fordert William Davies eine Ethik der Unbequemlichkeit. Für Przekroj kann allein Moskau den Iran am Bau einer Atombombe hindern. Im TLS erklärt der kanadische Komponist Stephen Brown, was Mozart und Sid Vicious gemeinsam haben. Die New York Times rechnet mit Bernard-Henri Levys Amerika-Buch ab.
Elet es Irodalom (Ungarn), 27.01.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q88/A12966/es.jpg)
Der Schriftsteller Rudolf Ungvary fragt sich, warum die Ungarn so uninteressiert sind an ihrer jüngsten Vergangenheit. "Es ist eigenartig, wie ein Teil der Bevölkerung darauf verzichtet, den Mechanismus der Staatssicherheit aufzuklären, obwohl gerade die Staatssicherheit die größte Demütigung für ungarische Staatsbürger bedeutete. Heute fühlen sich die Ungarn persönlich beleidigt, wenn ihr beliebter Fußball-Kommentator als ehemaliger Spitzel entlarvt wird, es stört sie aber nicht, dass kein Wort der Entschuldigung aus dem Munde der Denunzianten zu vernehmen ist. Dabei müsste als Folge der kommunistischen Vergangenheit auch vermittelt werden, wie gemein Spitzelei ist. Innere Emigration hat ohne das Bewusstsein einer moralischen Opposition keinen Wert."
Nepszabadsag (Ungarn), 30.01.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q89/A12967/nepsabdszag.jpg)
(Inzwischen hat Szabo in einem Radiointerview seine Begründung allerdings revidiert: Er habe sich selbst und sein Studium retten wolle, als er sich vom Geheimdienst anwerben ließ, nicht einen Freund, wie er zuerst erklärt hatte.)
Gestern stellten sich in Nepszabadsag etwa 100 Intellektuelle und Künstler hinter Szabo: "Istvan Szabo macht seit 45 Jahren wunderbare und wichtige Filme für uns und die ganze Welt. Mit unserer Unterschrift möchten wir unsere Verehrung bekunden, die weiterhin bestehen bleibt." Selbst einer der bespitzelten Kollegen, Miklos Jancso (über ihn schrieb Szabo für die Stasi: "er ist unsicher, wie seine Denkweise selbst... jeder hält ihn für verrückt... nichts wird von ihm erwartet, nicht mit ihm gerechnet, die zahlreichen chaotischen Philosophien in seinem Kopf sind aus diesem Grund harmlos...") meint zu Szabos Behauptung, er habe mit der Stasi zusammengearbeitet, um einen Mitstudenten zu schützen: "Wir haben es gewusst, und auch, dass man ihn irgendwie retten musste. Aber dass jemand die Rettung auf diese Weise in Angriff nahm, dass sich Istvan darauf einließ, ist schon großartig. Wie ist er damit die ganze Zeit lang fertig geworden?"
Spectator (UK), 28.01.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q62/A12971/spectator.jpg)
DU (Schweiz), 01.02.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q86/A12970/du.jpg)
Marli Feldvoß schreibt über Ang Lee als Martial-Arts-Regisseur. (Auch dieser Artikel kann online gelesen werden, er steht unter Seeßlens Text.) Außerdem gibt es ein Interview mit Ang Lee. Weitere Artikel kommen von Jeroen de Kloet, Pia Horlacher, Elisabeth Bronfen und Andreas Ungerböck.
Den schönsten Text hat Annie Proulx geschrieben, nach deren Erzählung Ang Lee seinen letzten Film "Brokeback Mountain" drehte: "Als ich den fertigen Film sah, war ich nicht vorbereitet auf seine Emotionalität, die mich traf wie ein Schlag. Die Figuren erstanden noch einmal in meiner Vorstellung, größer und kraftvoller denn je. Genau das also, was Schriftsteller nicht gern zugeben - in unserer Zeit kann ein Film kraftvoller sein als das geschriebene Wort. Ang Lee hätte, auch wenn er in Barrow oder Nowosibirsk geboren wäre, wahrscheinlich den gleichen Film gedreht. Er versteht Gefühle und hat keine Angst, sich auf gefährliches Terrain zu begeben. Ich war ganz durcheinander."
Outlook India (Indien), 06.02.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q15/A12960/outlook.jpg)
Weitere Artikel: Aruna Roy stellt ein Buch vor über die sogenannten economic hit men, hochbezahlte Leute, die weltweit Staaten um Trillionen von Dollar beschummeln, die Weltbank erleichtern und alles in die Hände riesiger Konzerne und einiger mächtiger Familien umleiten (Leseprobe). Und wir lesen über die Erwartungen an die am Wochenende eröffnete Weltbuchmesse in Delhi.
Prospect (UK), 01.02.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q22/A12958/prospect.jpg)
Weitere Artikel: Im Aufmacher beschäftigt sich Chakravarthi Ram-Prasad mit dem bedauerlicherweise tiefen Graben, der zwischen westlicher und östlicher Philosophie verläuft, und erörtert ausführlich, wie sich die westliche, die indische und die chinesische Philosophie-Traditionen zueinander verhalten - unter anderem, was das philosophische Selbstverständnis und die Kategorie der Person angeht. Mit unverhohlener Melancholie berichten Alexander Linklater und Robert Drummond über den Fall der 17-jährigen, mit seltener Schönheit gesegneten Nia, die an Schizophrenie erkrankte und durch medikamentöse Behandlung nicht von ihrer Pathologie befreit wurde, sondern nur ihre Schönheit einbüßte. Alastair Crooke erklärt, inwiefern der Aufstieg der palästinensischen Hamas zur wählbaren politischen Partei als gutes Omen für eine Einigung mit Israel zu werten ist. Als alter Fußballfan ist Simon Kuper ein bisschen enttäuscht, dass der langjährige Arsenal-Spieler Patrick Vieira in seiner Autobiografie ("Vieira: My Autobiography") kaum aus dem fußballtechnischen und -taktischen Nähkästchen plaudert. Und schließlich spricht Duncan Fallowell auf charmant-direkte Art mit dem Töpfer und Transvestiten Grayson Perry - über Männlichkeit, sexuelle Praktiken, Schuldgefühle und Englischsein.
Gazeta Wyborcza (Polen), 29.01.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q83/A12963/gazeta.jpg)
Die Analytiker und Politologen Piotr Buras und Tomasz Dabrowski begrüßen den neuen Stil in der deutschen Diplomatie. "Nach den Wahlen vom 18. September weht in der 'Berliner Republik' ein neuer Wind: die Zeit der charismatischen Persönlichkeiten und Ideologien sind vorbei, jetzt herrscht Ernsthaftigkeit und Pragmatismus. Auch in der Außenpolitik wird die Geschichte als Bezugspunkt immer mehr an Bedeutung verlieren, was in Polen eine gewisse Beunruhigung hervorrufen kann."
Das Magazin (Schweiz), 28.01.2006
Im Magazin, das zum Beispiel dem Zürcher Tages-Anzeiger am Wochenende beiliegt, untersucht Karl Wild die ganz besonderen Eingeborenen des weltbekannten Dörfchens Sankt Moritz: "Andere St. Moritzer haben auch ihre Milchkühe. Die manchmal auch Pferde sein können wie bei der Familie Conrad, die einst mit 350 Pferden das Saumtierwesen beherrschte. Heute ist die Martin Conrad AG die Nummer eins im Engadin im Bereich Transporte und Brennstoffe. Und Garagist Christian Mathis verkaufte jahrzehntelang Porsches, Audis und Range Rovers wie Mohrenköpfe. Den Ruf als bester Autoverkäufer der Welt erwarb er sich, als er Fiat-Chef Gianni Agnelli einen Audi quattro andrehte. Heute ruht er sich aus im Tessin."
Andere Texte, wie zum Beispiel das Porträt über den Spitzenkoch Fredy Girardet sind leider nicht online.
Andere Texte, wie zum Beispiel das Porträt über den Spitzenkoch Fredy Girardet sind leider nicht online.
Times Literary Supplement (UK), 27.01.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q23/A12946/tls.jpg)
Was haben Mozart und Sid Vicious gemeinsam, fragt der kanadische Komponist Stephen Brown. Seine Antwort: "Primitivismus. Rock'n'Roll begann als primitivistische Bewegung und erneuerte sich selbst immer wieder mit Mini-Primitivismen, von denen Punk nur ein Beispiel ist. Mozart als Primitivisten anzusehen, fällt vielleicht ein bisschen schwerer, schließlich wird sein Stil eher mit dem Zivilisierten und Rationalen identifiziert, Dinge, die wir eher mit dem Gegenteil des Primitiven assoziieren. Und doch verdankte die klassische Bewegung in der Musik - wie der Neoklassizismus in der Kunst - alles dem Verlangen danach, neu zu beginnen, alles Falsche und Unwesentliche abzustreifen. Ecrasez l'infame."
Tim Gardam annonciert den siebten Teil von Graham Stewarts offizieller Verlagsschrift "The History of the Times". Jeremy Treglown erinnert an Anthony Powells Zeit als Literaturkritiker bei der Times.
New Republic (USA), 06.02.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q27/A12956/leftnavcover.jpg)
Nouvel Observateur (Frankreich), 26.01.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q9/A12957/nouvelobs.jpg)
Al Ahram Weekly (Ägypten), 26.01.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q73/A12961/ahram.jpg)
Hala Halim war während der Buchmesse auf Podiumsveranstaltungen zum Thema Globalisierung. Hier mussten sich die Diskussionsteilnehmer vom Publikum öfter Elitismus vorwerfen lassen: "Ein junger Mann sagte, 'Sie sprechen über die Globalisierung der Regierenden, aber es gibt auch eine Globalisierung der Regierten. Das zeigten die Menschen, die auf der ganzen Welt gegen den Krieg im Irak protestierten, vielleicht ohne auch nur zu wissen, wo der Irak überhaupt liegt.'"
Weitere Artikel: Rania Khallaf berichtet über - teils heftig geführte - Diskussionsveranstaltungen zu Übersetzungen arabischer Literatur ins Deutsche während der Cairo International Book Fair. Einen Blick auf Kairos Clubszene wirft Serene Assir in einem Artikel. Obgleich Clubs wie das "Latex" oder das "Hard Rock" sehr wohl auch die üblichen westlichen Genres bedienten, schreibt sie, sei der Abräumer auf dem Tanzflur doch immer noch die eigene, die arabische Musik. Und ein Artikel informiert uns, was das zweite Festival des europäischen und des "unabhängigen" ägyptischen Films in Kairo zu bieten hat.
Przekroj (Polen), 26.01.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q116/A12962/przekroj.jpg)
Außerdem wird die außergewöhnliche Karriere des polnischen Außenministers und gebürtigen Franzosen Stefan Meller beschrieben - ehemaliger Botschafter in Moskau und Paris, in einem "früheren Leben" Mitglied der KP, Buchhalter einer Kosmetikfirma, Dichter, Dozent und schließlich Diplomat.
Espresso (Italien), 02.02.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A12953/espresso.jpg)
New Yorker (USA), 06.02.2006
In einem interessanten Bericht untersucht Malcolm Gladwell die Probleme des so genannten "Profiling" in der Polizeiarbeit. Gladwell wählt als Ausgangspunkt die Entscheidung, das Halten einiger Hunderassen, etwa von Pit Bulls, wegen ihrer Aggressivität zu verbieten, obwohl keineswegs jedes einzelne Tier gefährlich sein oder werden muss. Die Grundlage dieser Entscheidung sei eine "Generalisierung", die eine "oft unvermeidliche und gelegentlich erwünschte Dimension unsere lebensbestimmenden Entscheidungen" darstelle. "Der Prozess, sich vom Besonderen zum Allgemeinen zu bewegen, ist notwendig und gefährlich zugleich. Hinter jeder Generalisierung steckt die Wahl, welche Faktoren berücksichtigt werden und welche nicht, und diese Auswahl kann sich als verblüffend kompliziert erweisen." Was der Autor im Verlauf des Textes unter anderem anhand eines herrlich bizarren polizeilichen Beobachtungsprotokolls belegen kann.
Weitere Artikel: Alex Ross berichtet über die Entdeckung eines verschollenen Beethoven-Mansukripts im vergangenen Sommer bei Philadelphia. Zev Borow glossiert mit der fiktiven Abschrift eines Telefonats die Absicht des Weißen Hauses, die Handygespräche von "sehr bösen Menschen" aufzuzeichnen. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Deposition" von Tobias Wolff.
Rezensiert werden David Leavitts Biografie über Alan Turing und die Erfindung des Computers, "The Man Who Knew Too Much", und der neue Roman "The Good Life" (mehr) von Jay McInerney. Die Kurzbesprechungen widmen sich unter anderem Bernard-Henri Levys Buch über das zeitgenössische Amerika, "American Vertigo". Und Anthony Lane sah im Kino das Regiedebüt von Tommy Lee Jones "The Three Burials of Melquiades Estrada" ("Wenn er kein Fan von Sam Peckinpah ist, esse ich seinen Hut") und Lars von Triers Film "Manderlay", eine Fortsetzung von "Dogville" ("Ich bin glücklich, dass es ihn (von Trier) gibt, um unsere Sünden anzuprangern, noch glücklicher bin ich aber, dass er der einzige dieser Art ist.")
Nur in der Printausgabe: Berichte über Berater für junge Mütter in Louisiana, den Papst, den Krieg und die Frage der Vergebung, einen Amerikaner, der im englischen Manchester vermutlich Fußball spielt, sowie Lyrik von Julia Hartwig und Dorothea Tanning.
Weitere Artikel: Alex Ross berichtet über die Entdeckung eines verschollenen Beethoven-Mansukripts im vergangenen Sommer bei Philadelphia. Zev Borow glossiert mit der fiktiven Abschrift eines Telefonats die Absicht des Weißen Hauses, die Handygespräche von "sehr bösen Menschen" aufzuzeichnen. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Deposition" von Tobias Wolff.
Rezensiert werden David Leavitts Biografie über Alan Turing und die Erfindung des Computers, "The Man Who Knew Too Much", und der neue Roman "The Good Life" (mehr) von Jay McInerney. Die Kurzbesprechungen widmen sich unter anderem Bernard-Henri Levys Buch über das zeitgenössische Amerika, "American Vertigo". Und Anthony Lane sah im Kino das Regiedebüt von Tommy Lee Jones "The Three Burials of Melquiades Estrada" ("Wenn er kein Fan von Sam Peckinpah ist, esse ich seinen Hut") und Lars von Triers Film "Manderlay", eine Fortsetzung von "Dogville" ("Ich bin glücklich, dass es ihn (von Trier) gibt, um unsere Sünden anzuprangern, noch glücklicher bin ich aber, dass er der einzige dieser Art ist.")
Nur in der Printausgabe: Berichte über Berater für junge Mütter in Louisiana, den Papst, den Krieg und die Frage der Vergebung, einen Amerikaner, der im englischen Manchester vermutlich Fußball spielt, sowie Lyrik von Julia Hartwig und Dorothea Tanning.
Merkur (Deutschland), 01.02.2006
Karlheinz Bohrer untersucht, wie Heinrich Heine die Stadt Paris zum Sehnsuchtsort deutscher Dichter machte: "Heine machte Paris für alle nach ihm von der Stadt Inspirierten zum Projekt dadurch, indem er in seinen Berichten für die Augsburger Zeitung einen einzigen Gedanken hervorhob: dass die Große Revolution nicht zu Ende ist. Die emotionelle ästhetische Fliehkraft dabei war, dass diese Revolution als ein Ereignis, als ein Schicksalstag der Geschichte, als melancholisches Gestern und als emphatisches Morgen verstanden wurde."
Weiteres: In seiner Philosophiekolumne definiert Christoph Türcke Software als "konfigurierte elektrische Energie" und überlegt, ob dies nicht auch "die einzig illusionslose, präzise, wissenschaftlich haltbare Umschreibung dessen" ist, "was man früher Geist nannte". Christoph von Marschall fragt, wie viel Grau Europäer und Amerikaner an sich selbst und aneinander ertragen. Walter Klier preist die Bücher des Reporters Wolfgang Büscher, darunter "Berlin-Moskau" und Deutschland, eine Reise" als Beispiel für ein Schreiben nach den Ideologien: "Wir, Büscher und ich und alle nach etwa 1950 Geborenen sind die, die eigentlich als erste versuchen können, die Trümmer zusammen zu klauben und uns einen Reim darauf zu machen."
Jeremy Adler erinnert daran, dass die naturwissenschaftliche Bildung einmal die Grundlage moderner Literatur war. Peter Horst Neumann erkennt in Friedrich Rückerts Neigung "zu schönem Gleichklang, wortspielerischen Wiederholgungen und delikaten Redundanzen" die klingende Oberfläche seiner "melancholischen Grunddisposition". Volker Gerhardt fürchtet "Wahrheitverlust durch Wahrheitstheorien".
Schließlich sind die acht besten Einsendungen des Essaywettbewerbs zu lesen, bei dem es unter anderem um den Einfluss der Bildzeitung und den EU-Beitritt der Türkei ging.
Weiteres: In seiner Philosophiekolumne definiert Christoph Türcke Software als "konfigurierte elektrische Energie" und überlegt, ob dies nicht auch "die einzig illusionslose, präzise, wissenschaftlich haltbare Umschreibung dessen" ist, "was man früher Geist nannte". Christoph von Marschall fragt, wie viel Grau Europäer und Amerikaner an sich selbst und aneinander ertragen. Walter Klier preist die Bücher des Reporters Wolfgang Büscher, darunter "Berlin-Moskau" und Deutschland, eine Reise" als Beispiel für ein Schreiben nach den Ideologien: "Wir, Büscher und ich und alle nach etwa 1950 Geborenen sind die, die eigentlich als erste versuchen können, die Trümmer zusammen zu klauben und uns einen Reim darauf zu machen."
Jeremy Adler erinnert daran, dass die naturwissenschaftliche Bildung einmal die Grundlage moderner Literatur war. Peter Horst Neumann erkennt in Friedrich Rückerts Neigung "zu schönem Gleichklang, wortspielerischen Wiederholgungen und delikaten Redundanzen" die klingende Oberfläche seiner "melancholischen Grunddisposition". Volker Gerhardt fürchtet "Wahrheitverlust durch Wahrheitstheorien".
Schließlich sind die acht besten Einsendungen des Essaywettbewerbs zu lesen, bei dem es unter anderem um den Einfluss der Bildzeitung und den EU-Beitritt der Türkei ging.
New York Times (USA), 30.01.2006
"Eine Art Buch" des französischen Vorzeigeintellektuellen Bernard-Henri Levy annonciert uns Garrison Keillor (Leseprobe "American Vertigo"). Wutschäumend, muss man sagen. Denn was Levy, ursprünglich im Auftrag von Atlantic Monthly, da auf gut 300 Seiten "zusammengestoppelt" hat, untertitelt als "Unterwegs in Amerika auf den Spuren Tocquevilles", bietet für den Rezensenten gerade genug Originalität, um noch die allerdümmsten unter Europäern kursierenden Klischees über die Staaten zu bestätigen. Für einen Amerikaner aber scheint der Wiederkennungswert der journalistischen Miniaturen derart gering, dass Keillor vermutet, es handelt sich hier gar nicht um die USA und seine Menschen: "Kann sein, dies ist ein Buch über Franzosen."
Außerdem in der Review: Zwei neu erschienene Aufsatzsammlungen zur Folter, die Lance Morrow ein bisschen zu tendenziös findet: "Die Position der Rechten hat nur Schein-Befürworter. Insgesamt tendieren die Beiträge beider Bücher zur Frömmelei: Folter = böse, ich = gut." Das uns wärmstens empfohlene Romandebüt der gebürtigen Moskowiterin Olga Grushin, in dem ein russischer Künstler seine Ideale an das System verrät und damit im Tauwetter von Glasnost baden geht. Und Biografien: Über Ronald Reagan (Leseprobe "Triumph der Vorstellungskraft"), über den elisabethanischen Dichter und Dramatiker Christopher Marlowe sowie über den 1989 verstorbenen Independent-Regisseur John Cassavetes (Filmografie lesen).
Das Magazin hat die Grippe im Gepäck. Furchterregend, was Jamie Shreeve da untersucht. Sein Artikel führt uns in die Hochsicherheitslabore der Epidemiologen und lässt uns zweierlei hoffen: Erstens, dass Wissenschaftler bald in der Lage sein werden, die Zusammenhänge von Pandemien besser zu verstehen, um Seuchen wie die Vogelgrippe im Zaum zu halten. Und zweitens, dass diese Leute auf der guten Seite sind, ein ruhiges Händchen haben und sich, wie der Autor das tut, immer wieder fragen, "ob, was wir lernen können, auch das Risiko rechtfertigt, das diese Experimente bergen", wenn sie mit Killern wie dem Grippevirus von 1918 hantieren. Sicher nämlich ist nur soviel: "Die nächste Pandemie kommt bestimmt - wenn nicht durch den H5N1-Virus, dann womöglich von einem anderen, noch nicht bekannten."
Daniel Bergner fragt, ob es amerikanische Christen, die in Kenia versuchen, Angehörige vom Stamm der Samburu zu missionieren, nicht vielleicht zu gut meinen. "Vorgesehen sind Gottesdienste unter Akazien ... und Bibelkurse als eine Form des Geschichtenerzählens, das der mündlichen Tradition der Samburu entspricht." Einen Begriff von Sünde und von der Abgetrenntheit von Gott wollen die Missionare den Samburu vermitteln. Die aber haben ihren eigenen Gott, Ngai, dem sie der Überlieferung nach einst durch eine lederne Leiter verbunden waren. "Ein zorniger Samburu zerschnitt diese Leiter, und seitdem ist der Stamm getrennt von seinem Gott."
Weitere Artikel: Alex Witchel besucht den Broadway-Kostümdesigner und vierfachen Tony Awards Gewinner William Ivey Long, der selbst seit dreißig Jahren immer das gleiche anhat: "Marineblauen Blazer, weißes Hemd, gestreifte Krawatte, Khakis, schwarze Schnürschuh." Eine Uniform. Aus gutem Gund: "Wenn ich etwas trüge, worüber die Leuten reden könnten, das würde bloß ablenken. Mein Blick gilt den Leuten." In einem Interview schließlich gibt der Schwarm aller Schwiegermütter, James Blunt, wertvolle Tipps für Musikmuffel: "Wenn dich mein Album langweilt, kannst du prima Frisbee damit spielen."
Außerdem in der Review: Zwei neu erschienene Aufsatzsammlungen zur Folter, die Lance Morrow ein bisschen zu tendenziös findet: "Die Position der Rechten hat nur Schein-Befürworter. Insgesamt tendieren die Beiträge beider Bücher zur Frömmelei: Folter = böse, ich = gut." Das uns wärmstens empfohlene Romandebüt der gebürtigen Moskowiterin Olga Grushin, in dem ein russischer Künstler seine Ideale an das System verrät und damit im Tauwetter von Glasnost baden geht. Und Biografien: Über Ronald Reagan (Leseprobe "Triumph der Vorstellungskraft"), über den elisabethanischen Dichter und Dramatiker Christopher Marlowe sowie über den 1989 verstorbenen Independent-Regisseur John Cassavetes (Filmografie lesen).
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q12/A12959/nytmag.jpg)
Daniel Bergner fragt, ob es amerikanische Christen, die in Kenia versuchen, Angehörige vom Stamm der Samburu zu missionieren, nicht vielleicht zu gut meinen. "Vorgesehen sind Gottesdienste unter Akazien ... und Bibelkurse als eine Form des Geschichtenerzählens, das der mündlichen Tradition der Samburu entspricht." Einen Begriff von Sünde und von der Abgetrenntheit von Gott wollen die Missionare den Samburu vermitteln. Die aber haben ihren eigenen Gott, Ngai, dem sie der Überlieferung nach einst durch eine lederne Leiter verbunden waren. "Ein zorniger Samburu zerschnitt diese Leiter, und seitdem ist der Stamm getrennt von seinem Gott."
Weitere Artikel: Alex Witchel besucht den Broadway-Kostümdesigner und vierfachen Tony Awards Gewinner William Ivey Long, der selbst seit dreißig Jahren immer das gleiche anhat: "Marineblauen Blazer, weißes Hemd, gestreifte Krawatte, Khakis, schwarze Schnürschuh." Eine Uniform. Aus gutem Gund: "Wenn ich etwas trüge, worüber die Leuten reden könnten, das würde bloß ablenken. Mein Blick gilt den Leuten." In einem Interview schließlich gibt der Schwarm aller Schwiegermütter, James Blunt, wertvolle Tipps für Musikmuffel: "Wenn dich mein Album langweilt, kannst du prima Frisbee damit spielen."